# taz.de -- Mieter-Konferenz in Berlin: Wege zum bezahlbaren Wohnen | |
> Das Netzwerk „Mieten und Wohnen“ diskutierte am Wochenende über Auswege | |
> aus der Misere auf dem Wohnungsmarkt. | |
Bild: Zur Miete wohnen – von den 40 Millionen Haushalten in Deutschland tun d… | |
BERLIN taz | Um „grundsätzlich Alternativen in der Mieten- und | |
Wohnungspolitik“ zu diskutieren, die über die „derzeitigen tagespolitischen | |
Diskussionen hinausgehen“, traf sich das Netzwerk „Mieten und Wohnen“ am | |
Wochenende zu seiner zweiten Konferenz in Berlin. Seine Brisanz erhält das | |
Netzwerk, weil hier traditionelle Mietervereine vor allem aus dem | |
Ruhrgebiet mit neuen Mieter-Initiativen wie „Kotti & Co“ aus Berlin und mit | |
dem aus der Hausbesetzerbewegung stammenden Freiburger Mietshäuser-Syndikat | |
zusammentreffen. | |
Selbst für Mieterfragen zuständige Mitarbeiter*innen aus kommunalen | |
Verwaltungen und bei Verdi organisierte Beschäftigte aus der | |
Immobilienwirtschaft fehlten nicht. An der Finanzierung beteiligten sich | |
die politischen Stiftungen von SPD, Grünen und Linken. | |
Von den etwa 40 Millionen Haushalten in Deutschland leben etwa 56 Prozent | |
zur Miete. Nur 30 Prozent besitzen ein eigenes Haus, 14 Prozent eine | |
Eigentumswohnung. In den Großstädten ist die Mieter*innen-Quote deutlich | |
höher, in Berlin erreicht sie sogar 84 Prozent. Auch volkswirtschaftlich | |
betrachtet gewinnt die Immobilienwirtschaft immer mehr an Bedeutung, bis zu | |
20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts macht sie inzwischen aus. | |
„Hier findet inzwischen ein bedeutender Teil des Abschöpfens des Mehrwerts | |
statt“, sagte der Berliner Stadtsoziologe Andrej Holm. Dem Begriff der | |
„bezahlbaren Miete“ setzte er auf der Konferenz die für einen Haushalt | |
„leistbare Miete“ entgegen. Während in Berlin der Mietenvolksentscheid | |
zumindest eine Grenze von 30 Prozent des Haushaltseinkommens für die | |
Nettokaltmiete bei den städtischen Wohnungsbauunternehmen durchgesetzt hat, | |
orientieren sich Soziologen in Österreich an 25 Prozent für die | |
Bruttowarmmiete als Ziel. | |
## Weg von den Vergleichsmieten | |
Doch mit welchen Instrumenten kann dies flächendeckend umgesetzt werden? | |
Eine Spur, die verfolgt wurde, war die Umstellung vom | |
Vergleichsmietensystem auf eine Kostenmiete. Der Hausbesitzer müsste dann | |
seine (angeblichen) Kosten legitimieren und sich der gesellschaftlichen | |
„Aufgabe einer Wohnraumversorgung für alle unterordnen“. | |
Auch in einem anderen Bereich wagte man sich auf Neuland vor. Rund eine | |
Million Wohnungen in Deutschland befinden sich inzwischen in der Hand von | |
finanzmarktorientierten Fondsgesellschaften und Börsenkonzernen. In | |
Deutschland sind dies vor allem die „Vonovia“ und die „Deutsche Wohnen“. | |
Knut Unger vom Mieterverein Witten stellte seine Thesen zur | |
„Weiterentwicklung rechtlicher Instrumente“ als Antwort auf diese | |
Geschäftsmodelle vor. Dies fängt an bei der Pflicht zu einer | |
„ladungsfähigen Anschrift“ des Vermieters im Bundesgebiet. Unger denkt | |
außerdem darüber nach, wie der Vereinzelung der Mieter gegenüber den | |
Konzernen mit einem Verbandsklagerecht begegnet werden könnte. Beim | |
Verbraucherschutz existiert bereits etwas Vergleichbares. | |
## Weiterkaufen verhindern | |
Ebenso wäre über gemeinschaftliche Informations- und Widerspruchsrechte | |
nachzudenken. Auch könnte mit einem umfassenden Vorkaufsrecht der | |
Mieter*innen, insbesondere zugunsten Dritter wie kommunaler | |
Wohnungsunternehmen und Genossenschaften, dem ständigen Weiterverkaufen der | |
Bestände ein wirksamer Riegel vorgeschoben werden. | |
Doch müsste, wie ein Teilnehmer anmerkte, für diese Interventionen vom Bund | |
den Kommunen das Geld bereitgestellt werden. Weniger als die jährlich rund | |
15 Milliarden Euro, die zurzeit über Mietzuschüsse unter anderem für | |
Hartz-IV-Empfänger indirekt in die Kassen der Wohnungseigentümer fließen, | |
wären es auf jeden Fall. | |
In Absprache mit den Veranstaltern hatte die Heinrich-Böll-Stiftung | |
parallel zu einem Treffen zur Vorbereitung der demnächst in Quito | |
stattfindenden UN-Konferenz „Habitat III“ eingeladen. Unter dem Slogan des | |
weltweiten „Rechts auf Stadt und die soziale Produktion des Wohnens“ | |
berichteten und diskutierten Teilnehmer*innen aus Indien, Brasilien und | |
Spanien unter anderem über ihre Kämpfe gegen internationale Immobilienfonds | |
wie Blackstone. | |
18 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Christoph Villinger | |
## TAGS | |
Miete | |
Wohnen | |
Immobilien | |
Heinrich-Böll-Stiftung | |
Immobilien | |
Deutsche Wohnen | |
Mieten | |
R2G Berlin | |
Andrej Holm | |
R2G Berlin | |
Städte | |
Fahrrad | |
Wohnungsmarkt | |
Schwerpunkt Landtagswahlen | |
Schwerpunkt Landtagswahlen | |
Mieten | |
Mieten | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Debatte Finanzcasino: Das irre Steuerloch | |
Wie wird man bequem reich? Mit privaten Miet- „Objekten“. Millionenbeträge | |
können mühelos am Finanzamt vorbeigeschleust werden. | |
Wohnungskäufe: Deutsche Wohnen sammelt Altbauten | |
Wieder schlägt Berlins größter privater Vermieter zu. 3.900 Wohnungen gehen | |
an die umstrittene Gesellschaft. | |
Wie funktioniert bezahlbares Wohnen?: Freiburg für alle! | |
Selbstverwaltet: In Freiburg sind drei Häuser im Bau, deren Wohnungen | |
deutlich billiger vermietet werden als die des kommunalen Trägers. | |
Andrej Holm über Berliner Mietenpolitik: „Die Revolution ist notwendig“ | |
Der Stadtsoziologe Andrej Holm wird Staatssekretär für Wohnen in Berlin. | |
Der Aktivist hofft auf eine weiterhin unzufriedene mietenpolitische | |
Bewegung. | |
Kommentar Berlins Staatssekretär Holm: Die Gentrifizierungskritik in Person | |
Holm analysierte stets so scharf, dass ihn die Justiz für einen Terroristen | |
hielt. Seine Berufung zeigt, dass Rot-Rot-Grün etwas ändern will. | |
Linke will Soziologen als Staatssekretär: Andrej Holm soll eingreifen | |
Der Soziologe Andrej Holm soll Staatssekretär für Wohnen in Berlin werden. | |
Holm hatte zuletzt gefordert, die Mieten einzufrieren und Spekulation zu | |
bekämpfen. | |
Welturbanisierungskonferenz in Quito: Nachhaltiger Schaden | |
Auf der Habitat III treffen sich die BürgermeisterInnen der globalen | |
Städte. Statt konstruktiver Ideen lieferten sie einen Totentanz des | |
Repräsentativen. | |
Zur UN-Megastadtkonferenz: Stuttgart 21 in Quito | |
Vor der UN-Konferenz Habitat III: In Ecuadors Hauptstadt regt sich Kritik | |
an der autofixierten Verkehrspolitik. Radler haben es schwer. | |
Privatisierungswahn in Bayern: Der große Wohnungsdeal | |
In Bayern gibt es immer mehr Kritik an dem Verkauf von 33.000 Wohnungen aus | |
Landesbesitz. Finanzminister Markus Söder wehrt sich. | |
Abgeordnetenhauswahl in Berlin: SPD stärkste Kraft, CDU abgestraft | |
Die SPD hat Hochrechnungen zufolge mit rund 22 Prozent den höchsten | |
Stimmenanteil in Berlin erhalten. Die AfD steht bei rund 14 Prozent. | |
Aus der zeozwei: Nicht viel mehr als Öko-Eis | |
Berlin gilt als hippe Hauptstadt der Kreativen. Warum hat es dort bei der | |
Wahl Politik für eine sozialökologisch moderne Stadt so schwer? | |
Mieten und Lebensqualität in Berlin: Eng und laut – oder draußen | |
Kleinere Wohnungen sind im Trend, nur dadurch bleiben sie bezahlbar. Über | |
die Mietmisere in Städten wird Lebensqualität verteilt. | |
taz-Serie Abgeordnetenhauswahl: Ranjeklotzt und uffjemotzt! | |
Der Wohnungsneubau bestimmt die Stadtentwicklung Berlins. Aber: Können | |
Finanz- und Bausenator miteinander? |