# taz.de -- Staatssekretär für Wohnen in Berlin: Senat mietet Andrej Holm | |
> Keiner hat Berlins Baupolitik so lange und so hart kritisiert wie er. | |
> Holm war Aktivist, Akademiker und im Knast. Nun steht er auf | |
> Regierungsseite. | |
Bild: Nach Jahren auf der Straße jetzt im Senat: Andrej Holm | |
Berlin taz | Seine letzten Blogeinträge hatten noch den Duktus des | |
Aktivisten. „Spekulation mit Grundstücken besteuern“ oder „Die Angst der | |
Wohnungsbaugesellschaften vor der Kontrolle“. Seinen | |
[1][Gentrification-Blog] wird der Stadtsoziologe Andrej Holm wohl nicht | |
fortsetzen können. Seit Donnerstag ist bekannt, dass er Staatssekretär für | |
Wohnen im rot-rot-grünen Senat von Berlin werden soll. Holms Nominierung | |
durch die linke Senatorin für Stadtentwicklung, Katrin Lompscher, ist eine | |
faustdicke Überraschung. | |
Bislang war Holm ein ausgewiesener Kritiker der Berliner Baupolitik, | |
beklagte die Mutlosigkeit des seit Jahrzehnten von der SPD geführten | |
Bauressorts und forderte immer wieder radikale Lösungen etwa im Umgang mit | |
den Berliner Sozialwohnungen, deren Mieter unter den Verfehlungen der | |
sozialdemokratischen Subventionspolitik der Vergangenheit zu leiden haben. | |
Verwaltungserfahrung hat der 46-jährige bislang nicht sammeln können. Seine | |
Berufung ist deshalb in erster Linie eine Botschaft. Wer den bekanntesten | |
Kritiker der Baupolitik in höchste Ämter beruft, meint es ernst mit einer | |
Politik im Interesse der Mieter. | |
Es war wohl der rot-rot-grüne Koalitionsvertrag, der Holm bewogen hat, das | |
für ihn durchaus riskante Angebot anzunehmen. 400.000 Wohnungen sollen in | |
Zukunft den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften gehören, die der Senat | |
stärker als bisher auf soziale Ziele verpflichtet. Die Milieuschutzgebiete | |
sollen ausgeweitet werden, um Luxusmodernisierungen und die Umwandlungen | |
von Miet- in Eigentumswohnungen radikal einzuschränken. Private Bauherren | |
sollen verpflichtet werden, 30 Prozent Sozialwohnungen zu bauen. | |
In den sechswöchigen Verhandlungen haben sich Linke und Grüne weitgehend | |
gegen die SPD durchgesetzt. Da war es nur konsequent von der SPD des | |
Regierenden Bürgermeisters Michael Müller, das Bauressort an die Linke | |
abzugeben. | |
## Holm soll Lieferant sein | |
Die muss nun liefern, und Andrej Holm soll der Lieferant sein. Schafft er | |
es, die Wohnungsbaugesellschaften auf Linie zu bringen und den Mietanstieg | |
in der rasant wachsenden Metropole zu bremsen, wird er gefeiert. Scheitert | |
er, wird er wohl nicht so einfach in die Rolle des Kritikers zurück | |
schlüpfen können. Das ist riskant für Holm, aber auch riskant für die | |
Partei Die Linke. | |
Mutig ist Lompschers Entscheidung aber auch aus einem anderen Grund. | |
Bundesweit bekannt geworden war Holm, als er 2007 wegen des Verdachts der | |
Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verhaftet worden war. | |
Er soll, so die Anschuldigung, Mitglied der so genannten „militanten | |
gruppe“ gewesen sein. Im Laufe der Ermittlungen stellte sich heraus, dass | |
das Verfahren auch politisch motiviert gewesen war. | |
Das Bundeskriminalamt war nämlich im Zuge einer Internetrecherche auf Holm | |
aufmerksam geworden. Weil die „mg“ in ihren Bekennerschreiben nicht selten | |
den Begriff Gentrifizierung benutzte, fiel der Verdacht auf denjenigen, der | |
als Sozialwissenschaftler eben jene Aufwertung und Verdrängung erforschte. | |
## Mit einem Schlag wurde Gentrifizierung zum Modewort | |
Mit einem Schlag war Gentrifizierung zum Modewort geworden. Und Holm stand | |
plötzlich im Rampenlicht. Selbst international prominente Stadtforscher wie | |
Saskia Sassen und Richard Sennett hatten seine [2][Freilassung gefordert]. | |
Im Oktober 2007 wurde der Haftbefehl aufgehoben. Das Verfahren gegen ihn | |
wurde 2010 eingestellt. Bis zuletzt arbeitete Holm am Lehrstuhl für | |
Soziologie an der Berliner Humboldt-Universität. | |
Als Aktivist hatte der in Leipzig geborene Holm unmittelbar nach der Wende | |
in der Betroffenenvertretung im Sanierungsgebiet Helmholtzplatz im Berliner | |
Stadtteil Prenzlauer Berg mitgemischt. Er war aktiv in der Bürgerinitiative | |
„Wir bleiben alle“ und hat auch später als Wissenschaftler immer wieder | |
politische Forderungen gestellt. „Es ist kein Verbrechen, wenn wir den | |
Elfenbeinturm der Theorien verlassen und uns in die Protestbewegungen | |
einmischen“, hat er der taz einmal verraten. | |
Nun also mischt sich Holm in die Politik ein. Mit Argumentieren und | |
Überzeugen alleine wird er keinen Erfolg haben. Das hat einer seiner | |
Vorgänger im Amt, der ehemalige und aktuelle Baustadtrat von Berlin-Mitte, | |
Ephraim Gothe (SPD), bereits erleben müssen. Holm muss sich durchsetzen, | |
wenn es sein muss auch mit Macht. Schafft er es, hätte der | |
Koalitionsvertrag gute Chancen, nicht eines Tages als Papiertiger in den | |
Müll zu wandern. | |
8 Dec 2016 | |
## LINKS | |
[1] https://gentrificationblog.wordpress.com/ | |
[2] https://web.archive.org/web/20070827161519/http://commentisfree.guardian.co… | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
Dinah Riese | |
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