# taz.de -- Unfälle an Bahnübergängen in Niedersachsen: Schrankenlos gefähr… | |
> Allein in Niedersachsen sind seit Ende 2016 zwei Menschen an | |
> Bahnübergängen gestorben. Der Verkehrsclub VCD fordert nun überall | |
> Schranken. Unnötig, sagt der ADAC. | |
Bild: Gefahr unbeschrankter Bahnübergänge: Dieser Unfall in Cloppenburg endet… | |
HANNOVER taz | Blersum bei Wittmund, keine 20 Kilometer von der | |
Nordseeküste entfernt: Ein 63-Jähriger aus dem Ort fuhr mit seinem Golf | |
vergangenen Dienstag trotz blinkenden Rotlichts und bimmelnden Warnsignals | |
über einen unbeschrankten Bahnübergang. Ein Triebwagen der Nordwestbahn | |
erfasste den Wagen, der Fahrer erlitt zahlreiche Knochenbrüche und musste | |
mit dem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus gebracht werden. | |
Noch fataler endeten zuletzt zwei Unfälle an nicht mit Schranken | |
gesicherten Bahnübergängen: In Cloppenburg schliff im Januar ein Zug einen | |
Ford mehr als 300 Meter die Gleise entlang, der Autofahrer starb noch an | |
der Unfallstelle. Und am letzten Tag des vergangenen Jahres kollidierte ein | |
Regionalzug der Bahn zwischen Landesbergen und Leese im Kreis Nienburg mit | |
einem Müllwagen. Der Fahrer starb, der Lokführer kam ins Krankenhaus – sein | |
Fahrerstand brannte wie der Lkw aus. Der Unfall ereignete sich in völlig | |
ebenem und frei einsehbarem Gelände. | |
Hans-Christian Friedrichs, Niedersachsens Landesvorsitzender des | |
alternativen Verkehrsclubs Deutschland (VCD), wundert das nicht: „Mit dem | |
massiven Streckenrückbau der vergangenen Jahrzehnte ist die Bahn gerade auf | |
dem Land vielfach aus dem Bewusstsein der Leute verschwunden“, sagt er. Die | |
Folge: Immer wieder kommt es zu Kollisionen. 2015 zählte die Polizei allein | |
in Niedersachsen insgesamt 49 Unfälle mit Bahn-Fahrzeugen. Fünf Menschen | |
starben, 41 wurden verletzt, so eine Sprecherin des Landesinnenministeriums | |
in Hannover. | |
Besonders gefährlich ist die Situation an Bahnübergängen ohne Schranken: 32 | |
der Unfälle ereigneten sich hier – an beschrankten Übergängen kam es | |
dagegen nur sechs Mal zum Crash. Bei den elf weiteren Fällen handelte es | |
sich um Personen im Gleisbett, von der Fahrbahn abgekommene Fahrzeuge – | |
oder der Unfallhergang konnte „nicht eindeutig festgestellt“ werden, so die | |
Sprecherin. | |
„Unbeschrankt ist schlecht“, sagt auch Stefan Wittke, Sprecher von | |
Niedersachsens Wirtschafts- und Verkehrsminister Olaf Lies (SPD). Dessen | |
Beamte befänden sich in „laufenden Gesprächen mit der Bahn“ – im | |
sogenannten Eisenbahnkreuzungsgesetz legte die Bundespolitik längst fest, | |
dass neue Bahnübergänge nur noch in Ausnahmefällen gebaut werden dürfen. | |
Auch bestehende Anlagen sollen möglichst durch Tunnel oder Brücken ersetzt | |
werden. | |
Doch das ist teuer: „Jedes Jahr fließt rund eine halbe Milliarde Euro in | |
die Ertüchtigung oder Beseitigung von Bahnübergängen“, sagt Sabine | |
Brunkhorst, Sprecherin der Deutschen Bahn in Hamburg. So entstehe etwa in | |
Belm-Vehrte bei Osnabrück gerade eine Brücke, die zwei Bahnübergänge | |
ersetzen soll – die Kosten von zehn Millionen Euro teilen sich das Land | |
Niedersachsen, die Gemeinde Belm, der Bund und die Deutsche Bahn. | |
VCD-Landeschef Friedrichs reicht das nicht: „Wir fordern, alle | |
Bahnübergänge mit Schranken auszurüsten.“ Sonst sei bei Bahnstrecken wie | |
etwa der Wendlandbahn zwischen Dannenberg und Lüneburg, wo gerade über den | |
Einsatz von mehr Zügen mit höherer Geschwindigkeit nachgedacht wird, die | |
Sicherheit nicht zu gewährleisten. „Notfalls muss dann auch der eine oder | |
andere Bahnübergang über einen Feldweg geschlossen werden“, sagt | |
Friedrichs. | |
VertreterInnen des ADAC dagegen wollen von einer Beschränkung des | |
Straßenverkehrs nichts wissen. „Die standardisierte Aussage, dass | |
unbeschrankte Bahnübergänge nicht sicher sind, teilen wir nicht“, sagt | |
Sprecherin Christine Rettig. Stattdessen wirbt der Auto-Club mit seiner | |
Kampagne „Sicher drüber“ für mehr Aufmerksamkeit der Autofahrer – | |
schließlich werden nach ADAC-Zahlen 95 Prozent der Unfälle an | |
Bahnübergängen durch den Straßenverkehr verursacht. Grund sei häufig | |
schlicht „Unaufmerksamkeit, Leichtsinn und Unkenntnis“, heißt es in einem | |
Merkblatt des Clubs. „Viele Leute nehmen das Andreaskreuz der Bahn nicht | |
mehr als Warnsignal wahr“, sagt Sprecherin Rettig, „und wissen nicht, dass | |
die Warnbaken vor den Gleisen vorschreiben, sich dem Übergang langsam, | |
vorsichtig und bremsbereit zu nähern.“ | |
23 Jan 2017 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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