Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Bodenstreit in Brasilien: Jetzt geht‘s um die Verfassung
> Großgrundbesitzer wollen die Landrechte von Indigenen aushöhlen. Das
> gefährdet den sozialen Frieden in Brasilien und das Klima weltweit.
Bild: Indigene trainieren mit Feuerwehrleuten das Löschen von Waldbränden
Rio de Janeiro taz | Die Agrarlobby in Brasilien jubelt: Sie hat im
Parlament einen Teilsieg errungen, der künftig den Einfluss von
Großgrundbesitzern und Industriellen deutlich erweitern und die Landrechte
der Indígenas praktisch aufheben könnte. Seit Langem schon versucht die
Agrarlobby der Regierung die Definitionshoheit über die Ausweisung
indigener Schutzgebiete zu entziehen. Nun ist die erste Hürde zu einer
möglichen Verfassungsänderung überwunden. Der zuständige
Parlamentsausschuss billigte die äußerst umstrittene „PEC 215“.
Demnach soll künftig nicht mehr die der Regierung unterstellte Funai, die
Behörde für die Angelegenheiten der indigenen Völker, das letzte Wort über
die Schutzgebiete haben, sondern der Kongress. Dort haben Lobbyisten von
Industrie und Agrobusiness großen Einfluss, sodass abzusehen ist, dass die
ohnehin träge Ausweitung von Schutzgebieten ganz zum Erliegen kommt. Zudem
legt die PEC 215 fest, dass bestehende Schutzgebiete nicht ausgedehnt
werden dürfen.
Stattdessen werden die Schutzbestimmungen für indigenen Lebensraum
aufgeweicht. So wird etwa ermöglicht, die Schutzzonen bei bestimmten
Interessenlagen für den Bau von Staudämmen, Bergbau und für Agrarwirtschaft
nutzen zu dürfen.
Das Ergebnis ist ein Sieg für die fraktionsübergreifend vertretene
Agrarlobby. Weil die Abgeordneten gemäßigt linker Parteien und der
regierenden Arbeiterpartei PT nach heftigen Wortgefechten die Wahl
boykottierten, fiel das Ergebnis sogar einstimmig aus.
## Gewalttätige Auseinandersetzung
Das Vorhaben könnte zur weiteren Zerstörung von Regenwald führen. Rund 10
Prozent aller Tier- und Pflanzenarten sind im Amazonasgebiet zu Hause,
außerdem speichern die Bäume riesige Mengen Kohlenstoff. Ihre Rodung heizt
den Klimawandel zusätzlich an. Nicht auszuschließen, dass bereits
demarkierte Gebiete im Amazonasbecken nachträglich komplett der
wirtschaftlichen Nutzung und weiterer Abholzung anheimfallen könnten. Zuvor
müssen allerdings noch der Senat und das Parlamentsplenum über die
Verfassungsänderung abstimmen.
Die Regierung von Präsidentin Dilma Rousseff nannte das Votum des
Ausschusses einen Angriff auf die in der Verfassung verbrieften Rechte und
Landtitel der Indigenen. Dabei ist Rousseff nicht gerade als Verfechterin
indigener Interessen bekannt. In ihrer ersten Amtszeit erklärte sie weit
weniger Flächen zu Schutzgebieten als all ihre Vorgänger seit Ende der
Diktatur 1985. Der konservativen Unternehmerin Kátia Abreu, einer Ikone der
landgierigen Agrarierfraktion, überließ sie das Landwirtschaftsministerium.
Seitdem sind die Indigenen in der Defensive.
Immer wieder kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit
Großgrundbesitzern und deren Sicherheitsdiensten. Allein 2014 kostete der
Streit um Land über 130 Indígenas das Leben. Heftige Reaktionen auf den
Vorstoß gab es daher auch während der ersten Indígena-Weltspiele, die am
Sonntag im brasilianischen Palmas zu Ende gingen. Besorgnis löste die
Ausschussentscheidung auch unter internationalen Umweltschutzorganisationen
wie dem WWF aus.
3 Nov 2015
## AUTOREN
Andreas Behn
## TAGS
Landrechte
Schwerpunkt Klimawandel
Brasilien
Indigenas
Schwerpunkt Klimawandel
Brasilien
Brasilien
Ecuador
Bergbau
Brasilien
Ökonomie
## ARTIKEL ZUM THEMA
Umweltschützer in Brasilien erschossen: Ein Wächter Amazoniens
Der indigene Unweltschützer Jorginho Guajajara wurde umgebracht. Erst
kürzlich hatte er eine Holzfällerbande aus der Region vertrieben.
Regenwald in Brasilien: Die Zerstörung geht weiter
Der Regenwald ist wieder in Gefahr. Zunehmende Rodungen, ein gekürzter
Umweltetat und die skrupellose Agrarlobby setzen ihm zu.
Umweltkatastrophe in Brasilien: Schlammlawine erreicht das Meer
20.000 olympische Schwimmbecken voll Giftschlamm wälzen sich dem Meer
entgegen. Menschen sterben, Lebensräume sind zerstört. Die Regierung will
klagen.
Welt-Indígena-Spiele: Das Spiel mit dem Schein
Die ersten Welt-Indígena-Spiele sollen eine Multikulti-Veranstaltung
werden. Doch die brasilianischen Ureinwohner boykottieren die Spiele.
Umweltschäden in Ecuador: Schlappe für Ölmulti Chevron
Indigene und Kleinbauern können in Kanada vor Gericht ziehen.
Entschädigungszahlungen des Konzerns sind nun wahrscheinlicher.
Bericht über getötete Naturschützer: Ein gefährliches Engagement
Traurige Spitzenreiter sind süd- und zentralamerikanische Staaten: 116
getötete Aktivisten zählt die Organisation Global Witness im Jahr 2013.
Debatte Brasiliens Regierung: Der Fluch der Präsidentin
Massenprotest, Inflation, ein Korruptionsskandal: Dilma Rousseff ist
angeschlagen. Nur bietet die Opposition keine Alternative außer
neoliberalen Dogmen.
Landnutzung in Brasilien: Der harte Kampf um den Regenwald
In Brasilien wollen die Großgrundbesitzer mehr Land nutzen. Dafür stellen
sie bislang verbriefte Rechte der Indigenen infrage.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.