# taz.de -- Landnutzung in Brasilien: Der harte Kampf um den Regenwald | |
> In Brasilien wollen die Großgrundbesitzer mehr Land nutzen. Dafür stellen | |
> sie bislang verbriefte Rechte der Indigenen infrage. | |
Bild: So sieht es aus, wenn sich die Agrarier durchsetzen: Sie holzen den Wald … | |
RIO DE JANEIRO taz | In Brasilien stehen sich Indígenas und das | |
Agrobusiness feindselig gegenüber. Es ist ein Konflikt um Land, der oft mit | |
Gewalt ausgetragen wird. Noch schützt die Verfassung die Rechte der | |
Indígenas. Doch der konservative Kongress will den Handlungsspielraum der | |
Regierung einschränken. | |
„Die Lage der Indígenas ist dramatisch. Ich nenne es sogar einen Genozid. | |
Grund dafür ist, dass Land, das eigentlich uns zusteht, immer wieder | |
Farmern zur Nutzung zugesprochen wird.“ Nailton Pataxó spricht aus eigener | |
Erfahrung. Er ist einer der Kaziken der Pataxó-Indígenas, die im Süden des | |
Bundesstaates Bahia leben. | |
Seit Jahrzehnten leben sie im Konflikt mit Landwirten und | |
Großgrundbesitzern, die Anspruch auf das Land erheben, das den Pataxó einst | |
zugesprochen wurde. Immer wieder kommt es zu bewaffneten | |
Auseinandersetzungen. | |
Auch in anderen Regionen Brasiliens kommt es zu gewalttätigen | |
Auseinandersetzungen zwischen Indígenas und denjenigen, die das Land nicht | |
zum Leben, sondern für wirtschaftlichen Profit nutzen wollen. Seit dem Jahr | |
2000 kamen dabei über 600 Indígenas ums Leben. | |
Nailton Pataxó befürchtet, dass sich die Lage weiter zuspitzen wird. In der | |
Verfassung von 1988 ist das Anrecht der Indígenas auf das Land ihrer | |
Vorfahren festgeschrieben. Doch die Einrichtung von indigenen Ländereien | |
ist fast zum Erliegen gekommen. „Statt uns Land zum Leben zu geben und | |
unsere Ansprüche zu schützen, wird genau das Gegenteil gemacht“, erklärt | |
Pataxó und prophezeit: „Demnächst wird der Kongress die Rechte, für die wir | |
so lange gekämpft haben, wieder aus der Verfassung streichen.“ | |
## Rechtsruck im Kongress verändert das Klima | |
Es geht um die PEC 215, einen Verfassungszusatz, mit dem die | |
Entscheidungsgewalt über die Einrichtung von indigenen Ländereien von der | |
Bundesregierung auf den Kongress übertragen werden soll. Dort hat die | |
parteiübergreifende Fraktion der Agrarier großen Einfluss und würde – so | |
befürchten die Indígenas – alle Anträge auf Demarkierung von Indígenas-La… | |
ablehnen. | |
Da die Regierung bisher eine Abstimmung über die PEC verhindern konnte, | |
verschwand das Vorhaben in der Schublade. Doch trotz der Wiederwahl der | |
Mitte-links-Regierung von Präsidentin Dilma Rousseff bei den Wahlen im | |
vergangenen Oktober kam es im Kongress zu einem deutlichen Rechtsruck. Die | |
Agrarier-Fraktion zählt jetzt über die Hälfte der Parlamentssitze. | |
Hinzu kommt, dass Anfang Februar mit dem evangelikalen | |
Oppositionsabgeordneten Eduardo Cunha ein Verfechter der industriellen | |
Landwirtschaft zum Parlamentspräsidenten gewählt wurde. Er kündigte bereits | |
die Einrichtung einer Kommission an, um die Abstimmung über die | |
Verfassungsänderung zu beschleunigen. „Die Profiteure wären neben den | |
Farmern die Holzindustrie, Bergbauunternehmen und die Befürworter von | |
Energiegewinnung durch Stauseen mitten im Urwald“, resümiert Nailton | |
Pataxó. | |
Die Agrarier argumentieren, dass der Staat den wenigen Indígenas schon | |
jetzt viel zu viel Land übereignet hat. Die knapp eine Million Indígenas | |
machen nur ein halbes Prozent der Bevölkerung aus. Die ihnen zugewiesenen | |
Gebiete umfassen aber rund 12 Prozent des brasilianischen Territoriums. Aus | |
Sicht der Indígenas ist dies kein Missverhältnis. Denn die meisten | |
indigenen Gebiete liegen im Amazonaswald und sind aufgrund von | |
Schutzbestimmungen gar nicht wirtschaftlich nutzbar. Für sie ist vielmehr | |
die ungerechte Landverteilung in Brasilien fragwürdig: Fast 60 Prozent der | |
landwirtschaftlich nutzbaren Fläche in Brasilien ist Eigentum von | |
Großgrundbesitzern, die gerade mal 3 Prozent der Landwirte ausmachen. | |
4 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Andreas Behn | |
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