| # taz.de -- Landwirtin in den USA: Allein unter Cowboys | |
| > Sechzig Ziegen und sechs Lamas: Mary Kirick betreibt eine Ranch in Texas. | |
| > Eine Lebensentscheidung, die nur sehr wenige Frauen treffen. | |
| Bild: Mary Kirik blickt über ihren Besitz. Fotografiert wird sie nicht so gern… | |
| BRIGGS/TEXAS taz | Die vergangenen Wochen waren zu trocken wie die meisten | |
| - viel zu viele - hier in Texas, die Straße ist gerade noch als Weg | |
| auszumachen. Roter Sand staubt in jeder Kurve auf, dann irgendwann ist das | |
| schmiedeeiserne, fest verschlossene Eingangstor von Mary Kiricks Besitz | |
| erreicht. | |
| Eine knappe Stunde dauert es mit dem Auto von Austin, der Hauptstadt von | |
| Texas, bis nach Briggs, ziemlich genau in der Mitte des Bundesstaates im | |
| Südwesten der USA. Der Stadtkern ist eine Kreuzung, über der eine | |
| orangefarbene Warnampel blinkt: Verkehr aus allen Richtungen möglich. Aber | |
| unwahrscheinlich. Dann hat man Briggs Downtown wieder verlassen, hinter der | |
| nächsten Kurve wartet das Nichts. Und hinter dem Nichts die Ranch von Mary | |
| Kirick. Das erste, was neben der akkuraten Auffahrt ins Auge sticht ist | |
| nicht etwa ein traditionelles Texas Longhorn-Rind. Es ist ein Lama. | |
| „Es sind so friedliche, schöne Tiere“, sagt Mary Kirick. Doch ihre sechs | |
| Lamas hat sie nicht aus ästhetischen Gründen angeschafft. Lamas eigenen | |
| sich als Herdenschutztiere und sind wenig aufwendig in der Haltung. Und | |
| Effizienz ist eins der wichtigsten Kriterien im Alltag der 54-Jährigen. | |
| Kirick ist eine von 38.500 Frauen in Texas, die als Landwirtin | |
| hauptverantwortlich einen Betrieb leitet. Nirgendwo in den USA gibt es mehr | |
| Frauen in diesem Job. Und während die Zahl weiblicher Farmer laut der | |
| [1][US-Landwirtschaftsbehörde] in den vergangenen Jahren kontinuierlich | |
| gesunken ist und nur 14 Prozent der 2,1 Millionen landwirtschaftlichen | |
| Betriebe im Land von Frauen geführt werden, entwickelt sich Texas gegen den | |
| Trend. | |
| Gegen den Trend sind auch Mary Kiricks sechs Lamas und mehr als 60 Ziegen. | |
| Kirick bewirtschaftet knapp 28 Hektar Land, sehr überschaubar für | |
| amerikanische Verhältnisse, wo einzelne Farmen 400 Hektar und mehr messen | |
| können. Doch 28 Hektar bedeuten für Kirick 28 Hektar Arbeit jeden Tag. Denn | |
| sie führt die Ranch allein. „Mein Mann hatte noch nie Interesse daran.“ Und | |
| dann ist er noch erkrankt. | |
| In einem der bedeutendsten und umkämpftesten Märkte der USA allein einen | |
| Betrieb zu führen, das muss man wollen. Kirick wollte schon immer. Sie ist | |
| auf einer Farm im mittleren Westen der USA groß geworden, hat dann lange | |
| als Projektingenieurin gearbeitet. Doch Mary Kirick und Städte, das war es | |
| nicht. „Ich habe es gehasst.“ 1994 überzeugte sie ihren Mann, das Land in | |
| Briggs zu kaufen, sechs Jahre später zogen sie um. | |
| ## 40 Kilometer bis zum Einkaufszentrum | |
| Das nächste Einkaufszentrum ist mehr als 40 Kilometer entfernt. „Aber wir | |
| brauchen doch fast nichts, wir haben alles hier", sagt Kirick und blickt | |
| von ihrem gut heruntergekühlten Esszimmer auf den Garten und angrenzenden | |
| Wiesen. Der Gemüsegarten ist auch für die Ziegen eine große Versuchung, mit | |
| der Instandhaltung der Zäunen hat Kirick fast die meiste Arbeit. Neben den | |
| Zedern, die ständig überwall Wurzeln schlagen, aber dem ohnehin schon | |
| trockenem Boden alles Wasser nehmen. Sie müssen gerodet werden, wieder und | |
| wieder. Für Ziegen entschied sich Kirick aus pragmatischen Gründen: „Ein | |
| Longhorn könnte ich überhaupt nicht bändigen, wenn es ums Verladen oder | |
| andere Dinge geht.“ | |
| Bei der Energie, die Kirick ausstrahlt, möchte man ihr widersprechen, aber | |
| Kirick ist klein und Hilfe kann sie sich nicht leisten. Die Hörner eines | |
| Longhorns können eine Spanne von bis zu zwei Metern umfassen. Außerdem | |
| bedeuten Ziegen weniger Arbeit, denn Kirick hält keine Milchtiere. | |
| ## Zwei Dollar pro Pfund Ziegenfleisch | |
| Zweimal im Jahr verlädt die 54-Jährige ihre Ziegen und fährt zur nächsten | |
| Viehauktion. Etwa zwei Dollar pro Pfund (etwa ein halbes Kilo) Fleisch | |
| erzielt sie dort. „Doch bis zum Verkauf bleibe ich gar nicht.“ Kirick mag | |
| ihre Tiere - unprofessionell würden Vorsteher von den großen Betrieben das | |
| nennen. Am Ende des Jahres steht für Kirick die schwarze Null. Sie hat den | |
| Luxus, durch ihren früheren Job und die Rente ihres Ehemanns nicht darauf | |
| angewiesen zu sein, was die Farm abwirft. Für viele ist das anders, sie | |
| haben Schwierigkeiten, auf dem globalisierten Markt mitzuhalten. „Meine | |
| Nachbarin hat einen Job als Krankenschwester angenommen, damit überhaupt | |
| genug Geld reinkommt.“ Die Wild-West-Romantik mit Cowboys, Lagefeuern und | |
| großen Gewinnen hat sich lange schon aufgebraucht. | |
| Immer weniger landwirtschaftliche Betriebe produzieren immer mehr Produkte, | |
| gab es in den 50er Jahren in den USA noch sechs Millionen Höfe, sind es | |
| 2012 nur noch knapp über 2 Millionen. Nur wer durch und durch | |
| professionalisiert ist, kann überleben. Damit das auch kleineren Betrieben | |
| und der Minderheit von weiblichen Führungskräften gelingt, gibt es in Texas | |
| und anderen Bundesstaaten [2][„Annie's Project - Education for Farm | |
| Women“]. | |
| Ruth Hambleton hat das Projekt in Rahmen eines Universitätsprogramms vor | |
| mittlerweile 12 Jahren gestartet. „Wir bekamen die Förderung, weil | |
| weibliche Landwirte als Zielgruppe unterrepräsentiert waren.“ Das | |
| Non-Profit-Programm, das in Illinois mit zehn Frauen begann, wird | |
| mittlerweile in 34 US-Staaten betrieben und hat mehr als 10.000 Frauen | |
| erreicht. | |
| In Workshops wird in einem Zeitraum von sechs Wochen über Buchführung bis | |
| hin zu Vokabular auf Viehauktionen so viel besprochen, wie es nur geht. | |
| „Oft sind es Töchter von Landwirten, die einen Betrieb übernehmen und | |
| zunächst überwältigt sind", sagt Hambleton. Ihnen müsse man vermitteln, | |
| dass es gerade in einem Geschäft, das stets auf den globalen Markt | |
| reagieren müsse, immer einen Plan B und C geben muss. Nur mit Frauen zu | |
| arbeiten helfe, weil die Ansprache eine andere sei, so Hambleton. | |
| Auch Mary Kirick hat einen Workshop von „Annie's Project“ besucht und davon | |
| profitiert. Nicht nur, weil sie jetzt ihre Bücher besser führt und besser | |
| kalkuliert, wie viel Heu sie in der anhaltenden Dürre lagern muss, um es | |
| nicht bei akuter Trockenheit zu einem horrenden Preis kaufen zu müssen. | |
| „Der Austausch mit Frauen war wichtig“, sagt sie. „Alle Viertel Jahre | |
| kommen wir wieder zusammen.“ Reich wird Kirick mit ihrem Betrieb nicht | |
| mehr. „Wer großen Profit machen will, muss sich vom eigentlichen Ranchleben | |
| verabschieden“, sagt sie während sie durchs Heulager zu einer der hinteren | |
| Wiesen läuft. | |
| Doch genau das treibt sie an, das Leben auf der Farm, hinter der | |
| Durchgangsstraße von Briggs, in der der Tag endlos scheint, aber für Mary | |
| Kirick von einem in den nächsten Arbeitsschritt fließt. Auf der Wiese ist | |
| ein Zaun kaputt, mehrere Ziegen sind trächtig, der Gemüsegarten muss für | |
| den nächsten Wochenmarkt abgeerntet werden. Mary Kiricks Tag wird noch lang | |
| sein. Und sie will durchhalten, den Statistiken zum Trotz. | |
| 5 Apr 2015 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.usda.gov/wps/portal/usda/usdahome | |
| [2] http://www.extension.iastate.edu/annie/ | |
| ## AUTOREN | |
| Rieke Havertz | |
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