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# taz.de -- Restituierte „Benin-Bronzen“: Protest gegen Rückgabe an Nigeria
> Das Herrscherhaus in Benin war massiv am Sklavenhandel beteiligt. Dennoch
> restituiert die Bundesrepublik Kunstobjekte vorbehaltlos an Nigeria.
Bild: Benin-Bronzen: zeremonielles Gefäß einer knieenden Frau und andere Obje…
Dass die Hofkunst des Königreichs Benin, die sogenannten Benin-Bronzen, von
Deutschland an Nigeria zurückgegeben werden, wird weithin begrüßt. Doch nun
regt sich Widerstand dagegen – von afroamerikanischen Aktivist:innen in
den USA.
Nachfahren der Opfer des transatlantischen Sklavenhandels fordern, dass die
Restitution der Benin-Kunst gestoppt wird. Der Grund: Das Königreich Benin
war ein Drehkreuz im transatlantischen Handel mit versklavten Menschen aus
Westafrika und hatte zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert massiv vom
Menschenhandel profitiert.
Reliefplatten und Kopfplastiken aus Gelbguss, Elefantenstoßzähne mit feinen
Schnitzereien oder reich verzierte Holztruhen: Die Objekte hinter dem
einschlägigen Begriff der „Benin-Bronzen“ sind divers und zahlreich. 1897
waren die Kunstobjekte von britischen Kolonialtruppen aus dem königlichen
Hof des Benin-Reichs im heutigen Bundesstaat Edo im Süden Nigerias geraubt
worden.
## 1.100 Benin-Objekte in Deutschland
Über europäische Händler:innen gelangten sie weltweit an Museen und
Privatleute. Allein in deutschen Museumsbeständen befinden sich rund 1.100
Benin-Objekte, die meisten davon im Ethnologischen Museum Berlin, weitere
unter anderem in den Ethnographischen Sammlungen Sachsen und im Museum am
Rothenbaum in Hamburg. Sie sollen nun zurück.
Mehrere deutsche [1][Städte und Bundesländer haben mittlerweile die
Eigentumsrechte der Benin-Werke an Nigeria übertragen.] Im Dezember reisten
Kulturstaatsministerin Claudia Roth und [2][Außenministerin Annalena
Baerbock nach Abuja in Nigeria] und brachten 20 Benin-Kunstwerke aus
deutschen Museen mit. In Benin City soll die restituierte Hofkunst
zukünftig in einem eigenen Museum gezeigt werden. Doch in welchem, ist
bislang ungeklärt.
Von deutscher Seite wird betont, dass die Benin-Objekte bedingungslos
zurückgegeben werden, die Verantwortung über den weiteren Umgang mit der
Kunst allein Nigeria obliege. Der Bundesstaat Edo plant nun das Edo Museum
of West African Art (EMOWAA), das aber bislang nur als Konzept des
ghanaisch-britischen Architekten David Adjaye existiert.
## Benin Royal Museum
Der bis heute fortbestehende Königshof Benin will stattdessen sein eigenes
Benin Royal Museum bauen. Damit könnten die Kunstgegenstände an jenen
Königshof zurückkehren, der einen Teil seines Reichtums auf dem
Menschenhandel gründet, der bis weit ins 19. Jahrhundert andauerte.
Genau das wollen afroamerikanische Aktivist:innen der Restitution Study
Group verhindern. Die in der Metropolregion von New York City ansässige
gemeinnützige Organisation hat sich den Rechten der Nachfahren des
transatlantischen Sklavenhandels verschrieben. Sie fordert, dass keine
neuen Abkommen über die Rückführung von Benin-Werken abgeschlossen und
bestehende Abkommen aufgehoben werden.
Stattdessen sollten die Nachfahren der Sklaven in den Amerikas und in
Europa in die Verhandlungen einbezogen werden. „Sie gehören uns allen“, so
der Wahlspruch der Restitution Study Group in Bezug auf die Benin-Werke.
Deadria Farmer-Paellmann ist die Gründerin und Geschäftsführerin der
Organisation. Ihr geht es vor allem um die Herkunft des Materials, aus dem
die Benin-Bronzen gefertigt wurden.
Denn ein Ausgangsmaterial für die Bronzegüsse waren aus Kupfer, Bronze oder
Messing hergestellte Armreifen, sogenannte Manillas. Der Hof von Benin
hatte die Manillas von europäischen Händler:innen erhalten, im Tausch
gegen versklavte Afrikaner:innen, mit dem das Benin-Reich die Sklavenroute
über den Atlantik fütterte.
„Portugiesische, britische, niederländische, amerikanische Händler:innen
– so ziemlich alle, die im Sklavenhandel mit dem Königreich Benin
involviert waren, bezahlten sie mit den Manillas. Wir nennen sie deshalb
Blut-Metall“, so Farmer-Paellmann im Gespräch mit der taz. Die Benin-Kunst
nun an die Erben der Sklavenhändler:innen zurückzugeben sei
geschichtsvergessen, sagt die Aktivistin.
## Sklavenhandel in Benin
Heute wird angenommen, dass etwa zwölf Millionen Menschen als Sklav:innen
aus Afrika über den Atlantik verfrachtet worden sind. Sie mussten auf
Plantagen in den Amerikas und der Karibik schuften. Nach Schätzung des
Historikers David Eltis war die Bucht von Benin zwischen 1519 und 1867 mit
insgesamt zwei Millionen versklavten Menschen daran beteiligt.
Die Europäer:innen hätten diesen Menschenhandel weit vor der
Kolonisierung Afrikas alleine nie bewerkstelligen können. Ihnen gelang es
nur, weil sie in bestehende afrikanische Märkte eindrangen und sich mit den
Plantagen in Übersee riesige Absatzmöglichkeiten für die Ware Mensch boten.
Weil die Benin-Bronzen auch ein Resultat dieses Menschenhandels sind,
verbietet sich nach Ansicht der Restitution Study Group die Rückgabe der
zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert hergestellten Kunstwerke. „Die
Bronzen, die aus dem Blut-Metall gemacht wurden, sollten genau dort
bleiben, wo sie sind. Das fordern wir auch von Deutschland“, sagt
Farmer-Paellmann.
Objekte, die hingegen vor dem Eintreffen der Portugiesen an der
westafrikanischen Küste gefertigt wurden und damit nicht in die Zeit des
transatlantischen Sklavenhandels fallen, seien unbedenklich. „Ich denke,
dass es richtig ist, die Bronzen an den Oba von Benin zurückzugeben, aber
nur jene aus dem 12. bis 15. Jahrhundert und solche, die nicht aus Metall,
sondern aus Elfenbein, Leder oder Holz gefertigt sind.“
## Nachfahren der Sklaven in den USA
Bei alldem geht es der Restitution Study Group nicht nur um vergangenes
Leid. Die Schwarze Bevölkerung in den USA werde heute nach wie vor
benachteiligt. „Es geht darum, die Lebensbedingungen dieser Nachfahren zu
verbessern“, sagt Deadria Farmer-Paellmann. Dazu gehöre aber eben auch,
den Nachfahren der Sklaven den Zugang zur eigenen Herkunftsgeschichte
dauerhaft zu ermöglichen.
Im Streit um die Restitution der Benin-Bronzen nimmt Barbara Plankensteiner
hingegen eine andere Haltung ein. Plankensteiner ist die Direktorin des
Hamburger Museums am Rothenbaum. Sie leitet also eines der Museen, die ihre
Benin-Bestände an Nigeria überführen.
Erst im Dezember war im Hamburger Rathaus der Vertrag zur
Eigentumsübertragung der 179 Benin-Objekte aus dem Bestand des Museums
unterzeichnet worden. Vereinbart ist mit der Republik Benin, dass zwei
Drittel der Werke zurückgegeben werden, ein Drittel hingegen als Leihgabe
in Hamburg verbleiben soll.
Die von der Restitution Study Group angeführte Verbindung der Benin-Kunst
mit dem europäischen Sklavenhandel bestätigt Plankensteiner. Sie schränkt
dabei aber im Gespräch mit dieser Zeitung ein, dass portugiesische Manillas
im Benin-Reich auch jenseits des Handels mit versklavten Menschen gegen
herkömmliche Waren eingetauscht wurden.
## Manillas gegen Sklaven
O-Ton Plankensteiner: „In der Tat ist europäisches Messing im Königreich
Benin in Form von Manillas importiert worden und als Tauschgegenstand gegen
verschiedenste Produkte eingesetzt worden. Am Anfang war das unter anderem
Pfeffer, sehr viel Elfenbein, und später wurden auch versklavte Menschen
gegen Manillas und andere Importgüter eingetauscht.“
Nun ist aber die Versklavung und der Handel mit Menschen etwas
grundsätzlich anderes als der Export von Pfeffer. Das sieht auch die
Museumsleiterin auf Nachfrage so. Daraus will sie aber nicht dieselben
Schlussfolgerungen wie die Restitution Study Group ziehen.
Die Aufarbeitung der Geschichte der Sklaverei sei insgesamt ein wichtiges
Thema. Ja. Auf den Prozess der Restitution der Benin-Werke habe der Protest
jetzt jedoch keine Auswirkungen. [3][„Die Restitution hat ja schon
stattgefunden“,] sagt Plankensteiner. Mehr noch: „Ich bin überzeugt davon,
dass es ein wichtiger und richtiger Schritt war.“
Die Hamburger Museumsleiterin teilt die Sorge der afroamerikanischen
Restitution Study Group nicht, dass mit der Restitution den Nachfahren des
Sklavenhandels der Zugang zu den Benin-Werken zukünftig verwehrt würde. „Es
bleiben Dauerleihgaben in den Museen. Die Benin-Kunstwerke werden also auch
in den USA und Europa weiterhin zugänglich bleiben.“
## Kolonialismus und Sklaverei
Sie schließe sich vielmehr der Aussage des Hamburger Historikers Jürgen
Zimmerer an, der davor warne, die Nachfahren der Opfer des Kolonialismus
und jene der Versklavung gegeneinander auszuspielen. [4][Nur ignoriert
diese Position], dass die Nachfahren der Opfer des Sklavenhandels
Aufmerksamkeit für einen Teil der Geschichte einfordern, d[5][er in der
Restitutionsdebatte bislang ungenannt bleibt]: die Beteiligung des
Benin-Reichs am transatlantischen Sklavenhandel.
Deadria Farmer-Paellmann fordert deshalb Anerkennung als „Nachfahren
derjenigen, die für die Bronzen mit ihrem Leben bezahlt haben“. Dabei
beruft sie sich auf DNA-Tests, mithilfe derer sich die Herkunft der
afroamerikanischen Bevölkerung in den USA zuordnen ließe.
Sie selbst könne einen Teil ihrer Herkunft auf das Gebiet des heutigen
Nigerias zurückführen. „Wir wollen, dass die Bronzen dort bleiben, wo sie
sind. Und wo wir als Nachfahren heute sind, ob in den Amerikas, in
Deutschland oder Großbritannien.“
22 Jan 2023
## LINKS
[1] /Rueckgabe-von-Benin-Bronzen-in-Stuttgart/!5899349
[2] /Rueckgabe-von-Beutekunst/!5900773
[3] /Rueckgabe-von-Benin-Bronzen-in-Stuttgart/!5899349
[4] /Rueckgabe-der-Benin-Bronzen/!5900716
[5] /Delegationsreise-nach-Namibia/!5577096
## AUTOREN
Fabian Lehmann
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