# taz.de -- Korruptionsbekämpfung in Brasilien: Rousseff bleibt unter Druck | |
> Das oberste Gericht erklärt Firmenspenden an Parteien für | |
> verfassungswidrig. Doch die Rechte setzt ihre Kampagne gegen die | |
> Regierung fort. | |
Bild: Demonstranten in Sao Paulo: Sie protestieren gegen die Politik von Präsi… | |
RIO DE JANEIRO taz | „Spenden von Unternehmen an politische Parteien | |
beeinflussen den politisch-demokratischen Prozess in negativer Weise.“ Mit | |
deutlichen Worten begründete der zuständige Richter Luiz Fux die | |
Entscheidung des Obersten Gerichts Brasiliens, die bislang üblichen Spenden | |
juristischer Personen für verfassungswidrig zu erklären und ergänzt: Die | |
politische Macht dürfe nicht von der ökonomischen entführt werden, dies sei | |
„in einer Demokratie absolut inakzeptabel“. | |
Angesichts des großen Korruptionsskandals, der eine dramatische politische | |
Krise in Brasilien ausgelöst hat, wurde das Urteil zu den Parteispenden mit | |
Spannung erwartet. Hunderte Millionen öffentlicher Gelder sollen bei | |
illegalen Geschäften des halbstaatlichen Ölkonzerns Petrobras und eines | |
Kartells großer Bauunternehmen veruntreut und an Parteien der | |
Regierungskoalition geflossen sein. | |
Doch nicht die konservative Opposition, die im Namen der | |
Korruptionsbekämpfung auf eine Absetzung der halblinken Präsidentin Dilma | |
Rousseff dringt, feierte das Urteil. Im Gegenteil, über ein Jahr blockierte | |
der als Rechtsaußen bekannte Oberste Richter Gilmar Mendes den Fortgang des | |
Prozesses. Zufrieden mit dem Urteil, das mit acht zu drei Richterstimmen | |
deutlich ausfiel, zeigten sich Organisationen der Zivilgesellschaft, die | |
regierende Arbeiterpartei PT und die Anwaltsvereinigung OAB, die 2013 gegen | |
die übliche Parteispendenpraxis geklagt hatte. | |
Auch im von rechten Parteien dominierten Parlament herrscht Katerstimmung. | |
Erst vergangene Woche verabschiedeten die Abgeordneten in zweiter Lesung | |
einen Gesetzesentwurf, mit dem Unternehmensspenden in begrenzter Höhe sogar | |
in der Verfassung festgeschrieben werden sollte. Parlamentspräsident | |
Eduardo Cunha, der zwar Rousseffs wichtigstem Koalitionspartner PMDB | |
angehört aber offen Oppositionspolitik betreibt, erklärte bereits, in der | |
Frage der Parteispenden werde es jetzt zu einer Kraftprobe zwischen | |
Legislative und Judikative kommen. Der evangelikale Hardliner Cunha gehört | |
zu den Abgeordneten, die seit Jahren Millionenspenden von Unternehmen | |
einsammeln. Über 80 Prozent aller Spenden im Wahljahr 2014 stammten von | |
Firmen. | |
## „Moderne Version eines Staatsstreichs“ | |
Für Rousseff bedeutet der Entscheid des Obersten Gerichts eine | |
Verschnaufpause. Ihr eventuelles Veto gegen den vom Parlament | |
verabschiedeten Gesetzesentwurfs kann nun nicht mehr so einfach angefochten | |
werden. Und es wird deutlich, dass ihre von der Presse so gern gelobten | |
Widersacher alles andere als Vorreiter gegen die Korruption sind. Diese | |
setzten nach wie vor auf ein Amtsenthebungsverfahren gegen Rousseff, sei es | |
durch eine Abstimmung im Kongress oder aufgrund einer Verurteilung ihres | |
Umgangs mit Finanzen zum Ende ihrer ersten Amtszeit. Rousseff verurteilte | |
diese Initiativen wiederholt als „moderne Version eines Staatsstreichs“ und | |
appelliert an die Opposition, die Ergebnisse der Wahlen zu respektieren. | |
Erschwerend für die Präsidentin kommt die Wirtschaftskrise hinzu. Vor allem | |
die mit rund zehn Prozent extrem hohe Inflation und steigende | |
Arbeitslosigkeit haben ihrer Beliebtheit geschadet, die bei Umfragen | |
mittlerweile im einstelligen Bereich liegt. Dieses Jahr soll die | |
Wirtschaftskraft um über zwei Prozent schrumpfen. Um die Lage wieder in den | |
Griff zu bekommen, greift Rousseff zum Entsetzen ihrer Basis zu den | |
traditionellen liberalen Mitteln und verkündete letzte Woche ein zweites, | |
recht radikales Sparpaket. Jetzt soll der Rotstift auch bei den | |
Sozialmaßnahmen, die der große Trumpf der zwölf PT-Regierungsjahre waren, | |
angesetzt werden. | |
Die Rechte, die nach Meinung der Regierung seit langem auf das Motto ‚Je | |
schlechter desto besser‘ setzt, kritisiert am Sparpaket vor allem die | |
Steuererhöhungen. Und kündigte an, große Teile des Pakets im von ihr | |
kontrollierten Kongress zu Fall zu bringen. Hauptsache, Rousseff bleibt | |
unter Druck. | |
20 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Andreas Behn | |
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