# taz.de -- Psychologe zu selbstfahrenden Autos: „Der Sicherheitsgurt von mor… | |
> Etwas Skepsis sei angebracht angesichts der Entwicklung zum | |
> softwaregesteuerten Fahren, sagt Martin Baumann. Auch die Autohersteller | |
> müssten umdenken. | |
Bild: Die Erwartungen an Software höher als an den Menschen | |
taz: Herr Baumann, kürzlich ist der erste tödliche Unfall von einem | |
softwaregesteuerten Auto bekannt geworden. Würden Sie sich in ein solches | |
Fahrzeug setzen? | |
Martin Baumann: Ja. Allerdings mit der gleichen Skepsis, mit der ich mich | |
vorher schon reingesetzt hätte. Und mit dem deutlichen Bedürfnis, das, was | |
das Auto macht, zu überwachen. | |
Die Idee des selbst fahrenden Autos wird vor allem mit dem Argument | |
Verkehrssicherheit beworben. Ist es realistisch, dass Software weniger | |
Unfälle produziert als ein Mensch? | |
In bestimmten Bereichen ist es heute schon möglich, die Automation sehr | |
sicher zu gestalten. Wir sehen das etwa bei den Einparkhilfen. Wie sicher | |
die Systeme sein werden, hängt allerdings stark von der technologischen | |
Entwicklung ab. Unter anderem davon, wie gut die Interaktion zwischen | |
Fahrzeug und Fahrer funktioniert. | |
Interaktion? | |
Es wird noch eine ganze Weile dauern, bis die Software die Fähigkeiten des | |
Menschen erreicht. Bis das der Fall ist, muss das Fahrzeug den Fahrer in | |
der Aufgabe halten. Ihn also darauf hinweisen, dass er eingreifen muss, | |
oder ihm das Feedback geben, dass es sich beispielsweise bei der | |
Wahrnehmung der Umwelt nicht sicher ist. | |
In dem Fall in den USA hätte das System also melden sollen, dass die Kamera | |
hier ein hoch hängendes Schild wahrnimmt, und fragen, ob das stimmt? | |
Zum Beispiel. So eine Rückfrage könnte etwa kommen, wenn das System ein | |
Objekt wahrnimmt, das an dieser Stelle eher unplausibel erscheint. | |
Problematisch wird es natürlich dann, wenn das System nicht erkennt, dass | |
es einen Fehler macht. | |
Was ist der Sinn eines softwaregesteuerten Autos, wenn der Mensch beim | |
Fahren doch überwachen muss? | |
Das muss er immerhin nicht mehr die ganze Zeit. Tätigkeiten, bei denen er | |
gedanklich schnell wieder in die Umwelt zurückkehren kann, sollten dann | |
beim Fahren gehen. Die Herausforderung wird sein: Wie bekommt man den | |
Fahrer jetzt am besten und am schnellsten dazu, dass er wieder seine Umwelt | |
wahrnimmt? | |
Ist das bei Autobahngeschwindigkeit überhaupt möglich? | |
Hohe Geschwindigkeiten sind tatsächlich ein Problem. Die Google-Autos sind | |
etwa mit 25 Meilen pro Stunde unterwegs, da geht so etwas schon. Aber | |
höhere Geschwindigkeiten werden spätestens dann möglich, wenn die Sensorik | |
des Fahrzeugs sehr weit voraussehen kann oder es eigene Fahrspuren für die | |
automatisierten Fahrzeuge gibt. | |
Bei eigenen Fahrspuren würden sich die Autos aber nicht nur auf Sensoren | |
verlassen, sondern auch untereinander kommunizieren? | |
Genau. Dadurch könnten sie sich rechtzeitig warnen, etwa bei einem | |
Stauende. | |
Welche Situationen sind denn für die Softwaresteuerung schwierig? | |
Komplexe Situationen, wie wir sie gerade im Stadtverkehr haben, sind nicht | |
einfach zu erfassen. Viele unterschiedliche Verkehrsteilnehmer, die in | |
unterschiedliche Richtungen unterwegs sind und sich dabei stellenweise | |
verdecken zum Beispiel. Oder Gesten von Menschen, ein Rüberwinken etwa, das | |
geht noch nicht. | |
Bei dem Unfall in den USA ging es hinterher vor allem um die Frage, ob der | |
Fehler einem Menschen nicht passiert wäre. | |
Es wird nie ein absolut sicheres System geben. Das ist nicht möglich. | |
Selbst in hoch redundant angelegten Systemen wie in Atomkraftwerken treten | |
Fehler auf. Die Frage darf also nicht sein: Schafft die Technik eine | |
Fehlerquote von null? Sondern: Ist sie besser als der Mensch? Damit wird | |
die Automatisierung so etwas wie der Sicherheitsgurt von morgen. Es gibt | |
ganz wenige Unfallsituationen, da schadet er. Aber in fast allen | |
Situationen rettet er Leben. | |
Warum sind die Erwartungen an Software höher als an den Menschen? | |
Weil wir bei Menschen wissen, dass sie Fehler machen. Wir haben in | |
Deutschland jährlich mehrere tausend Verkehrstote, die Unfälle sind ganz | |
überwiegend auf menschliches Versagen zurückzuführen. Dass die Erwartungen | |
an die automatisierte Steuerung so hoch sind, liegt aber auch am Marketing | |
von Herstellern wie Tesla, die perfekte Software suggerieren. | |
Was sollten die Hersteller anders machen? | |
Es gibt Untersuchungen, die das Vertrauen von Fahrern in Software messen. | |
Sie zeigen: Wenn der Fahrer ein realistisches Bild bekommt von dem, was die | |
Software kann, dann hat er Vertrauen und akzeptiert dennoch den ein oder | |
anderen Fehler. Wird dagegen ein idealisiertes Bild vermittelt, hat der | |
Fahrer zwar zunächst Vertrauen. Passiert aber der erste Fehler, gibt es | |
einen deutlichen Vertrauensverlust. Das können die Hersteller auch nicht | |
wollen. | |
18 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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