| # taz.de -- Vom Aktivisten zum Politiker: Ein Andrej Holm ist die halbe Miete | |
| > Die Ernennung von Andrej Holm zum Staatssekretär in Berlin ist ein | |
| > Zeichen. Ein Zeichen dafür, wie erfolgreich Politik von unten sein kann. | |
| Bild: Ein schöner Wunsch, den Andrej Holm jetzt umsetzen soll | |
| Noch vor wenigen Wochen moderierte Andrej Holm ein Hearing von 25 | |
| Mieterinitiativen in Kreuzberg, auf dem diese ihre Forderungen an den neuen | |
| rot-rot-grünen Senat präsentierten. Und Mitte September beteiligte er sich | |
| mit seinem Institut der Humboldt-Universität an der Organisation des | |
| zweiten bundesweiten Treffens vom Netzwerk „Mieten und Wohnen“. | |
| Hier trafen traditionelle Mietervereine vor allem aus dem Ruhrgebiet mit | |
| neuen Mieterinitiativen wie „Kotti & Co“ aus Berlin und mit dem aus der | |
| Hausbesetzerbewegung stammenden Freiburger Mietshäuser-Syndikat zusammen. | |
| So weit der Aktivist und Stadtsoziologe Andrej Holm. | |
| Seit Mittwochabend ist nun offiziell bekannt, dass Holm – für viele völlig | |
| überraschend – von der linken Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher | |
| als Staatssekretär für den Bereich Wohnen berufen wird. Dabei ist die | |
| Ernennung von Andrej Holm nur eine weitere personalisierte Anekdote, wie | |
| erfolgreich eine Form von Politik von unten sein kann, die hart und | |
| kompetent in der Sache, aber immer gesprächsbereit mit allen um | |
| Alternativen ringend und möglichst persönliche Polarisierungen vermeidend | |
| agiert. | |
| In diese Reihe gehört auch die Ernennung des ehemals linken Grünen Jan | |
| Kuhnert zu einem der beiden Geschäftsführer der „Wohnraumversorgung Berlin�… | |
| zum 1. November dieses Jahres. Zu dessen Aufgaben gehört laut | |
| Koalitionsvertrag die „Kontrolle der gesellschaftlichen und | |
| mietenpolitischen Ziele“ der sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften. | |
| Formal durchgesetzt wurde dies vor einem Jahr mittels Mietenvolksentscheid. | |
| In gewisser Weise zählt zu dieser Entwicklung auch, dass die recht | |
| basisverbundene Katrin Lompscher – und nicht ein Technokrat – Senatorin für | |
| Bauen und Wohnen wurde. Und nach der innerparteilichen Aufwertung der | |
| grünen mietenpolitischen Sprecherin Katrin Schmidberger in Kreuzberg wartet | |
| dort unter anderem das Dragoner-Areal darauf, ein Modellprojekt für 100 | |
| Prozent sozialen Wohnungsbau zu werden. | |
| Natürlich ist diese Politik, die namentlich von „Kotti & Co“ und deren | |
| Umfeld betrieben wird, unter den vielfältigen Mieterinitiativen nicht | |
| unumstritten. Schon der Kompromiss beim Mietenvolksentscheid war hart | |
| umkämpft. Und wie in allen Basisbewegungen gibt es jene | |
| „fundamentalistischen Flügel“, die jede Beteiligung „an der Macht“, ga… | |
| Form von Jobs, ablehnen und hinter allem Verrat an der „guten Sache“ | |
| wittern. Doch inzwischen – nicht nur nach Ansicht von „Kotti & Co“ formie… | |
| sich „Macht und Herrschaft“ ganz anders, viel flüssiger, und bedarf | |
| deswegen auch ganz anderer Antworten. | |
| Vor wenigen Tagen veröffentlichte „Kotti & Co“ einen langen Text über den | |
| Koalitionsvertrag als das „halbvolle Glas im Winter 2016“. Die eigene | |
| Beteiligung daran eingestehend sinniert man darüber, dass „wir vor fünf | |
| Jahren beim Beginn unserer Proteste gegen die hohen Mieten im sozialen | |
| Wohnungsbau nie im Leben daran dachten, uns eines Tages mit so bizarren | |
| Dingen wie Satzstrukturen und Einzelformulierungen in einem | |
| Koalitionsvertrag beschäftigen“. | |
| Doch jetzt sitzt das „Kompetenz-Zentrum Kottbusser Tor“, wie es spöttisch | |
| von einigen Mitarbeitern der Senatsverwaltung genannt wird, auch auf der | |
| anderen Seite des Tischs. Und darauf liegen die Aufgaben. Erwähnt sei hier | |
| nur als Beispiel die Rekommunalisierung des sozialen Wohnungsbaus und deren | |
| Überführung in selbst verwaltete Mietergenossenschaften – egal ob am | |
| Kottbusser Tor oder im Falkenhagener Feld in Spandau. | |
| ## Holm auf der anderen Seite | |
| Aus der Geschichte kennt man genügend Beispiele, wie sozialrevolutionäre | |
| Ansätze „an der Macht“ zwischen den Ansprüchen der Bewegungen von unten u… | |
| dem Beharrungsvermögen der Verwaltung zerrieben wurden. Jede Regierung | |
| brauche Druck, schreiben die Aktivist*innen von „Kotti & Co.“ „Das wird | |
| auch mit der ersten rot-rot-grünen Regierung in Berlin so sein.“ | |
| Doch für das Zusammenspiel der verschiedenen Akteure ist es ein riesiger | |
| Unterschied, wenn auf der anderen Seite des Tischs ein Andrej Holm sitzt. | |
| Mit dem man seit Jahren gemeinsam auf der Straße und bei Konferenzen | |
| Politik zugunsten der Mieter*innen in Berlin gemacht hat. | |
| Der Autor: Christoph Villinger, 54, wohnt nahe dem Kottbusser Tor und würde | |
| gern seine Nachbarn behalten. Daher engagierte er sich beim | |
| Mietenvolksentscheid und bei „Kotti & Co“. Der Journalist schreibt | |
| regelmäßig für die taz. | |
| 8 Dec 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Christoph Villinger | |
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