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# taz.de -- Fußball-WM in Brasilien: Weltauswahl in Uniform
> Polizisten aus aller Welt werden die Fußball-WM in Brasilien überwachen.
> Auch Deutschland schickt Beamte – mit ganz speziellen Kenntnissen.
Bild: Pferde gegen Menschen: ungleicher Kampf in Brasilia.
RIO DE JANEIRO taz | 48 Plasmabildschirme reihen sich im Quadrat aneinander
– da vorne flimmert eine riesige Leinwand. Rechts die Wetterlage, links
interaktive Landkarten und in der Mitte die Auswertung hunderter
Überwachungskameras aus der ganzen Stadt. Davor sitzen dutzende Menschen in
weißen Overalls, wieder an dutzenden Bildschirmen.
Es sieht ein bisschen aus wie im Kontrollzentrum einer Weltraumbehörde.
Doch der Monitoring-Raum im Centro de Operaçoes in Rio de Janeiro bietet
noch die unverfänglichste Form der Überwachungsstrukturen, die derzeit die
gesamte Innenstadt der brasilianischen Touristenmetropole erfassen. Es geht
hier – nur – um Verkehrsüberwachung. Derzeit gibt es einen Stau auf der
Avenida Brasil und ein kleinen Unfall in einer Seitenstraße.
Im Neubau ein paar hundert Meter von hier entfernt fließen noch mehr
Informationen zusammen: Welche Demonstrationen nähern sich dem
Stadtzentrum? Was meldet die Bundespolizei vom Flughafen? Und wo brennt
gerade wieder eine Brasilienfahne? Hubschraubereinsatz? Ja, bitte.
In jeder brasilianischen WM-Stadt gibt es diese Kommandozentralen, aus
denen heraus während der Weltmeisterschaft die Innenstädte überwacht
werden. Wenn es zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der
Polizei kommt – wie zuletzt erst wieder am Dienstagabend in Brasilia, wo
unter anderem Ureinwohner und Obdachlose gegen die Weltmeisterschaft
demonstrierten –, dann sind sie von hier aus zu steuern: die
Hubschrauberpiloten, die Sondereinheiten der Militär- und Zivilpolizei, die
Feuerwehr, der Katastrophenschutz.
## Proteste und Streiks in mehreren Städten
Und weil die Weltmeisterschaft ein globales Event ist, sind auch Polizisten
aus der ganzen Welt zu Gast. Gerade erst waren 40 Agenten des FBI in Rio de
Janeiro. Sie schulten eine Sondereinheit der brasilianischen Polizei. Deren
Aufgabe: Aufstandsbekämpfung in urbanen Räumen. Die brasilianische
Elitetruppe des „Batalhao de Polícia de Choque“ nahm den Besuch zum Anlass,
ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen – in einer ansehnlichen
Propagandapräsentation, bei der drei Eliteeinheiten einen Demonstranten mit
verschiedenen Gasgranaten bewarfen.
Auch aus Deutschland erwartet die brasilianische Polizei kommende Woche
Unterstützung. Eine siebenköpfige Delegation soll ab Anfang Juni in
Brasilien ihren Dienst antreten. Sieben deutsche Beamte sollen dann im
Einsatz sein, um den brasilianischen Kollegen zu helfen, schreibt das
Bundesinnenministerium dem Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko. Der
Abgeordnete hatte angefragt, wie umfassend sich deutsche Behörden an der
Überwachungsstruktur und Polizeiarbeit in Brasilien beteiligen.
Denn dort kommt es seit Monaten immer wieder zu Protesten – unter anderem
kritisieren die Demonstranten, dass Brasilien zwar gigantische Summen in
Überwachung- und Sicherheitstechnologien investiere, aber kaum in die
soziale Sicherheit der Bevölkerung.
In der Wirtschaftsmetropole Sao Paulo streiken Lehrer, in Rio de Janeiro
riefen am Dienstag Busfahrer die nächste Runde ihres seit Wochen währenden
Arbeitskampfes aus – in den nächsten zwei Tagen ist in der Millionenstadt
wieder ein ansehnliches Verkehrschaos zu erwarten.
## Experten der „Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze“
Geht es nach dem Bundesinnenministerium, so sollen drei der deutschen
Polizisten beim International Police Cooperation Center (IPCC) in
Brasiliens Hauptstadt Brasilia eingesetzt werden. Darunter befindet sich
auch ein Verbindungsbeamter des Bundeskriminalamts. Vier weitere Beamte
werden die brasilianische Polizei an den jeweiligen Spielorten der
deutschen Nationalmannschaft unterstützen – sie alle dürften mit speziellen
Sonderkenntnissen über krawallaffine deutsche Fußballfans anreisen.
Denn es sind vor allem Experten der „Zentralen Informationsstelle
Sporteinsätze“ (ZIS) mit Sitz in Duisburg, die den Brasilianern unter die
Arme greifen. Das ZIS verfügt mit der Datei „Gewalttäter Sport“ über eine
riesige Datenbank von Personen, die bundesweit beobachtet werden. Vor
Länderspielen tauscht das ZIS diese Daten etwa mit Behörden anderer Staaten
aus.
Eine Datenübermittlung, so schreibt das Bundesinnenministerium, habe es
bislang zwar noch nicht gegeben. Allerdings sind die Beamten in Deutschland
schon anderweitig aktiv geworden: Mit Stichtag zum 20. Mai habe die
deutsche Polizei bereits 235 sogenannte Gefährderansprachen durchgeführt,
heißt es in dem Schreiben. Dabei handelt es sich um
Sensibilisierungsgespräche mit Leuten, die der Polizei in der Vergangenheit
bereits im Kontext von Fußballevents aufgefallen sind.
Unterstützung aus Deutschland bekamen die brasilianischen Behörden auch
schon in der Vergangenheit. So hielten deutsche und brasilianische
Sicherheitsbehörden etwa 2012 ein bilaterales Symposium ab, bei dem die
Brasilianer von den Erfahrungen der deutschen Polizisten rund um die WM
2006 in Deutschland lernen sollten. An dem Treffen in Rio de Janeiro nahmen
damals unter anderem Angehörige des Bundeskriminalamts, der Bundespolizei
sowie Polizeiführer der deutschen WM-Austragungsorte teil.
## Sicherheitstechnologie aus Deutschland
Im Herbst 2013 ließen sich dann Vertreter der brasilianischen
Eliteeinheiten BOPE und DOE, das sind Spezialkräfte für besondere
Situationen, in Hannover unter Federführung des Bundeskriminalamts
fortbilden. Auch an anderen Stellen kooperierten die Sicherheitsbehörden
beider Länder miteinander – etwa als das brasilianische Sondersekretariat
für Großveranstaltungen Ende Januar 2014 eine Delegation nach Deutschland
schickte, um das Kölner Fußballstadion zu besuchen – und das
Bundeskriminalamt.
Bei diesem Besuch waren sie auch in Duisburg zu Gast, beim ZIS. Zwei
Mitarbeiter von dort flogen dann Mitte Februar 2014 wiederum nach
Brasilien, um in der südbrasilianischen Küstenstadt Florianopolis an einem
FIFA-Sicherheitsworkshop teilzunehmen. Der Linken-Abgeordnete Andrej Hunko
kritisiert diese Kooperation. Er sagt: „Bei den berechtigten Protesten in
Brasilien kritisieren die Menschen, dass die Sicherheitsarchitektur in
Brasilien vor allem WM-Touristen schützen soll, gleichzeitig wird die
Bevölkerung von der Militärpolizei gedemütigt und vertrieben. Deutsche
Behörden sollten sich an dieser Politik nicht beteiligen.“
Für Deutschlands Wirtschaft dürfte das brasilianische Aufrüsten dagegen
durchaus lukrativ sein. Der Deutschlandfunk berichtete, dass das
Bundeswirtschaftsministerium für die deutsche Sicherheitsindustrie eigens
[1][article_id=278919:eine spezifische Marktanalyse erstellen ließ.]
Darin hieß es: „Marktbeobachter halten die Sicherheitstechnik für eines der
vielversprechendsten Betätigungsfelder für deutsche Unternehmen in
Brasilien, da sich hier Qualität mit einem höheren Preis durchsetzt. Die
ohnehin guten Perspektiven der Branche im kriminalitätsgeplagten Brasilien
bekommen zusätzlichen Schwung durch die sich konkretisierenden
Vorbereitungen der Fifa-Weltmeisterschaft und der Olympischen Spiele.
Bedenken zum Datenschutz, wie sie in Europa häufig formuliert werden, sind
in der brasilianischen Gesellschaft nicht vorhanden.“
28 May 2014
## LINKS
[1] http://www.deutschlandfunk.de/fussball-wm-2014-sicherheitsnetz-fuer-brasili…
## AUTOREN
Martin Kaul
## TAGS
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