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# taz.de -- Tödlicher Verkehrsunfall vor 25 Jahren: Ein Unfall zeigt Wirkung
> Die Stresemannstraße in Hamburg ist eine Hauptverkehrsstraße, auf der
> Tempo 30 gilt. Vor 25 Jahren wurde dort die neunjährige Nicola S.
> überfahren
Bild: FahrradfahrerInnen leben gefährlich im Straßenverkehr. Vor 25 Jahren wu…
Hamburg taz | Es ist ein sonniger Tag, der 27. August 1991: Auf der
vielbefahrenen Ost-West-Tangente Stresemannstraße ist Rushhour, als Stefan
K.* mit seinem Lkw um 16 Uhr Richtung Neuer Pferdemarkt fährt. An der Ecke
Bernstorffstraße, vor der Frauenkneipe, springt die Ampel für ihn auf Rot,
an der Nicola S. mit ihrem Fahrrad wartet. Sekunden später tritt sie in die
Pedale und fährt auf die Fahrbahn, sie hat Grün. Doch Stefan K. übersieht
das Rotlicht, weil – wie er später vor Gericht angeben wird – die Sonne ihn
blendet. Sein LKW erfasst Nicola und zermalmt ihr Fahrrad. Die Neunjährige
ist sofort tot.
Noch am frühen Abend versammeln sich mehrere Hundert AnwohnerInnen, um ihre
Anteilnahme zu bekunden und gegen den „Verkehrswahnsinn“ mitten durch das
Wohngebiet zu protestieren. Mit Gegenständen, Unrat und Mülleimer werden
Barrikaden errichtet, die Stresemannstraße ist bis nach Mitternacht
blockiert. Die Aktion findet in den Medien bundesweit Beachtung.
Dies wiederholt sich in den nächsten Tagen. Immer um 16 Uhr, zur
Todesstunde von Nicola S., versammeln sich Hunderte Menschen auf der
Kreuzung, um die Stresemannstraße bis spät in den Abend zu blockieren. Die
Polizei hält sich zurück. Die BeamtInnen des örtlichen Polizeireviers
Lerchenstraße, nur 200 Meter vom Unfallort entfernt, zeigen sogar offen
Sympathien für den Protest. Die Kreuzung Bernstorffstraße/Ecke
Stresemannstraße entwickelt sich zum Aktions- und Diskussions-Forum für
eine andere Verkehrspolitik.
Die linke SPD-Stadtentwicklungssenatorin Traute Müller eilt am Tag nach dem
Unfall zu den Blockierern, nimmt ihre Forderungen sichtlich betroffen zur
Kenntnis. Sie spürt die Sprengkraft, die der Unfall entwickelt, und richtet
einen runden Tisch mit den Anwohnern ein. Die fordern Tempo 30, den Rückbau
der Stresemannstraße auf zwei Spuren, das Verbot von Schwerlast- und
Gefahrengut-Transporten, zusätzliche Ampeln und fest installierte Blitzer.
Die Proteste dauern zwei Wochen. Am Tag der Beerdigung von Nicola S., am 5.
September 1991, versammeln sich bereits tagsüber 500 Menschen auf der
Stresemannstraße, die Umweltschutzorganisation Robin Wood hat Betonkübel
zur Verkehrsberuhigung auf die Fahrbahn gestellt.
Doch mit der polizeilichen Freundlichkeit ist es vorbei. Kaum ist die
Trauerfeier beendet, ordnet der damalige Chef der Polizeidirektion Mitte,
Werner Jantosch, die Räumung der Blockade an. Doch ein Hundertschaftsführer
der Polizei weigert sich, an der Sternbrücke gegen die
VersammlungsteilnehmerInnen vorzugehen, er klatscht demonstrativ in die
Hände und ruft „Leute aufsitzen – wir fahren schon mal ins Stadion“. Dann
lässt er seine Leute in die Gruppenfahrzeuge einsteigen und braust Richtung
Volksparkstadion davon. „Ich setze meine Leute nicht gegen Frauen und
Kinder und ihre berechtigten Interessen ein“, sagt er später der taz
Die Proteste zeigen Wirkung: Senatorin Traute Müller ordnet im Alleingang
Tempo 30 an, zur Verkehrsberuhigung wird die Fahrbahn auf zwei Spuren
verengt, dazu kommt in jede Richtung eine Busspur – offenkundig gegen das
Votum von Innensenator Werner Hackmann und „Betonsenator“ Eugen Wagner vom
rechten SPD-Flügel. Die Proteste ebben ab. Ein halbes Jahr später wird
Müller dennoch das Verkehrsressort von SPD-Bürgermeister Henning Voscherau
entzogen und Bausenator Wagner zugeschlagen.
Unter der Schwarz-Schill-Regierung werden 2002 die Busspuren abgeschafft
und dem Autoverkehr zugeschlagen. Das Tempo 30 wird nach Anwohner-Protesten
jedoch zwischen Lerchen- und Holstenstraße beibehalten. Und der Bus hält
immer noch mitten auf der Fahrbahn, sodass die Autos an den Haltestellen
bremsen müssen.
*Name geändert
27 Aug 2016
## AUTOREN
Kai von Appen
## TAGS
Hamburg
Verkehrsunfälle
Tempo 30
Tesla
Fahrrad
BMW
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Volksentscheid Fahrrad
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