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# taz.de -- Bezahlbares Wohnen in Deutschland: Billig geht nur in Pirmasens
> Immer weniger jüngere Leute leisten sich ein Eigenheim. Wer eine Familie
> gründet, will im teuren Ballungszentrum bleiben.
Bild: Ziehen hier wieder nur Wohlhabende ein? Neubau in Köln
BERLIN taz | Die grüne Tabelle ist schon beeindruckend. Pirmasens,
Frankenthal, Speyer, Delmenhorst, Cottbus und andere Städte sind dort
aufgelistet – Städte, in denen man sich theoretisch auch als
Hartz-IV-Empfänger ein Reihenhaus oder eine Eigentumswohnung leisten
könnte. Weil die Preise dort so niedrig sind, dass man mit den aktuell
niedrigen Zinskosten auf eine monatliche Belastung käme, die niedriger läge
als die Mietkosten, die das Jobcenter übernimmt.
In Pirmasens zum Beispiel kostet ein älteres Reihenhaus mit 85 Quadratmeter
Wohnfläche rund 60.000 Euro, in Cottbus 85.000 Euro. Die Sozialforscher des
Pestel-Instituts in Hannover errechneten, dass die Finanzierung des
Reihenhauses in Pirmasens alljährlich nur mit 3.317 Euro zu Buche schlüge.
Demgegenüber kostet eine gleich große Mietwohnung in Pirmasens 3.631 Euro
pro Jahr, wäre also etwas teurer.
Der Abgleich von Miet- und Eigentumspreisen in wirtschaftlich schwachen
Städten stammt aus einer neuen Studie des Pestel-Instituts. In Wirklichkeit
würde ein Jobcenter die Anschaffung einer Eigentumswohnung oder eines
Reihenhauses nicht finanzieren, und sei der Kredit auch noch so billig. Bei
Eigenheimbesitzern übernimmt das Jobcenter nur die Darlehenszinsen und
andere Nebenkosten, aber keine Tilgung.
## Eigentumsquote sinkt um zehn Prozent
Dort, wo jeder hin will, herrschen ganz andere Preise. In München kostet
ein kleines Reihenhaus gut über eine halbe Million Euro. Immer weniger
jüngere Leute erwerben eine Immobilie. „Die Eigentumsquote der 30- bis
40-Jährigen ist in den vergangenen fünfzehn Jahren um mehr als zehn Prozent
zurückgegangen. Dabei gehörten gerade die Jobstarter und Familiengründer
zur typischen Klientel für Wohnungskauf und Hausbau“, sagte Matthias Zeeb
vom Pestel-Institut, das die Studie im Auftrag von Bauindustrie- und
Immobilienverbänden erstellte, am Montag.
Die Wohneigentumsquote liegt in Deutschland nur bei 43 Prozent. Der Anteil
der Eigenheimbesitzer in Europa ist nur in der Schweiz und in Schweden noch
geringer. Von den fertiggestellten 216.000 Wohnungen im Jahre 2015 waren
allerdings 68 Prozent Eigentumsimmobilien. Die meisten Wohnungssuchenden
können sich diese Neubauten nicht leisten.
Dass die Preise in den Ballungszentren explodieren, das liegt auch am
Umzugsverhalten der Bundesbürger. Zum einen studieren heute mehr jüngere
Leute als früher und ziehen daher vermehrt in die beliebten
Universitätsstädte. Auch arbeiten heute meist beide Eltern, da sollen die
Wege zur Arbeit und zur Kita kurz sein. Pendeln ist teurer geworden wegen
der Benzinpreise. „Heute verbleiben die jungen Familien zunehmend in den
Städten“, heißt es in der Studie dazu.
Mietwohnungen in den Ballungszentren sind heiß begehrt. Stefan Thurn,
Präsident des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB), forderte
daher auf der Fachmesse BAU in München am Montag ein „Akut-Paket
Wohnungsbau 2017“. Dieses müsse deutlich bessere Steueranreize bieten. Vor
allem die Erhöhung der steuerlichen Abschreibung der Neubauten von zwei auf
drei Prozent sei überfällig. Für Ballungsräume müsse es zusätzlich eine
Sonderabschreibung geben. Zudem sei ein „Neustart“ des sozialen
Wohnungsbaus dringend nötig.
Wie mühsam das ist, zeigen die Anstrengungen in den Bundesländern. Nach
jahrelangem drastischem Schwund im Bestand kurbelt beispielsweise
Nordrhein-Westfalen den sozialen Wohnungsbau wieder an. Mit über 11.000
geförderten Wohnungen wurden 2016 die Werte der Vorjahre nach Angaben von
Landesbauminister Michael Groschek (SPD) deutlich übertroffen.
Allerdings können die Lücken nicht vollständig geschlossen werden.
Hunderttausende Wohnungen seien inzwischen aus der Sozialbindung gefallen,
berichtete Groschek am Montag in Düsseldorf. 2015 habe NRW noch knapp
476.000 Sozialwohnungen im Bestand gehabt. Im Vergleich zum Höchststand,
1979 ist das weniger als ein Drittel von einst über 1,6 Millionen
Sozialwohnungen.
Ein Vorstoß von Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD), Abschreibungen
beim Mietwohnungsneubau zu erleichtern, ist im vergangenen Jahr
gescheitert. Auch die Idee von Hendricks, Eigenheimbau mehr zu fördern,
liegt brach. Die SPD verspricht im kommenden Wahlkampf vor allem einen
besseren Mieterschutz und Entlastung bei den Nebenkosten beim Erwerb einer
Immobilie.
16 Jan 2017
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
## TAGS
Mieten
Sozialer Wohnungsbau
Immobilienspekulation
Kolumne Cash & Crash
Bildung
Barbara Hendricks
Koalitionsverhandlungen
Mieten
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