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# taz.de -- Chinas wachsende Filmbranche: Das große Profitversprechen
> China ist bald der größte Filmmarkt der Welt. Hollywood will dabei sein,
> muss aber dafür mit der kommunistischen Führung kooperieren.
Bild: Zur Vorstellung des Films „Maficent“ in 2014 in Shanghai: Schauspiele…
Sicherlich wäre „Jurassic World“ auch so ein Kassenschlager geworden. Doch
wahrscheinlich nicht in diesem Ausmaß. Denn weder brillieren im vierten
Teil der Dinosaurier-Reihe die Schauspieler, noch sind die Spezialeffekte
sonderlich innovativ. Dass der Film dennoch am Startwochenende weltweit
über eine halbe Milliarde US-Dollar einspielte, hat vor allem einen Grund:
China.
Chinesische Kinobesucher steuerten an den ersten drei Tagen 100 Millionen
Dollar bei. Es war das zweitgrößte Einspielland hinter den USA mit 204
Millionen Dollar. Das ebenfalls vor Kurzem erschienene
Straßenrennen-Spektakel „Fast & Furious 7“ hat in der Volksrepublik
inzwischen sogar über 400 Millionen Dollar eingespielt. Das mag angesichts
einer Einwohnerzahl von 1,3 Milliarden nicht überraschen. Und doch sind das
für Hollywood völlig neue Dimensionen. Denn China hat sich erst in den
letzten Jahren überhaupt der ausländischen Filmindustrie geöffnet.
Es ist noch keine zehn Jahre her, da fand sich im ganzen Land nicht ein
Multiplex-Kino, ausländische Filme wurden so gut wie gar nicht gezeigt. Der
Staat ließ sie nicht zu. Damals hatte Hollywood das China-Geschäft auch
nicht im Blick. Filmfans konnten in China Blockbuster nur sehen, wenn sie
sich raubkopierte DVDs besorgten. Inzwischen sind es landesweit über 4.000
Großkinoanlagen mit insgesamt rund 25.000 Leinwänden.
Und täglich kommen im Schnitt zehn dazu, die meisten von ihnen sind mit der
besonders hoch auflösenden 4k- Digitaltechnologie ausgerüstet. China ist
damit der am schnellsten wachsende Kinomarkt. Sollte es in dieser
Geschwindigkeit weitergehen, wird das Land spätestens 2020 zum größten
Filmmarkt der Welt aufgestiegen sein.
Angesichts dieser Aussichten blinken in den Augen derjenigen, die die
großen Filmstudios in Hollywood betreiben, die Dollar-Zeichen – zumal der
heimische Markt und auch der in Europa und Japan seit Jahren stagnieren.
Und doch ist die Volksrepublik auch weiterhin kein einfacher Markt und
stellt die US-Filmstudios vor völlig neuen Herausforderungen. Was
Schwierigkeiten bereitet, sind die weiterhin vorhandenen staatlichen
Einschränkungen.
## Nur 34 ausländische Filme
Nicht mehr als 34 ausländische Filme im Jahr sind in chinesischen Kinos
zugelassen. Diese Zahl soll vom kommenden Jahr an zwar jährlich um fünf
erhöht werden. Doch um in die chinesischen Kinos zu gelangen, müssen die
Filme eine rigide Zensur durchlaufen. Das ist gar nicht so einfach. Denn
den Behörden geht es dabei keineswegs nur um sexuell anrüchige oder
gewalttätige Szenen; mit Gewalt haben die Zensoren oft erstaunlich wenig
Probleme. Die Filme dürfen auf keinen Fall China schlecht aussehen lassen.
Bis vor Kurzem haben die Hollywood-Studios ihre Filme den chinesischen
Zensoren einfach übergeben und ihnen überlassen, welche Szenen sie
herausschneiden. Doch damit geben sich die chinesischen Zuschauer
inzwischen nicht mehr zufrieden. Denn häufig wurden 100-minütige Filme auf
mickrige 70 bis 80 Minuten zusammengestutzt.
Einigen Filmen gingen dabei die Logik und der Zusammenhang verloren. Aus
„Skyfall“, dem bis dato jüngsten James-Bond-Film, wurde eine Szene
herausgeschnitten, die in Schanghai spielt und in der ein Killer kaltblütig
einen chinesischen Wachmann erschießt – ersatzlos. Der chinesische
Zuschauer konnte dem Fortgang der Handlung nicht mehr folgen. „Cloud Atlas“
von Tom Tykwer und Andy und Lana Wachowski wurde von den Zensoren so sehr
verstümmelt, dass er knapp 40 Minuten kürzer war als das fast dreistündige
Original. Vor allem Nacktszenen und Küsse zwischen den männlichen Akteuren
fielen weg. Viele Kino-Fans zogen es deshalb vor, sich „Cloud Atlats“ in
voller Länge illegal aus dem Internet herunterzuladen. Oder sie wichen im
Kino auf chinesische Filme aus.
Wollen die Filmstudios aus Hollywood in China durchstarten, müssen sie
daher kooperieren. Denn sobald ausländische Filmstudios mit chinesischen
Firmen zusammenarbeiten, unterliegen sie nicht mehr der strengen Quote von
maximal 34 ausländischen Produktionen im Jahr. Eine Koproduktion wird
allerdings erst dann als solche anerkannt, wenn die chinesischen Behörden
ihre Zustimmung zum Drehbuch erteilt haben, chinesische Darsteller gecastet
werden und mindestens ein Hauptdarsteller Chinese ist.
Paramount Pictures hat es mit dem „Transformer 4 – Ära des Untergangs“
bereits ausprobiert. Nicht nur haben die US-Amerikaner diesen Film in China
mit großem Aufwand beworben und gezielt chinesische Produkte platziert. Die
gesamte zweite Hälfte des Films hat der Regisseur Michael Bay in die
Volksrepublik verlegt. Zwar beteuert Paramount, der Ortswechsel von Texas
und Chicago nach Peking, Guangzhou und Hongkong sei bereits Teil des
Drehbuchs gewesen, bevor feststand, dass der chinesische Kinomarkt im Fokus
stehen würde. Doch mindestens eine Szene legt den Verdacht nahe, dass
Chinas Propagandaabteilung mitredete. „Die Zentralregierung wird Hongkong
um jeden Preis retten“, heißt es völlig unvermittelt in einer Einblendung,
die für die Handlung irrelevant ist.
Der Film brach in China alle Rekorde. Er spielte insgesamt 450 Millionen
Dollar ein. Damit ist er der bislang erfolgreichste Hollywood-Film in der
Volksrepublik. „Wir haben einen tollen Start hinter uns“, freute sich der
Paramount-Chef Brad Grey im Wall Street Journal. Seine Strategie, gezielt
das chinesische Publikum anzusprechen, scheint aufgegangen zu sein. Und die
der chinesischen Führung ebenfalls.
## Erschwerter Zugang
Auch der US-Schauspieler Matt Damon lässt sich auf diese neuen Marktchancen
in Fernost ein. Er hat sich für eine Rolle in dem chinesischen
Geschichtsepos „The Great Wall“ verpflichten lassen – eine 150 Millionen
Dollar teure US-chinesische Filmproduktion. Das US-Filmportal Hollywood
Reporter bezeichnet diese Kooperation als „Game-Changer“ der beiden größt…
Filmmärkte der Welt, die den Film auf Dauer verändern werden. Bruce Willis
will sogar in einem chinesischen Kriegsfilm mitspielen: in „The Bombing“
von Xiao Feng. Die Fertigstellung wird für 2016 erwartet, es geht darin um
einen US-amerikanischen Piloten während des Zweiten Weltkriegs, der
chinesische Soldaten im Fliegen ausbildet, damit sie gegen Japan kämpfen.
Eine Verlegung der Handlung nach Fernost genügt der chinesischen Führung
nicht. Sie will zugleich die heimische Filmwirtschaft stärken und erschwert
deswegen den Zugang für ausländische Produzenten. Tatsächlich sind original
chinesische Filme im Heimatland seit einiger Zeit im Kommen. 2014 spielten
sie nach Angaben der staatlichen Medienbehörde rund 55 Prozent der
Kinoerlöse ein, ein Plus von 7 Prozentpunkten im Vergleich zu 2012.
Im Rest der Welt sind chinesische Filme bislang wenig verbreitet. Auch das
will Peking ändern. Bereits seit einigen Jahren ist die chinesische Führung
bemüht, Chinas mieses Image in der Welt zu verbessern. Ein Land wie die
Volksrepublik brauche nicht nur politische und wirtschaftliche Macht,
sondern auch kulturelle Anerkennung, forderte die chinesische Führung 2010.
Von „Soft Power” ist seitdem ständig die Rede.
Bislang ist die Strategie kaum aufgegangen. Obwohl Pekings Kulturbehörden
seit Jahren Milliarden in fremdsprachige Fernsehsender, Publikationen,
Veranstaltungen und Konfuzius-Institute investieren, gibt es kaum Dinge,
die Chinas Ansehen im Ausland gesteigert haben – einmal abgesehen von der
Küche und Kung-Fu. Im Gegenteil: Obwohl sich die Konfuzius-Institute nach
dem Vorbild der Goethe-Institute mit Sprachkursen und Kulturveranstaltungen
– allein in Deutschland gibt es 14 – sehr intensiv um ein positiveres
China-Bild bemühen, wird ihnen Propaganda für die Kommunistische Partei
vorgeworfen. Nun setzt Peking auf die chinesische Filmindustrie.
Das lassen sich chinesische Unterhaltungsriesen einiges kosten: Dalian
Wanda, Chinas größter Unterhaltungskonzern, hat 2012 AMC gekauft, einen der
größten Kinobetreiber in den USA, und ist auf der Suche nach weiteren
Beteiligungen in der internationalen Unterhaltungsindustrie. Seit einiger
Zeit ist auch Internet-Milliardär und Alibaba-Chef Jack Ma auf Einkaufstour
in Hollywood. Er strebt eine Beteiligung an der US-Produktionsfirma
Lionsgate an.
Bei den meisten Filmen mit chinesischer Beteiligung handelt es sich um
Action-Ware, die politisch wenig sensible Themen aufgreift. Und doch bleibt
ein fader Beigeschmack. „Hollywood hat weder ein gesteigertes Interesse an
der chinesischen Kultur noch an den Chinesen an sich“, kritisiert die
Schanghaier Filmkritikerin Pan Yu. Es gehe beiden Seiten allein ums
Geldverdienen. „Der künstlerische Anspruch bleibt auf der Strecke.“
18 Jul 2015
## AUTOREN
Felix Lee
## TAGS
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