| # taz.de -- Smog-Doku „Under the Dome“: „Wird es mir wehtun?“ | |
| > Ein Dokumentarfilm über Luftverschmutzung sorgt in China für | |
| > Diskussionen. Den Film hat die Regierung noch nicht verboten – aber sie | |
| > zensiert die Debatte. | |
| Bild: Smog auf dem Tiananmen Platz in Peking. | |
| BERLIN taz | 175. Das ist die Anzahl der Tage, in denen Beijing im | |
| vergangenen Jahr unter einer Decke von Smog gelegen hat – knapp die Hälfte | |
| des Jahres. „Und in dieser Zeit musste meine Tochter im Haus bleiben wie | |
| eine Gefangene“, sagt Chai Jing. Sie ist TV-Journalistin und hat eine | |
| Dokumentation über Luftverschmutzung in China gedreht, die nun erschienen | |
| ist. Bereits in der ersten Woche haben mehrere hundert Millionen Menschen | |
| den Film „Under the Dome“ gesehen. | |
| Luftverschmutzung ist in China seit vielen Jahren ein Thema. Aber so offen | |
| und unverblümt wie Jing hat noch kein Journalist gewagt, darüber zu | |
| berichten. Der rund einstündige Film erinnert von der Machart an den Film | |
| Eine unbequeme Wahrheit über den Klimawandel von Al Gore. Während des Films | |
| steht Jing auf einer Bühne, im Hintergrund werden Graphen und Bilder | |
| eingeblendet, die die Situation verdeutlichen sollen: Zum Beispiel | |
| Smogwerte aus Beijing und Bilder mit durch Luftverschmutzung verdunkelte | |
| Straßen in Tianjin. | |
| Dazu kommen kurze Video-Einspieler, die sie bei ihrer Recherche zeigen. | |
| Jing hat in den vergangenen Monaten mit Politikern, Umweltexperten und | |
| Vertretern der Industrie gesprochen. Für sie sind vor allem Chinas Kohle- | |
| und Ölindustrie, große Staatsbetriebe und die offizielle Stellen und ihre | |
| mangelhaften Kontrollen für die Situation in katastrophale Umweltsituation | |
| in China verantwortlich. | |
| Auf der Suche nach den Gründen für die niedrigen Standards bei den | |
| Abgasausstoß-Regelungen für gewerblich genutzte Fahrzeuge, interviewt sie | |
| einen Mitarbeiter von der Akademie Chinese Research Academy of Environment | |
| Sciences. Seine Antwort: In der zuständigen, staatlichen Abteilung, die für | |
| die Festsetzung der Werte zuständig ist, würde die Mehrheit - bis zu 70 | |
| Prozent – aus der direkt Ölindustrie stammen. 90 Prozent seien aus der | |
| Industrie. | |
| Produziert hat die ehemalige CCTV-Journalistin die Doku auf eigene Kosten, | |
| die bei rund 145.000 Euro liegen sollen. Anstoß für den Dreh, sagt sie am | |
| Anfang des Films, sei ihre Tochter gewesen. Sie sei direkt nach ihrer | |
| Geburt wegen eines Gehirntumors operiert worden. Jing scheint eine | |
| Verbindung zwischen der Umweltsituation und der Krankheit ihrer Tochter zu | |
| sehen. Zudem traue sie sich heute nicht mehr, ihr Kind bei Smog vor die Tür | |
| zu lassen. | |
| Daher kommt auch der Name des Films. In China lief im vergangenen Jahr eine | |
| Serie, in der ein Dorf unter einer Kuppel eingeschlossen ist – „Under the | |
| Dome“. „Ich habe eines Tages entdeckt, dass es in China bereits die | |
| Realität ist“, sagt Jing. Manchmal stünde ihre kleine Tochter am Fenster in | |
| der Wohnung und klopfe ans Fenster. Es sei ihr Zeichen dafür, dass sie raus | |
| möchte. „Bald wird sie mich fragen, warum sie es nicht darf“, sagt Jing. | |
| „Was das da draußen ist, und ob es ihr wehtun kann.“ | |
| ## Smog gehört zum Alltag | |
| Dass die chinesische Regierung den Film noch nicht verboten hat, ist | |
| überraschend. Auch wenn Smog zum chinesischen Alltag gehört, wie Stäbchen | |
| zum Essen und viele Chinesen jeden Tag beispielsweise einen Mundschutz | |
| tragen und spezielle Luftfilteranlagen in ihren Wohnungen installieren. Was | |
| Chai Jing wagt – darüber zu berichten – das ist neu. Chinesische Medien | |
| sind nicht frei, Umweltverschmutzung gehört zu den besonders sensiblen | |
| Themen. | |
| Doch damit scheint nun auch Schluss zu sein. „Die öffentliche Meinung muss | |
| online reguliert werden“, heißt es in einem Dokument, dass der chinesische | |
| Onlinezeitung „China digital times“ vorliegen soll. Laut des Zensur-Index | |
| WeiboScope „Chai Jing“ und „Smog“ gehören seit Anfang der Woche zu den… | |
| meisten zensierten Begriffen auf der Mikroblogging-Plattform Weibo. | |
| Denn nicht nur die Offenheit, in der Jing die Situation anspricht, ist neu. | |
| Der Film ist wie Al Gores ein Film für die Massen. In einfacher Sprache | |
| erklärt sie das Problem, so dass es jeder versteht. Was ist Smog, woher | |
| kommt er und wie bekämpfen wir ihn. Die Antwort auf die letzte Frage ist: | |
| Zu wenig. Und das kann durch Jing nun jeder verstehen. | |
| 6 Mar 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Lea Deuber | |
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