# taz.de -- Welturbanisierungskonferenz in Quito: Nachhaltiger Schaden | |
> Auf der Habitat III treffen sich die BürgermeisterInnen der globalen | |
> Städte. Statt konstruktiver Ideen lieferten sie einen Totentanz des | |
> Repräsentativen. | |
Bild: Auch nur Show: Megaparty zur Inthronisierung von Ex-Hausbesetzerin Ada Co… | |
Quito taz | Im ecuadorianischen Quito findet derzeit die | |
Welturbanisierungskonferenz Habitat III statt. Und es ist naheliegend, dass | |
die Städte dort als eigenständige Akteure und nicht bloß als Unterabteilung | |
der Nationen auftreten. Das spiegelt nicht nur das postnationale Zeitalter | |
wider, es ist zwingend bei einem Treffen, das sich damit befasst, dass 2050 | |
mehr als 75 Prozent der Weltbürger in Städten leben werden. Vielleicht | |
gelingt ja, was auf nationaler Ebene im Unverbindlichen bleibt, auf lokaler | |
besser. | |
Tatsächlich sind die globalen Städte als politischer Akteur auf UN-Niveau | |
eher neu. Und vielleicht, wie die italienischen Stadtstaaten in der | |
Renaissance, womöglich bald kraftvolle, unabhängige Player. | |
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sagte am Sonntag in Quito, nicht ohne | |
Pathos, dass die „Städte die Speerspitze im Kampf für Nachhaltigkeit“ | |
seien. | |
Die Versammlung der Bürgermeister, die so zur Avantgarde der Weltrettung | |
geadelt sind, hätte einiges zu besprechen. Was verbindet reiche Städte mit | |
explodierenden Armutsmetropolen wie Mexico oder Delhi? Hat Ökologie | |
wirklich Vorrang vor Armutsbekämpfung? Wie weit reicht die Gemeinsamkeit? | |
## Eine Ex-Hausbesetzerin ist der Star | |
In Quito kamen allerlei zusammen: Bürgermeister von Teheran und Bethlehem, | |
von Montevideo und Mexiko, von Johannesburg und Köln. Ein Star war Ada | |
Colau, die Ex-Hausbesetzerin, die Barcelona regiert, und „wahrhaftigen | |
demokratischen Wandel“ forderte. Eigentlich gute Voraussetzungen für den | |
Versuch zu ergründen, was die urbanen Zentren trennt, was sie verbindet. | |
Und ein Rahmen, um zu ergründen, was an Habitat III Show, was seriöse | |
Chance ist, den wüsten Prozess der Urbanisierung irgendwie planvoll in | |
Bahnen zu lenken. | |
Doch was dann passiert, nutzt ihn nicht. In Quito traten 42 | |
Bürgermeisterinnen und Bürgermeister auf, nacheinander. Jeder und jede | |
redet gut zwei Minuten. Die Abfolge hat die UN akribisch vor Wochen | |
fixiert. Das Resultat ist ein Totentanz des Repräsentativen, ein | |
Widergänger feudaler Öffentlichkeit, dem jeder kritischen Echoraum fehlt. | |
Intellektueller Ertrag: Alle, von Seoul bis Istanbul, von Dakar bis | |
Oakland, sind sehr für Nachhaltigkeit. Und für Frauen in der Politik. Für | |
weniger Arme. Für mehr Klimaschutz. Pro bono, contra malum. Danach gibt es | |
ein Gruppenfoto. Verglichen mit diesen zwei Stunden ist jede Debatte um den | |
Länderfinanzausgleich ein Feuerwerk an Esprit und diskursiver Eleganz. | |
Das Ganze hat etwas seltsam Unpolitisches, eine diskurs- und | |
erkenntnisfreie, exakt kadrierte Ödnis. Es ist auch diese Art von | |
Diskussionssimulation, die den Ruf der UN beschädigt. Nachhaltig. | |
17 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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