| # taz.de -- taz-Serie Abgeordnetenhauswahl: Ranjeklotzt und uffjemotzt! | |
| > Der Wohnungsneubau bestimmt die Stadtentwicklung Berlins. Aber: Können | |
| > Finanz- und Bausenator miteinander? | |
| Bild: Wohnungsneubau in Kreuzberg | |
| Das sind Termine, wie sie Andreas Geisel liebt. Am Montag vergangener Woche | |
| hat Berlins Bausenator mit der Gesobau und der Howoge den ersten | |
| Spatenstich für den Neubau von fast 1.000 landeseigenen Wohnungen gefeiert. | |
| Damit hat der SPD-Politiker zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen können: | |
| Es wird gebaut, und zwar in Größenordnungen. Und die Bauherren sind zwei | |
| der sechs landeseigenen Berliner Wohnungsbaugesellschaften. 254 Wohnungen | |
| in der Mendelstraße in Pankow und der Gotlindestraße in Lichtenberg sollen | |
| für 6,50 Euro pro Quadratmeter angeboten werden. Na also, geht doch. | |
| ## 40.000 Neuberliner jährlich | |
| Geht es um den Neubau, braucht die SPD kein Wahlprogramm, sie hat Andreas | |
| Geisel. Aus dem Stadtentwicklungssenator ist auch umgangssprachlich der | |
| Bausenator geworden – und das ist auch nötig. Jährlich um 40.000 | |
| Neuberliner ist die Stadt in den vergangenen Jahren gewachsen, Tendenz | |
| anhaltend. Im Jahre 2030, vielleicht auch früher, könnte die | |
| 4-Millionen-Marke gerissen werden. Der Stadtentwicklungsplan Wohnen von | |
| 2013, der bis 2025 den Bau von 137.000 neuen Wohnungen vorsieht, ist längst | |
| überholt. Statt 10.000 Wohnungen pro Jahr sollen nun 20.000 jährlich gebaut | |
| werden, 6.000 davon von den landeseigenen Gesellschaften. Deren Bestand | |
| soll damit von 310.000 auf 400.000 wachsen. | |
| Darüber hinaus sollen sich auch private Investoren am Kampf gegen die | |
| Wohnungsnot beteiligen. 25 Prozent bezahlbare Wohnungen fordert das Land im | |
| Rahmen der sogenannten kooperativen Baulandentwicklung von jedem Investor. | |
| 2016 sollen damit 2.500, im kommenden Jahr 3.000 preisgünstige Wohnungen | |
| gefördert werden. | |
| Das ist der Plan. Die Wirklichkeit sieht etwas anders aus. Zwar wurden | |
| 22.000 Baugenehmigungen 2015 erteilt, tatsächlich aber wurden nur 12.000 | |
| Wohnungen fertiggestellt. Es könnte also noch schneller gehen. Für die | |
| Linke aber ist die Doppelstrategie der SPD auf private wie auf landeseigene | |
| Neubauvorhaben zu setzen, ohnehin der falsche Weg. Sie fordert in ihrem | |
| Wahlprogramm die Konzentration der Fördermittel auf die landeseigenen | |
| Gesellschaften, auf Genossenschaften oder sozial orientierte | |
| Baugemeinschaften. Darüber hinaus sei eine geförderte Miete von 6,50 Euro | |
| pro Quadratmeter zu hoch. | |
| Auch die Grünen sehen Handlungsbedarf beim Neubau. Sie fordern, den Anteil | |
| der bezahlbaren Wohnungen bei privaten Investitionen von 25 auf 30 Prozent | |
| zu erhöhen und bei den Wohnungsbaugesellschaften des Landes sogar auf 50 | |
| Prozent. Bei den ersten Spatenstichen in Lichtenberg und Pankow hätten | |
| Howoge und Gesobau also 500 statt nur 254 bezahlbare Wohnungen ankündigen | |
| müssen. | |
| Allerdings sind sich die Grünen beim Neubauthema auch nicht immer grün. | |
| Steht Pankows Baustadtrat Jens-Holger Kirchner eher Seit an Seit mit dem | |
| Bausenator, tritt die grüne Fraktionschefin gern mal auf die Bremse. An die | |
| Adresse der landeseigenen Gesellschaften sagte Antje Kapek, grundsätzlich | |
| sei eine solche Nachverdichtung zwar nötig, es reiche aber nicht aus, dass | |
| Wohnungsbaugesellschaften die Mieter nur über ihre Pläne informierten, ohne | |
| ihnen eine Mitsprache einzuräumen. „Oft ist Bürgerbeteiligung keine | |
| Beteiligung, sondern nur eine Information der Verwaltung darüber, was sie | |
| plant, ohne dass es einen Dialog gibt. Das muss sich ändern.“ | |
| Sollte es nach dem 18. September zu einer rot-grün-roten Koalition kommen, | |
| stehen beim Thema Neubau also spannende Verhandlungen bevor. Mindestens | |
| genauso wichtig wie ein Koalitionsvertrag ist aber die Machtbalance | |
| zwischen den Ressorts. Von 2011 bis 2014 etwa hat Finanzsenator Ulrich | |
| Nußbaum, gedeckt vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit, jede | |
| Initiative des damaligen Stadtentwicklungssenators Michael Müller | |
| abgeblockt. Weder wollte sich Nußbaum mit einer sozialverträglichen | |
| Liegenschaftspolitik auseinandersetzen noch mit einer ausreichenden | |
| Förderung von Neubauvorhaben. Was im Koalitionsvertrag stand, wurde im Patt | |
| zwischen den beiden SPD-Verwaltungen hin- und hergeschoben, bis es | |
| schließlich im Nirwana verschwand. | |
| ## Bei Wählern punkten | |
| Seit dem Wechsel von Wowereit zu Müller scheint dieses Patt aufgelöst zu | |
| sein. Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen, von Wowereit scherzhaft auch | |
| mal als Sozialsenator bezeichnet, unterstützt die Politik von Andreas | |
| Geisel. Ob dies freilich auch der Fall ist, wenn Grüne oder Linke das | |
| Stadtentwicklungsressort bekommen, ist fraglich. Mit Spatenstichen und | |
| Grundsteinlegungen kann man bei den WählerInnen punkten. Und wer gönnt das | |
| schon der Konkurrenz. | |
| Ach ja, es gibt ja auch noch die Kleinen. Neubauförderung mit staatlichen | |
| Mitteln? Für die FDP ein klares No-Go. Das war zu erwarten. Umso | |
| überraschender ist es, dass auch die AfD nicht viel von öffentlicher | |
| Daseinsvorsorge beim Thema Wohnen und Mieten hält. Vielmehr hat ihr | |
| Spitzenkandidat Georg Pazderski bei der Elefantenrunde im RBB | |
| vorgeschlagen, die Wohnungen der landeseigenen Gesellschaften zu verkaufen. | |
| Wäre man Populist, könnte man sagen: Wer in einer der 310.000 landeseigenen | |
| Wohnungen wohnt und AfD wählt, wählt die eigene Obdachlosigkeit. | |
| 12 Sep 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Uwe Rada | |
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