| # taz.de -- Andrej Holm über Berliner Mietenpolitik: „Die Revolution ist not… | |
| > Der Stadtsoziologe Andrej Holm wird Staatssekretär für Wohnen in Berlin. | |
| > Der Aktivist hofft auf eine weiterhin unzufriedene mietenpolitische | |
| > Bewegung. | |
| Bild: Lärm-Demo am Berliner Kottbusser Tor: Solche Szenen wünscht sich Andrej… | |
| taz: Herr Holm, sie gelten als der Experte für Gentrifizierung schlechthin. | |
| Man könnte sagen, ohne Sie würde den Begriff in Deutschland kaum jemand | |
| kennen. Jetzt sollen Sie unter Rot-Rot-Grün Staatssekretär für Wohnen | |
| werden. Kommt damit die Wohnungsmarkt-Revolution? | |
| Andrej Holm: Na, das wäre schön. Die ist ja dringend notwendig, weil wir in | |
| der Stadt mit Problemen der Verdrängung und Mangel an preiswerten Wohnungen | |
| zu tun haben. Das wird schon seit Jahren von Initiativen und kritischer | |
| Forschung angemahnt. Auf der anderen Seite ist klar, dass, [1][nur weil | |
| jetzt Posten neu verteilt werden], sich nicht automatisch die Politik | |
| verändern wird. Das wird eine gemeinsame Aufgabe für die Koalition. Vor | |
| allem aber wird die Stadtgesellschaft gefordert sein, auch weiterhin ihre | |
| Vorstellung von einer anderen Stadt auf die Straße – und an die Regierung | |
| und Verwaltung heran – zu tragen. | |
| Bezahlbarer Wohnraum war eines der zentralen Themen im Wahlkampf, „Wohnen | |
| ist für uns ein Grundrecht“ heißt es im neuen Koalitionsvertrag. Was sind | |
| die zentralen Probleme? | |
| Wir haben [2][zu wenig Wohnraum] für die wachsende Bevölkerung und zu | |
| wenige leistbare Wohnungen für die große Gruppe von Haushalten, die | |
| unterdurchschnittliche Einkommen haben. Außerdem haben wir zu wenig | |
| Belegungsbindung, um Gruppen, die etwa von Diskriminierung betroffen sind, | |
| besser und jenseits einer Marktlogik mit Wohnungen zu versorgen. Davon | |
| leiten sich im Prinzip alle Aufgaben ab, vor denen wir in den nächsten | |
| Jahren stehen. | |
| Die Koalition hat ein 100-Tage-Programm angekündigt – wie wird Ihr Anteil | |
| daran aussehen? | |
| Wir werden genau überlegen, was die dringlichsten Themen sind, und was | |
| überhaupt in 100 Tagen bewältigt werden kann. Das könnten etwa konkrete | |
| Vorschläge für die Entwicklung des Sozialen Wohnungsbaus sein. Oder, die | |
| Vermietungspraktiken der Wohnungsbaugesellschaften und ihren Beitrag für | |
| eine soziale Wohnungsversorgung genau unter die Lupe zu nehmen. | |
| Das Problem ist, dass die Mieten im sozialen Wohnungsbau für viele von den | |
| Bewohner_innen viel zu hoch sind. Gleichzeitig wollte die bisherige Politik | |
| sich des Problems sozialer Wohnungsbau eher beschleunigt entledigen. Das | |
| wird es in der neuen Konstellation so nicht mehr geben, der soziale | |
| Wohnungsbau ist ein wichtiger Baustein für die soziale Wohnungsversorgung | |
| und muss dafür qualifiziert werden. Das klingt schon alles wie so | |
| Politikeransagen. Tut mir Leid. (lacht) | |
| Nun ist es das eine, die wohnungspolitische Schieflage vom Schreibtisch aus | |
| – zurecht – zu kritisieren. Jetzt sitzen Sie selbst unter den | |
| Verantwortlichen, den Praktikern. Können Sie den Erwartungen gerecht | |
| werden? | |
| Ich hoffe sehr, dass die Bewegung im mietenpolitischen Bereich immer so | |
| stark wird, dass sie nie zufrieden ist. Das ist sowieso die Voraussetzung | |
| dafür, dass sich was verändert. Das war in der Vergangenheit so und wird | |
| auch in Zukunft so sein. Insofern ist es überhaupt nicht mein Ziel, alle in | |
| ihren Forderungen zu befrieden – das kann gar nicht das Ziel von Politik | |
| sein. Wir wollen viele neue Lösungsansätze anregen. Von Dingen, die wir | |
| noch nicht ausprobiert haben, können wir auch nicht mit Gewissheit sagen, | |
| welche Ergebnisse sie bringen. Aber dass die bisherigen Instrumente nicht | |
| ausgereicht haben, das wissen wir mit Sicherheit. | |
| Sie wollen also die Berliner_innen aktiv mit einbeziehen? | |
| [3][Im Koalitionsvertrag] ist für alle Bereiche vereinbart, dass die neue | |
| Politik in Kommunikation mit der Stadtgesellschaft stattfindet. Das heißt, | |
| es wird nicht einfach ein 100-Tage-Programm sein, das wir uns in den | |
| Amtsstuben zusammenschreiben. Das wird viel Arbeit, die ich nicht alleine | |
| machen kann. Denen, die sich jetzt über meine Berufung freuen, kann ich nur | |
| sagen: Organisiert lieber die nächsten Proteste, als jetzt lange E-Mails zu | |
| schreiben, wie sehr ihr euch freut, dass ich für diesen Posten ausgewählt | |
| wurde. | |
| 9 Dec 2016 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dinah Riese | |
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