| # taz.de -- Welt-Indígena-Spiele: Das Spiel mit dem Schein | |
| > Die ersten Welt-Indígena-Spiele sollen eine Multikulti-Veranstaltung | |
| > werden. Doch die brasilianischen Ureinwohner boykottieren die Spiele. | |
| Bild: Bei der Sportveranstaltung treffen Menschen aus allen Ecken des Landes au… | |
| RIO DE JANEIRO taz | Brasilien hat wenig Glück mit sportlichen | |
| Großereignissen. Die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 endete im sportlichen | |
| Desaster, die Olympischen Spiele 2016 fallen mitten in eine schwere | |
| Wirtschaftskrise. Die Frage nach dem Sinn der vielen investierten | |
| Milliarden wird immer bohrender. Nun droht Ungemach bei einer weiteren, | |
| weit weniger beachteten Veranstaltung: den Welt-Indígena-Spielen, die am | |
| Freitag beginnen und bis zum 1. November in Palmas, der Hauptstadt des | |
| nördlichen Bundesstaates Tocantins, ausgetragen werden. | |
| „Die Organisatoren dieser Veranstaltung haben keinen Respekt gegenüber | |
| unserem Volk“, kritisieren die Häuptlinge der Krahô-Indígenas. Sie | |
| kündigten Mitte September an, die Spiele zu boykottieren. Es mangele an | |
| Informationen zum Ablauf der Veranstaltung, und die Qualität der | |
| Sportstätten seien unzureichend, so die Begründung. Außerdem verstehe sich | |
| das Veranstaltungskomitee als Repräsentant der Indigenen Brasiliens, was | |
| die Sprecher der Krahô-Ethnie ganz anders sehen. | |
| Hinzu kommt eine den Ureinwohnern Brasiliens höchst verhasste Politikerin. | |
| Da die Indígena-Spiele von der brasilianischen Regierung finanziert werden, | |
| hat aus Sicht der Krahô auch die Landwirtschaftsministerin Kátia Abreu ihre | |
| Finger im Spiel: „Wie können wir an einer Veranstaltung teilnehmen, die von | |
| einer Regierung finanziert wird, die einen Genozid an unseren Brüdern der | |
| Guarani-Kaiowa im Bundesstaat Mato Grosso do Sul und anderen Regionen | |
| vorantreibt“, fragen die Häuptlinge. Just Kátia Abreu sei eine der | |
| Hauptverantwortlichen für diese Politik, da sie eine exponierte Vertreterin | |
| der Agrarierfraktion im Parlament ist. | |
| Zugleich verwiesen die Krahô darauf, dass sie selbst jedes Jahr eine | |
| traditionelle Sportveranstaltung auf ihrem Territorium ausrichten, ganz | |
| ohne offizielle Unterstützung. „Wir bemalen unsere Körper nicht, um auf den | |
| Fotos schön auszusehen, sondern um unsere Geschichte, unsere | |
| Errungenschaften zu zeigen“, so die kämpferische Boykotterklärung. Wer | |
| Fotos von ihnen haben wolle, müsse zu ihren eigenen Spielen kommen. | |
| Eigentlich hatten die Veranstalter eher olympische Ideale im Kopf: Die | |
| ersten Weltindígena-Spiele sollten die erfolgreiche Tradition der | |
| nationalen Indígena-Spiele fortsetzen, die seit 1996 in Brasilien | |
| veranstaltet werden. Vielen gelten sie als Ort des Austauschs zwischen | |
| verschiedenen Ethnien, wo sich Menschen aus allen Ecken des Landes treffen | |
| und Spaß miteinander haben. | |
| 2.200 Indígenas aus rund 30 Ländern werden als Teilnehmer in Palmas | |
| erwartet. Fast die Hälfte stammt aus 22 Ethnien Brasiliens. Zudem wird mit | |
| 300.000 Besuchern der Spiele gerechnet. Im Zentrum stehen traditionelle | |
| Sportarten der Indigenen, es werden aber auch einige westliche Sportarten | |
| ausgetragen. Es wird Disziplinen wie Tauziehen, spezielle Kampfformen, | |
| diverse Kanuwettbewerbe und Ballspiele geben. | |
| Zudem sind zahlreiche kulturelle Veranstaltungen geplant. Just dies ist den | |
| Kritikern ein Dorn im Auge: Die Spiele seien ein Reibach für die Stadt und | |
| die Organisatoren, während die Indígenas an sich nicht viel davon haben | |
| werden. Außerdem seien bei weitem nicht alle Ethnien, nicht einmal aus dem | |
| Bundesstaat Tocantins, eingeladen worden, wobei die Auswahlkriterien völlig | |
| unklar seien. | |
| ## Ungleicher Kampf | |
| Auch der Missionarische Indígena-Rat Cimi, der die Indigenen gegen | |
| Vertreibung durch Großgrundbesitzer und Pistoleros unterstützt, sieht wenig | |
| Positives an den Spielen in Palmas. Wie bei anderen Großevents solle von | |
| Brasilien das Bild eines demokratischen, multikulturellen und nicht | |
| rassistischen Landes vermittelt werden. Aber das Gegenteil sei der Fall, | |
| kritisiert Cimi. Entgegen den in der brasilianischen Verfassung verbrieften | |
| Rechten werde den Indigenen immer weniger Land zugewiesen. Und im Konflikt | |
| mit den Agrariern sei die Urbevölkerung inzwischen völlig auf verlorenem | |
| Posten, so die Cimi-Kritik. | |
| „Diese Spiele verstecken das wahre Gesicht dieser Regierung, die unser | |
| Recht auf Land, eigene Kultur und eigene Lebensweisen mit Gewalt negiert“, | |
| erklärt der Cimi-Aktivist Lindomar Terena aus Mato Grosso do Sul. „Diese | |
| traurige Realität kann nur durch eine breite Mobilisierung unserer Völker | |
| verändert werden“, so Terena. | |
| 23 Oct 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Behn | |
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