| # taz.de -- Studieren an der Elite-Uni ETH in Zürich: Muss so viel Luxus sein? | |
| > Die Schweizer Elite-Uni ETH Zürich erhöht die Gebühren um 30 Prozent. | |
| > Nicht alle Studierenden können zahlen – am wenigsten die aus dem Ausland. | |
| Bild: Vor dem Professor sind alle Menschen gleich? | |
| Genf taz | Darf die Ausbildung an Universitäten etwas kosten? In der | |
| Schweiz sorgt diese Frage immer wieder für öffentliche Auseinandersetzungen | |
| oder ist gar Thema von Volksabstimmungen. Sämtliche öffentliche wie private | |
| Universitäten, Fachhochschulen und andere Einrichtungen der höheren Bildung | |
| in der Alpenrepublik erheben – zum Teil saftige – Studiengebühren. | |
| An der Eidgenössisch Technischen Hochschule (ETH) Zürich und ihrer | |
| Schwesteruniversität, der ETH im französischsprachigen Lausanne | |
| demonstrierten die StudentInnen vergangene Woche gegen die geplante | |
| Erhöhung der Gebühren um 30 Prozent. Statt bislang 1.160 Schweizer Franken | |
| (CHF) – nach derzeitigem Wechselkurs rund 1.000 Euro – jährlich soll das | |
| Studium an den beiden eidgenössischen Eliteunis ab 2018 1.660 Franken | |
| kosten – mehr als 400 Euro mehr als bisher und damit weit über dem | |
| Landesschnitt. Und das ist für einige Studierende ein Problem. | |
| Der 20-jährige Jakob Stauffer, Biologiestudent im dritten Semester, „kann | |
| die zusätzlichen 500 Franken auf keinen Fall aufbringen“, wie er sagt. | |
| Zumal zu den jährlich fälligen Studiengebühren noch zahlreiche indirekte, | |
| versteckte Kosten kommen. Zum Beispiel Prüfungsgebühren sowie Ausgaben für | |
| obligatorische Praktika, Austauschsemester und Exkursionen sowie für | |
| Lehrmittel. | |
| Sollte die vom ETH-Rat, dem Aufsichtsgremium der beiden Unis, angekündigte | |
| Erhöhung tatsächlich kommen, fürchtet Stauffer, dass er „das Studium | |
| abbrechen oder zumindest unterbrechen und erst einmal Geld für die nächsten | |
| Studienjahre verdienen“ muss. Schon jetzt jobbt Stauffer neben dem sehr | |
| lernaufwendigen Biologiestudium als Fahrradkurier, um seinen | |
| Lebensunterhalt zu verdienen. Anders als seine KommilitonInnen aus besser | |
| betuchten Elternhäusern kann der Sohn einer verwitweten Mutter, die als | |
| Kassiererin in einem Supermarkt nur einen kargen Lohn bezieht, nicht mit | |
| finanzieller Unterstützung von zu Hause rechnen. | |
| ## Zusätzliche Gebühren für Studierende aus dem Ausland | |
| Bereits im Jahr 2012 ergab eine Umfrage des Verbandes der Schweizer | |
| Studierendenschaften (VSS), an der über 5.000 StudentInnen der ETH Zürich | |
| teilnahmen, dass die ETH bei einer Erhöhung der Studiengebühren auf 1.500 | |
| Franken jährlich rund 20 Prozent ihrer StudentInnen verlieren würde. | |
| VSS-Präsident Lukas Reichard, der ebenfalls an der ETH studiert, geht davon | |
| aus, „dass die geplante Erhöhung ausländische Studentinnen und Studenten | |
| besonders stark treffen würde“. | |
| Die Lebenshaltungskosten waren in der Schweiz schon immer deutlich höher | |
| als im übrigen Europa oder in Übersee. Und Zürich nimmt innerhalb der | |
| Schweiz eine Spitzenstellung ein. Zudem gibt es an vielen | |
| Hochschulstandorten inzwischen Pläne, Studierende aus dem Ausland noch mit | |
| zusätzlichen Gebühren zu belasten. Auf der anderen Seite scheiterte im Jahr | |
| 2013 im Kanton Zürich eine Volksinitiative mit dem Ziel, Schweizer | |
| StaatsbürgerInnen mit Erstwohnsitz in dem Kanton gänzlich von | |
| Studiengebühren zu befreien. | |
| Bereits 2009 mussten Studierende in der Schweiz laut einer landesweiten | |
| Untersuchung über ihre wirtschaftliche und soziale Lage im Durchschnitt | |
| 1.870 Franken monatlich aufbringen für Unterkunft, Essen, | |
| Krankenversicherung und Studiengebühren – umgerechnet rund 1.600 Euro. | |
| Infolge der allgemeinen Teuerung dürften diese monatlichen Kosten | |
| inzwischen bei fast 2.000 Franken liegen. | |
| VSS-Präsident Reichard befürchtet, dass durch eine weitere Anhebung der | |
| Studiengebühren an den beiden ETHs die „soziale Spreizung weiter | |
| verschärft“ und finanziell Schwächeren der Zugang zu universitärer | |
| Ausbildung erschwert werden. Denn bislang nehmen Studiengebühren nur einen | |
| sehr kleinen Anteil des Gesamtbudgets der Schweizer Hochschulen ein – an | |
| den Universitäten Basel und Bern zum Beispiel nur 3 beziehungsweise 5 | |
| Prozent. Die öffentlichen Zuschüsse sinken jedoch, und dies – so die | |
| Befürchtung – wollen die Unis nun über steigende Studiengebühren | |
| kompensieren. | |
| ## Verheerendes Beispiel Großbritannien | |
| In einem von der landesweiten Delegiertenkonferenz des VSS im November 2013 | |
| verabschiedeten Positionspapier verweist der Verband auf das „verheerende | |
| Beispiel Großbritannien“, wo „infolge der drastischen Erhöhung der | |
| Studiengebühren im Jahre 2012 nachweislich Kinder aus | |
| Nicht-AkademikerInnenfamilien von einem Studium abgehalten werden“. | |
| Doch der ETH-Rat zeigt sich von sämtlichen Einwänden unbeeindruckt. Zum | |
| letzten Mal seien die Gebühren „vor 20 Jahren richtig erhöht worden“, im | |
| Jahr 2004 hingegen sei „lediglich eine Anpassung im Rahmen der Teuerung | |
| erfolgt“. | |
| Der VSS lehnt Studiengebühren grundsätzlich ab. In seinem Positionspapier | |
| aus dem Jahr 2013 fordert der Verband „ein Bildungssystem, das allen | |
| Personen unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten vollständig | |
| zugänglich ist“. Der VSS kann sich dabei auf einen Beschluss der Schweizer | |
| Regierung (Bundesrat) zu ihrer Bildungspolitik für die Jahre 2013–2016 | |
| berufen. Darin heißt es: „Ziel ist die Sicherstellung einer Bildung von | |
| hoher Qualität, die es allen ermöglicht, ihr Begabungspotenzial voll | |
| auszuschöpfen und die Fähigkeit zu entwickeln, eigenständig zu handeln und | |
| sich lebenslang weiter zu qualifizieren.“ | |
| Doch tatsächlich betreiben der Bundesrat, der für die beiden ETHS in Zürich | |
| und Lausanne zuständig ist, wie auch die Regierungen fast aller 26 | |
| Schweizer Kantone seit Jahren eine Politik, die dieser Zielsetzung | |
| entgegensteht. Die öffentlichen Ausgaben für Bildungseinrichtungen und für | |
| die Ausbildungsförderung sozial und finanziell Schwächerer werden fast | |
| überall gekürzt. | |
| Studiengebühren und ihre Erhöhung, kritisiert der VSS, seien Instrumente, | |
| um „die öffentliche höhere Bildung in der Schweiz schrittweise zu | |
| liberalisieren, zu privatisieren und einen Bildungsmarkt zu schaffen“. | |
| 22 Nov 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Zumach | |
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