| # taz.de -- Kampf gegen die Holzmafia in Brasilien: „Der Wald ist unser Zuhau… | |
| > Brasilien will die Regenwaldabholzung bis 2030 stoppen: Grund für | |
| > Rinderfarmer und Holzmafia, noch schneller zu roden. Nun sollen GPS-Chips | |
| > helfen. | |
| Bild: Kahlschlag im Amazonasgebiet | |
| Jaxipuxirenda dpa | Der Baum ist verloren, er liegt vor Miraté. Der | |
| Indianer rammt seine Machete in den Stamm. „500 Jahre Geschichte“, sagt er | |
| ehrfürchtig. Illegal geschlagen, das Fava-Holz sollte als edles Tropenholz | |
| verkauft werden. Vielleicht für Terrassen in Deutschland? Wie viel Geld | |
| sich damit machen lässt? „Unbezahlbar“, sagt Miraté. „Der hat so ein la… | |
| Leben, der Baum war für so viele Vögel eine Heimat.“ Und dann meint Miraté, | |
| einer der Anführer der Ka‘apor-Indianer: „Wir gehen doch auch nicht in die | |
| Stadt und stehlen die Sachen der Leute dort.“ | |
| Ka‘apor heißt: „Bewohner des Waldes“. [1][2.000 Ka‘apor gibt es noch],… | |
| Land ist sechs Mal so groß wie Berlin: 530.000 Hektar. Das macht es so | |
| schwer kontrollierbar. Noch nie fühlten sich die Ka‘apor in ihrer | |
| 300-jährigen Geschichte so bedroht. Dabei schützt ihr behutsamer Umgang mit | |
| der Natur auch das Klima, denn der Regenwald bindet viel Kohlendioxid und | |
| reguliert das Weltklima. | |
| Die Indianer zu erreichen ist beschwerlich, erst nach langen Diskussionen | |
| willigten sie ein, die Besucher zu empfangen – das Misstrauen gegen Weiße | |
| sitzt tief, sie fühlen sich vor allem vom brasilianischen Staat im Stich | |
| gelassen. Im April wurde einer der Anführer, Eusébio, ermordet, offiziell | |
| wurde es als Raubüberfall deklariert. Eusébio ist der vierte tote Ka‘apor | |
| seit 2011. Zudem haben sie 15 Todesdrohungen registriert. Daher sind die | |
| Namen hier nicht ihre echten; und die Anführer dürfen nicht auf Fotos | |
| erkennbar sein. | |
| Von São Luis, der Hauptstadt des ärmsten Bundesstaates Maranhão, geht es | |
| acht Stunden Richtung Amazonasgebiet. Zum Schluss schlagen die Äste gegen | |
| den Jeep, es wackelt, tiefer Busch. Und dann eine freie Fläche: Gerodetes | |
| Land, zwei Lagerfeuer glimmen in der Nacht, Hunde kommen bellend angerannt. | |
| Rund acht Prozent der Fläche im seit 1982 unter Schutz stehenden | |
| Ka‘apor-Land wurden schon gerodet. Hier wächst auch der Ipé, dessen Holz | |
| bis zu 1.300 Euro je Kubikmeter bringt. | |
| ## Klimaschutz oder Profit | |
| Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff will die illegale Abholzung erst bis | |
| 2030 auf null zurückfahren. „Dies ist ein realer Anreiz für die Holzmafia | |
| und die Rinderfarmer, ganz schonungslos weiter den Wald zu roden“, meint | |
| der Amazonas-Koordinator von Greenpeace, Oliver Salge. | |
| Es geht hier auch um die große Frage, ob Klimaschutz wichtiger ist oder | |
| Profit. Die Ka‘apor klagen, Polizei und Bürgermeister der ihr Gebiet | |
| umschließenden Gemeinden würden fragwürdige Landtitel akzeptieren und | |
| nichts gegen die illegale Abholzung machen. Den Kontakt zur | |
| Indianer-Schutzbehörde (Funai) haben sie weitgehend abgebrochen, was es | |
| aber schwerer macht, sich zu versorgen und ein gutes Bildungs- und | |
| Gesundheitssystem aufrechtzuerhalten. | |
| Um vier Uhr morgens geht es los, rund 20 Mann, die meisten tragen den | |
| Cocar, den Federschmuck mit blauen, roten und gelben Vogelfedern. Sie haben | |
| sich schwarze Striche ins Gesicht gemalt. Sie sind auf Mission. Der | |
| gefällte Fava-Baum soll ihr Land nicht verlassen und zu Geld gemacht | |
| werden. Notfalls wird er verbrannt. So wie schon zehn Lastwagen von | |
| gewaltsam vertriebenen Holzfällern. „Mein Vater ist ermordet worden, aber | |
| wir führen diese Mission zum Schutz des Waldes fort“, sagt der Sohn des | |
| ermordeten Eusébios. | |
| ## Die Holzfäller sind schneller | |
| Bei einem verbrannten Holz-Schlepper greifen die Ka‘apor Maturiá (34) und | |
| Tadiun (22) zur Asche, halten sich einen Spiegel vor das Gesicht und malen | |
| sich damit komplett schwarz an. „Das gibt uns neue Energie und Kampfesmut“, | |
| sagt Maturiá. Aber weil es den Indianern an Fahrzeugen mangelt, sind die | |
| Holzfäller meist schneller und schlagen irgendwo neue Schneisen. | |
| Wie verzweifelt der Stamm ist, zeigt ein Hilferuf ausgerechnet an die | |
| Weißen, an die Umweltschützer von Greenpeace. Die haben für 22.000 Reais | |
| (5.200 Euro) Kameras und zwei Laptops zur Verfügung gestellt. Die | |
| Einweisung in die den Ka‘apor völlig fremde Technik gestaltet sich aber | |
| schwierig, das Auslesen der Kamerachips hat seine Tücken. Die Kameras | |
| werden an Routen der Holzdiebe angebracht. Statt Lastwagen zu verbrennen, | |
| sollen die Ka‘apor heimlich GPS-Chips in den Lkw installieren, um den Weg | |
| des Holzes verfolgen zu können. | |
| Der Konflikt mag im globalen Maßstab unwichtig erscheinen. Aber er ist ein | |
| Pars pro Toto – in geschützten Waldzonen Brasiliens könnten angesichts der | |
| Wirtschaftskrise bestehende Verbote für die Holz-, Agrar- und | |
| Rohstoffindustrie aufgeweicht werden. Landesweit wurde seit 1988 schon eine | |
| Regenwaldfläche vernichtet, die der doppelten Größe Deutschlands entspricht | |
| – und alleine in den vergangenen zwölf Monaten eine Fläche fast so groß wie | |
| das ganze Ka‘apor-Gebiet. | |
| ## Gelebte Antithese zum Kapitalismus | |
| „Wir wollen den Druck auf die Regierung erhöhen, dass sie nicht nur hier, | |
| sondern überall gegen illegale Holzfäller vorgeht“, sagt Tica Mamani vom | |
| [2][Greenpeace-Amazonasprogramm (.doc als Download)]. Die Ka‘apor haben | |
| sich zur besseren Observierung ihres Gebiets aus zehn Dörfern in 18 | |
| kleinere Dörfer aufgeteilt. Hier in der neuen Siedlung Jaxipuxirenda gibt | |
| es keinen Strom, keine Toilette, geschlafen wird in der Hängematte. In | |
| selbstgestalteten Schulheften werden alle Bäume, Pflanzen und Tiere in der | |
| eigenen Sprache gelernt, viele Stammesangehörige können kein Portugiesisch. | |
| Weil in den 80er-Jahren nach einer Masernepidemie viele taubstumme Kinder | |
| geboren wurden, haben sie zudem eine eigene Zeichensprache entwickelt. Es | |
| gibt Polygamie, die Männer haben nach Möglichkeit zwei Schwestern als | |
| Ehefrauen. Alle Entscheidungen werden von einem Rat getroffen. Alkohol ist | |
| verboten, privaten Besitz gibt es quasi nicht. Sozusagen die gelebte | |
| Antithese zum Kapitalismus. | |
| Zum Schluss noch einmal ein Treffen mit Miraté (29). Gerade habe es eine | |
| neue Todesdrohung gegeben, sagt er. “Wir haben keine Angst. Aber warum | |
| werden unsere nicht geschützt?“ Die Ka‘apor könnten halt schlecht woanders | |
| hin, sagt er. „Der Wald ist unser Zuhause.“ | |
| 11 Sep 2015 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://pib.socioambiental.org/en/povo/kaapor | |
| [2] http://dpaq.de/ci0Vx | |
| ## AUTOREN | |
| Georg Ismar | |
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