# taz.de -- Mieten und Lebensqualität in Berlin: Eng und laut – oder draußen | |
> Kleinere Wohnungen sind im Trend, nur dadurch bleiben sie bezahlbar. Über | |
> die Mietmisere in Städten wird Lebensqualität verteilt. | |
Bild: Sommer in der Platte | |
BERLIN taz | Vielleicht sieht die Zukunft des neuen, bezahlbaren | |
Wohnungsbaus in den Ballungszentren so aus: In Berlin-Zehlendorf, einem | |
grünen Bezirk, entsteht an der verkehrsreichen Potsdamer Chaussee ohne | |
öffentliche Förderung ein Mietshaus der evangelischen Hilfswerk GmbH, | |
diesen Monat wurden die Mietverträge abgeschlossen. Die Nettokaltmiete | |
liegt bei rund elf Euro den Quadratmeter, das ist die Summe, die ein | |
privater Investor ohne öffentliche Förderung nehmen muss, um bei den hohen | |
Baukosten eine magere Rendite einzufahren. Das Entscheidende: Die Wohnungen | |
sind klein. Sehr klein. | |
„Wenn die Qualität im Bau durch viele gesetzliche Bestimmungen sehr hoch | |
und das Mietbudget der Mieter klein ist, dann müssen wir die Wohnungsgrößen | |
verringern“, erklärt Jörn von der Lieth, Geschäftsfrüher der Hilfswerk | |
GmbH. | |
In dem Neubau, der im November fertig sein soll, gibt es | |
29-Quadratmeterwohnungen für Singles, aber auch 40-Quadratmeter-Wohnungen | |
mit zwei Zimmern für Paare und ein paar größere Wohnungen, alle mit | |
integrierter Wohnküche, Terrasse oder Balkon und Aufzug. Die | |
Miniappartements kosten 339 Euro kalt, das sind 406 Euro warm. Für die | |
40-Quadratmeter großen Zwei-Zimmer-Wohnungen mit Balkon sind 554 Euro warm | |
zu berappen. Die Wohnungen sind alle vergeben, viele davon an RentnerInnen, | |
einige auch an junge Singles, heißt es bei der Hilfswerk GmbH. | |
Nur durch die reduzierte Quadratmeterzahl ist ein Mietpreis zu erreichen, | |
der auch einen bescheidenen Rentnerhaushalt nicht in die Verarmung treibt. | |
Als Paar muss man sich allerdings gut verstehen und seine Rituale haben für | |
Nähe und Distanz, um sich in der Enge nicht auf den Wecker zu fallen. Die | |
Quadratmeterflächen liegen deutlich unter den Grenzen im alten sozialen | |
Wohnungsbau. Dort beträgt die Höchstgrenze einer „angemessenen Wohnung“ f… | |
einen Paarhaushalt 60 Quadratmeter, dies gilt auch für Hartz-IV-Empfänger, | |
sofern die Miete niedrig ist. | |
## Möglich wären auch sieben Euro nettokalt | |
Abweichungen der Flächengrenzen nach unten bei Neubauten „müssen möglich | |
sein“, sagte Lukas Siebenkotten, Bundesdirektor des Deutschen Mieterbundes, | |
auf Anfrage der taz. Doch er schränkte ein: „Wenn eine Wohnung von der | |
Fläche her 20 oder 25 Prozent unter den Höchstwerten liegt, würde ich das | |
als problematisch betrachten.“ | |
Man kann natürlich die Maßstäbe verschieben: Auf einer Tagung des | |
Verbändebündnis Wohnungsbau in Berlin verwiesen die Redner unlängst auf | |
Metropolen wie Paris oder London, wo man noch beengter wohnt und eine | |
bezahlbare 40-Quadratmeter-Wohnung ein Lottogewinn ist für ein Paar. | |
Das Verbändebündnis, in dem die Wohnungs- und Bauwirtschaft sitzen, | |
fordert, dass pro Jahr 140.000 öffentlich geförderte Wohnungen mit sozialer | |
Bindung für untere und mittlere Einkommensgruppen gebaut werden müssten. | |
Bei einer öffentlichen Subventionierung wären dann auch wieder | |
Quadratmetermieten von sieben oder acht Euro nettokalt möglich und damit | |
größere bezahlbare Bleiben. | |
## Enger und lauter – oder weiter draußen | |
Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) will den Kommunen jährlich 1,5 | |
Milliarden Euro vom Bund für den sozialen Wohnungsneubau zur Verfügung | |
stellen. In den Ballungszentren ist der geförderte Neubau angelaufen. Doch | |
die Zahl der geplanten Wohnungen ist schlicht zu wenig: In Berlin | |
beispielsweise entstehen in diesem Jahr 2.500 und im nächsten Jahr 3.000 | |
geförderte Wohnungen mit Belegungsbindung, in Hamburg sollen es jährlich | |
2.000 Sozialwohnungen sein. | |
Die Wohnungssuchenden sind daher weiterhin auf den freien Wohnungsmarkt | |
angewiesen. Um auf erträgliche Mietpreise zu kommen, kann man enger wohnen | |
und lauter – oder weiter draußen. „Der Nachfragedruck in den | |
Ballungszentren konzentriert sich vor allem auf die innerstädtischen | |
Bezirke“, sagte Armin Hentschel vom Institut für soziale Stadtentwicklung | |
am Montag in Berlin. Wer bereit ist, jeden Tag zwei- bis drei Fahrstunden | |
für Hin- und Rückfahrt in die Stadt hinzunehmen, der kann auch im Umland | |
der Metropolen noch eine Bleibe zu moderaten Preisen finden. | |
In Falkensee, eine halbe Bahnstunde vom Berliner Zentrum entfernt, bietet | |
ein Vermieter eine „Pärchenwohnung“ mit 53 Quadratmetern für 560 Euro warm | |
an. In Fürstenwalde, eine Fahrstunde vom Zentrum, gibt es sanierte frühere | |
DDR-Mietshäuser mit kleinen Mehrzimmerwohnungen für noch sechs Euro | |
nettokalt den Quadratmeter. | |
Lange Fahrtzeiten können allerdings die Lebensqualität erheblich | |
beeinträchtigen, wie man durch internationale Befindlichkeitsstudien der | |
Pendler („Commuter“) in den Weltmetropolen weiß. So wie enge Wohnräume ei… | |
Beziehung verändern, fehlt die vertane Lebenszeit in Bahn oder Bus in der | |
Freizeitgestaltung. | |
12 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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