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# taz.de -- taz-Serie Abgeordnetenhauswahl: Der Ruf nach der Polizei
> Beim Thema „innere Sicherheit“ haben SPD, Grüne und Linke ähnliche
> Vorstellungen. Alle wollen mehr Stellen für die Polizei schaffen – CDU
> und AfD aber auch.
Bild: Polizei sichert Finanzministerium vor Demonstranten des Bündnisses Block…
Sogar die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat sich jetzt offen gegen Frank
Henkel (CDU) positioniert. „Dieser Senator produziert vielleicht
Schlagzeilen, aber keine innere Sicherheit“, erklärte die GdP vergangene
Woche in einer Presseerklärung. Für die CDU, die mit Henkel fünf Jahre lang
den Innensenator gestellt hat, ist das ein Schlag. Schließlich zählten die
Konservativen die Polizei bislang zu ihrer Stammwählerschaft.
Was der GdP den Rest gegeben hat? 18 Tage vor der Wahl hat Henkel noch
schnell den Elektroschocker, den sogenannten Taser, für die Schutzpolizei
als eingeführt erklärt. Tatsache ist: Vor den Wahlen am 18. September tut
sich in Berlin gar nichts mehr. Und danach sind Henkel und seine Taser
wahrscheinlich Geschichte.
„Wir haben Berlin sicherer gemacht“, verkündet die CDU in ihrem
Wahlkampfspot. Tatsache ist: Die Zahl der angezeigten Straftaten ist unter
Henkel von etwa 500.000 auf rund 570.000 gestiegen. Die Aufklärungsquote
ist von 46,1 auf 43,9 Prozent gesunken. 2006, als Rot-Rot regierte, lag sie
bei 50 Prozent. Nun verspricht Henkel: Mit einer Ausweitung der
Videoüberwachung, mehr Stellen für die Polizei und besserer Ausrüstung
werde er Berlin „noch sicherer“ machen.
Populismus kennzeichnete die gesamte Amtszeit des CDU-Innensenators. Im
letzten Vierteljahr steigerte er sich zur Höchstform. Die islamistischen
Anschläge in Würzburg und Ansbach waren ihm Anlass, „aus
Sicherheitsgründen“ ein Verbot des Nikab, der Vollverschleierung, zu
fordern. Selbst im Kreise der CDU/CSU-Innenminister stand er mit dieser
Forderung ziemlich alleine da.
Das autonome Wohnprojekt Rigaer Straße 94 in Friedrichshain befehdete er
mit der Polizei – stellvertretend für die gesamte linksradikale Szene der
Stadt. Im Januar rückten 500 Polizisten ohne Durchsuchungsbeschluss in das
Haus ein. Im Juni halfen die Uniformierten dem Hauseigentümer bei einer
Teilräumung. Wochenlang war die Straße danach Sperrzone. Erst als das
Landgericht die Räumung am 13. Juli für rechtswidrig erklärte, rückten die
Beamten ab. Bis heute behauptet Henkel, die Polizei habe rechtmäßig
gehandelt. Das letzte Wort hat nun das Verwaltungsgericht. 120.000
Einsatzstunden habe die Polizei im ersten Halbjahr 2016 in der Rigaer
Straße zugebracht, schrieb das Neue Deutschland. Zum Vergleich: Im gesamten
öffentlichen Nahverkehr hatte die Polizei laut Grünen im ganzen Jahr 2015
nur 169.000 Einsatzstunden.
Einführung einer „Null-Toleranz-Zone“ für Drogen im Görlitzer Park,
Katz-und-Maus-Spiel der Polizei mit den Drogenhändlern in Kreuzberg und
Friedrichshain. Ausrufen von Sonderkommissionen und Taskforces, von denen
man danach nie wieder was hört. Verdrängung statt Lösung – die Liste von
Henkels Aktionen ließe sich fortsetzen. Verantwortliche Innenpolitik sieht
anders aus. Das hat auch der Regierende Bürgermeister und
SPD-Spitzenkandidat Michael Müller erkannt. Im August rückte er von der
„Henkel-CDU“ ab und machte den Grünen eine Offerte.
Laut Umfragen haben SPD und Grüne aber keine Mehrheit. Das heißt, es könnte
auf eine rot-rot-grüne Regierungskonstellation hinauslaufen. Die
Koalitionsverhandlungen in Sachen Innenpolitik versprechen harmonisch zu
werden, die Vorstellungen von SPD, Grünen und Linke ähneln sich. Alle drei
Parteien wollen durch Neueinstellung oder Abbau von Bürokratie mehr Polizei
auf die Straße bringen. Wobei Berlin schon jetzt die höchste Polizeidichte
der Bundesrepublik hat. Auf 100.000 Einwohner kommen 473 Polizisten, fast
10 Prozent mehr als in Hamburg. Aber in Berlin gab es 2015 auch 5.023
Demonstrationen. Nebenbei: Auch die AfD will mehr Polizei.
Projekte, die sich als Zankapfel eignen, finden sich in den Programmen von
Rot-Grün-Rot kaum. Konzepte zur langfristigen Kriminalitätsbekämpfung
wollen alle entwickeln und die Prävention stärken. Alleinstellungsmerkmal
der SPD ist, dass sie am Alexanderplatz einen Modellversuch der
Videoüberwachung möchte. Und Grüne und Linke machen sich für einen
unabhängigen Polizeibeauftragten stark. Ein Dreier dürfte an beidem kaum
scheitern.
„Henkels aufgeladene Symbolpolitik hat eine vernünftige Innenpolitik schwer
gemacht“, sagt Frank Zimmermann, innenpolitischer Sprecher der SPD, der
taz. „Die Erwartung ist, dass wir mit Grünen wie Linken deutlich besser
Politik machen können.“ Mit den Linken habe die SPD schon bis 2011 gute
Regierungserfahrungen gemacht.
Gemessen am Istzustand wäre eine sachliche, am Gedanken der Deeskalation
ausgerichtete Innenpolitik eine Verbesserung. Ein rot-rot-grünes Bündnis
könnte aber mehr liefern. Es könnte die Entkriminalisierung und
kontrollierte Abgabe von Cannabis vorantreiben. Alle fortschrittlichen
Innenpolitiker sind sich einig, dass erst dann neue Wege in der
Kriminalitätsbekämpfung möglich sind.
An Grünen und Linken dürfte es nicht scheitern. Es liegt an der SPD. Deren
Mitglieder haben sich bei der Abstimmung über das Wahlprogramm mit knapper
Mehrheit dagegen entschieden. „Das Ergebnis ist bindend“, sagt Zimmermann.
Außerdem werde über solche Fragen im Bund entschieden.
6 Sep 2016
## AUTOREN
Plutonia Plarre
## TAGS
Taser
Frank Henkel
Cannabis
Kopftuch
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
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Abgeordnetenhauswahlen 2016
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Schwerpunkt AfD in Berlin
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