# taz.de -- Grüne in Kreuzberg: Einzelkämpfer tritt ab | |
> In Friedrichshain-Kreuzberg wird ein neues Bezirksamt gewählt. Ihren | |
> alten Baustadtrat Hans Panhoff wollen die Grünen nicht mehr dabeihaben. | |
> Eine Bilanz. | |
Bild: Hans Panhoff auf einer Pressekonferenz im Sommer 2014. | |
Abgerechnet wird zum Schluss. Was das angeht, war Hans Panhoff weitsichtig. | |
Im Juni 2014 hatte er als Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg bei der | |
Polizei einen Räumungsantrag für die besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule | |
gestellt. Das war ein Tabubruch. Ein Grüner macht so was nicht, erst recht | |
kein Kreuzberger Grüner. „Aus dem Amt werden sie mich jetzt zwar nicht | |
holen“, hatte Panhoff in jenem Sommer zur taz gesagt. „Aber in zwei Jahren | |
könnte es heißen: „Der Panhoff hat zu viel Porzellan zerdeppert.“ | |
Am Donnerstag wählt die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von | |
Friedrichshain-Kreuzberg ein neues Bezirksamt. Hans Panhoff ist nicht mehr | |
dabei. Fünf Jahre war der 58-Jährige Baustadtrat. Gern hätte er | |
weitergemacht, aber die Bezirksgremien der Grünen haben ihm signalisiert, | |
dass er nicht mehr erwünscht ist. „Ich nehme es, wie es ist“, sagt Panhoff | |
bei einem Telefonat. Es klingt bitter. | |
Grüne, SPD und Linke bilden in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg eine | |
Zählgemeinschaft. Die Grünen haben die Mehrheit. Sie stellen zwei Stadträte | |
und mit Monika Herrmann die Bürgermeisterin. Baustadtrat in dem Bezirk zu | |
sein, ist in der Berliner Politik wohl so mit der schwierigste Job. | |
Freudenbergareal, Dragonerareal, Landwehrkanal, Friedrichshain-West, | |
Görlitzer Park – im Bezirk wimmelt es nur so von Konfliktfeldern. Dazu | |
kommt: Die Friedrichshain-Kreuzberger sind ein ausgesprochen engagiertes, | |
debattierfreudiges Völkchen. Es gibt unzählige kampfbereite Initiativen, | |
die auch in der BVV Druck machen, wenn die Dinge nicht so laufen, wie sie | |
wollen. | |
Mittendrin in dieser Gemengelage befindet sich der Baustadtrat. Er soll | |
Bezirksamtspositionen vertreten, ist an Recht und Gesetz gebunden und muss | |
Kompromisse finden, mit denen alle leben können. An unzähligen Runden | |
Tischen und Anwohnerforen habe er teilgenommen, sagt Panhoff. „Ich stand | |
mitten im Feuer.“ Oft habe er sich als Einzelkämpfer gefühlt. „Ich war me… | |
oder weniger allein.“ Von den Grünen und der BVV hätte er sich mehr | |
Unterstützung gewünscht. | |
Die Unzufriedenheit mit Panhoff ist zählgemeinschaftsübergreifend. „Aber | |
wir hätten ihn nicht aktiv verhindert“, sagt Andy Hehmke, designierter | |
SPD-Stadtrat für Wirtschaft. „Wir hätten ihn nicht wiedergewählt“, sagt | |
Oliver Nöll, stellvertretender Fraktionschef der Linken. | |
Von den Grünen will sich offiziell niemand zu der Personalie Panhoff | |
äußern. Inoffiziell heißt es: Panhoff sei ein guter Fachmann, aber im | |
Umgang mit den Initiativen habe er versagt. Geduld und Fingerspitzengefühl | |
hätten ihm gefehlt. Viele Bürger hätten sich von ihm nicht mitgenommen | |
gefühlt. „Damit hat er uns viel Ärger eingehandelt“, so ein Grüner. | |
Als Eigenbrödler, der die Dinge in seinem Büro austüftelte, statt | |
gemeinschaftliche Wege zu gehen, wird Panhoff beschrieben. In letzter Zeit | |
habe er zudem amtsmüde gewirkt. „Er war nicht mehr so ambitioniert“, sagt | |
ein Grüner. | |
Panhoff kommt aus Karlsruhe. An der TU Berlin hat er Stadt- und | |
Regionalplanung studiert. Bis heute wohnt er in dem Haus, das er 1981 in | |
Kreuzberg mitbesetzt hat. Seit 1996 ist er bei den Grünen. Vom Wesen war | |
der Mann nie ein Emotionsfeuerwerk. Dass er im letzten Jahr stark an | |
Gewicht verloren hat, führte zu Spekulationen über seinen | |
Gesundheitszustand. Aber amtsmüde? Davon war nichts zu spüren, als Panhoff | |
die Presse im Oktober durch den Görlitzer Park führte. Aufgeräumt, | |
bisweilen sogar witzig präsentierte er die Neuerungen für die | |
problembehaftete Grünanlage. | |
Ein Jahr hatte eine von Panhoff ins Leben gerufene Arbeitsgruppe – | |
bestehend aus Anwohnern, Projekten und Verwaltungsleuten – ein | |
Handlungskonzept für den Görli ausgearbeitet. „Er hat uns dabei absolut | |
freie Hand gelassen“, ist Anwohner Lorenz Rollhäuser voll des Lobes über | |
den Baustadtrat. Der Chef des Grünflächenamtes, Axel Koller, bekennt mit | |
Blick auf das eigene Mitwirken in der Arbeitsgruppe: „Herr Panhoff musste | |
mich zum Jagen tragen.“ Er sei ihm dankbar dafür, denn das Ergebnis sei | |
überzeugend. Zu dem Pressetermin im Görlitzer Park habe Monika Herrmann | |
Panhoff dann aber überreden müssen, erzählt ein Grüner. „Hans ist ein | |
lausiger Kommunikator. Er hat große Probleme, seine Erfolge darzustellen.“ | |
Er wisse um seine Schwächen, sagt Panhoff zur taz. Aber auch da hätte er | |
sich einen solidarischeren Umgang gewünscht. „Ich hätte einen Coach nehmen | |
können. Deswegen muss man einen doch nicht aus dem Amt drängen.“ | |
Allein: Das war Panhoff auch in der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule. | |
Über ein Jahr lang ging er Woche für Woche auf das Plenum und diskutierte | |
mit den 250 Flüchtlingen über einen freiwilligen Auszug. „Er war der | |
Einzige vom Bezirksamt, der dort Gesicht gezeigt hat“, konstatiert der | |
Anwohner Rollhäuser. | |
Auch am 30. Juni 2014, als die meisten Afrikaner die Schule bereits | |
verlassen hatten, duckte sich Panhoff nicht weg. Eine Gruppe Flüchtlinge | |
hatte das Dach besetzt. Für den Fall ihrer Räumung drohten sie, sich vom | |
Dach zu stürzen. Aber die Verhandlungen stagnierten. Dazu kam: Der | |
Polizeipräsident drohte mit dem Abzug der Uniformierten, die seit Tagen die | |
Schule weiträumig abgesperrt hatten. Die Folge: Die Schule wäre sofort neu | |
besetzt worden. Das war die Situation, in der Panhoff den Räumungsantrag | |
gestellt hatte. Sein Kalkül, die Dachbesetzer damit zu ernsthaften | |
Verhandlungen zu bewegen, ging auf. | |
Bis heute gehen die Meinungen über den Alleingang weit auseinander. Panhoff | |
habe für die Bürgermeisterin Herrmann die Kohlen aus dem Feuer geholt, | |
sagen die einen. Andere werfen ihm vor, Tote in Kauf genommen zu haben. | |
Unter Kreuzberger Grünen ist Letzteres weit verbreitet. Am Ende war dies | |
nur einer der Gründe, warum Panhoff in Ungnade gefallen ist. | |
13 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
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