# taz.de -- Weltbevölkerung: Dem Ansturm nicht gewachsen | |
> 150 Millionen Menschen leben in Nigeria, so viel wie in keinem anderen | |
> Land Afrikas. In der Megacity Lagos zeigt sich bereits, wie das Wachstum | |
> das Leben verändert. | |
Bild: In Nigerias Wirtschaftsmetropole Lagos drängen sich bis zu 18 Millionen … | |
LAGOS taz | Tuuut! Tuuuut! Immer wieder drückt Abdullahi Balarabe kräftig | |
auf die Hupe. Bis zur Dunkelheit will der 33-jährige Soldat seine winzige | |
Wohnung erreichen, und so langsam ist er richtig wütend. Wie jeden Tag, an | |
dem er sich durch die schmalen Straßen der nigerianischen Megacity Lagos | |
kämpfen muss. | |
Dabei habe er „ja noch Glück“, sagt er und schaut auf seine Okada, wie die | |
Mopeds in Nigeria genannt werden. „Damit bin ich viel mobiler. Nicht | |
auszudenken, wenn ich hier mit dem Auto langfahren müsste.“ | |
Am späten Nachmittag geht in Lagos gar nichts mehr. Egal, ob auf den Inseln | |
Ikoyi und Victoriaisland mit teuren Restaurants und schicken | |
Appartementanlagen, im Industrie- und Wirtschaftsviertel Ikeja oder in den | |
engen Seitenstraßen von Sabo: Überall reiht sich ein Stau an den nächsten, | |
die Hupkonzerte sind ohrenbetäubend, der Frust der Pendler ist riesengroß. | |
Der Okadafahrer Balarabe ist nur einer von vermutlich 18 Millionen | |
Menschen, die sich täglich durch den Verkehr in der Wirtschaftsmetropole | |
kämpfen. Diese ist dem Ansturm schon lange nicht mehr gewachsen, woran auch | |
alle Versuche aus der Politik kaum etwas ändern. | |
Obwohl der im April wiedergewählte Gouverneur Babatunde Fashola vom Action | |
Congress of Nigeria (ACN) seit Jahren versucht, ein funktionierendes | |
Transportsystem aufzubauen, bricht der Verkehr jeden Morgen und jeden Abend | |
aufs Neue zusammen. Riesige Probleme bereiten auch die katastrophale | |
Stromversorgung und der akute Wohnungsmangel. | |
Besonders betroffen sind vor allem die Ärmeren, auch wenn die Regierung | |
einen Mindestlohn von 18.000 Naira plant, umgerechnet rund 90 Euro. Für ein | |
fensterloses 10-Quadratmeter-Loch ohne Dusche werden je nach Lage bis zu | |
500 Euro jährlich fällig. Zum Leben bleibt kaum etwas übrig. | |
## Stelzenhäuser für 80.000 Menschen | |
Trotzdem drängen jeden Tag Hunderte Menschen neu in die Stadt. Meist sind | |
es junge Männer, die sich durchschlagen wollen, sie haben zumindest die | |
Hoffnung auf ein bisschen Geld. | |
Der eine oder andere strandet auch in Makoko. So heißt der riesige | |
Wasserslum von Lagos, in dem mindestens 80.000 Menschen hausen. Er liegt | |
unterhalb der kilometerlangen Third-Mainland-Bridge, die das Festland mit | |
den Inseln verbindet. | |
Auch Modupe Adebayo lebt hier in einem der Stelzenhäuser, die nur mit dem | |
Kanu erreichbar sind. Umgeben sind sie von stinkendem, schwarz glänzendem | |
Abwasser, aus dem die Fischer jeden Morgen ihren Fang ziehen. | |
Etwas mehr Komfort hätte die hochgewachsene Frau, die auch Chefin des | |
kleinen Fischmarktes am Ufer ist, gerne. Der Alltag sei hart. Immerhin habe | |
Makoko nun eine Krankenstation bekommen. Doch für die Kinder gibt es nach | |
wie vor nur eine Grundschule. | |
Die nächste weiterführende Schule ist zu weit entfernt. „Aber uns bleibt ja | |
nichts anderes übrig. In Lagos gibt es kein Land, auf dem wir leben | |
könnten“, sagt sie und deutet mit der Hand in Richtung Ikoyi, wo die | |
Wolkenkratzer ganz eng beieinander stehen und matt in der Morgensonne | |
glänzen. | |
30 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
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Nigeria | |
Städte | |
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