# taz.de -- Kulturstaatsminister Wolfram Weimer: Kulturkampf statt Kulturpolitik | |
> Der Publizist Wolfram Weimer soll Kulturstaatsminister werden. Er | |
> irritiert mit identitären Positionen. Mit Interesse für Kulturpolitik | |
> fiel er dagegen nicht auf. | |
Bild: Der designierte Kanzler Friedrich Merz und sein Kulturstaatsminister in s… | |
Ob Wolfram Weimer, der designierte Kulturstaatsminister im Kabinett | |
Friedrich Merz, bereit sein wird, sich in die Gemengelagen unserer jede für | |
sich komplizierten kulturellen Institutionen einzuarbeiten? | |
[1][Filmförderung], [2][Preußischer Kulturbesitz], Restitution, an jeder | |
einzelnen solcher Baustellen haben sich schon Experten die Zähne | |
ausgebissen. Einarbeiten jedenfalls müsste Weimer sich. Bislang ist nicht | |
bekannt, dass er sich sonderlich für Kulturpolitik interessiert hätte. | |
Dafür hat er eine schillernde Journalistenkarriere hingelegt. FAZ, Welt, | |
Cicero, Focus, inzwischen verlegt er mit der Weimer Media Group einen | |
Haufen zusammengewürfelter Magazine. Wer sich ein paar seiner Artikel | |
durchliest, kann dabei schon mal spekulieren, dass der 60-Jährige fehlende | |
Expertise durch Variationen von Sonntagsreden kompensieren zu können | |
glaubt. | |
Von dem Sound, der dabei droht, kann man sich im Vorwort seines Buches „Das | |
konservative Manifest“ von 2018 womöglich einen Eindruck verschaffen. Darin | |
ist von der „Substanzlosigkeit einer Jahrmarktgesellschaft“ die Rede, von | |
der „wilden Raserei der Globalisierung“, davon, dass „wesentliche | |
Bedürfnisse der Menschen nach Identität, Sinn und Geborgenheit“ nicht | |
erfüllt werden. Dagegen setzt Weimer eine „kritische Neu-Verortung von | |
alten Werten“ – wobei er das angeblich Kritische daran nicht weiter | |
ausführt und vielmehr letztlich selbst substanzlos die Substanzlosigkeit | |
der Gegenwart beklagt. Weimer: „So entsteht ein Manufaktum des Geistes, bei | |
dem gilt: Es gibt sie noch, die guten, alten Dinge.“ | |
Moment. Manufaktum? Traditionen und Werte in Warenform? Und das soll | |
konservativ sein? Was Weimer in dem Buch mit vielen Prunkzitaten und | |
angerissenen Gedanken der Gegenwart entgegenhält, ist die alte Leier der | |
Modernekritik: Heimat, Familie, Werte, Glaube. Die Fragen, was das genau | |
heißen soll und wie es sich zu solchen Begriffen wie Freiheit, Aufklärung | |
und Emanzipation verhält, belässt er im Vagen. Das Phänomen, dass Kultur | |
eben keineswegs Herstellung von Identität, sondern immer auch Reibung an | |
Identität und ihre Hinterfragung bedeutet, lässt er ganz aus. | |
## Neurechte Lehre von sogenannten Kulturkreisen | |
Schlimm wird es im fünften Kapitel, das sich an die Lehre von sogenannten | |
Kulturkreisen so anschließt, wie sie auch in neurechten Kreisen vertreten | |
wird. Die abendländische, jüdisch-christliche Werte- und | |
Traditionsgemeinschaft des Westens sieht Weimer, irgendwie mit Novalis, „im | |
Kontrast zum islamisch geprägten Orient oder Morgenland“. Kein Hinweis auf | |
die fruchtbaren Wechselbeziehungen zwischen Kulturen und auch nicht auf | |
Europa als politisches Projekt. | |
Letztlich wird kulturelle Identität hier als festgelegt gesetzt und auf | |
Abstammung reduziert. Womöglich gab es von Merz die Spekulation, mit Weimer | |
Positionen der AfD für konservative Kreise zurückerobern zu können. Aber | |
tatsächlich sind die Grenzen fließend. Von Brandmauer keine Spur. In einer | |
Cicero-Kolumne hat Weimer auch schon von den angeblich „masochistischen | |
Zügen des Multikulturalismus“ geschrieben. | |
Droht also jetzt ein rechter Kulturkampf von der Spitze des | |
Kulturstaatsministeriums aus? Es spricht tatsächlich viel dafür, dass | |
Weimer geholt wird, um es den Linken, den „Gutmenschen-Bevormundern und | |
moralischen Besserwissern“, wie er im Vorwort zu seinem Buch formuliert, zu | |
zeigen. Avancierte, emanzipative und popkulturelle Ansätze müssen sich auf | |
Gegenwind einstellen. Unbehaglich werden dürfte es aber auch wirklich | |
konservativen Kulturmenschen. Denn das wird kein Kulturkampf mit validen | |
Argumenten werden, sondern einer gegen Popanze und mit Floskeln – und diese | |
Floskeln verstecken schiere Machtfragen. Ausgerechnet die CDU wird sich | |
jetzt fragen lassen müssen, ob sie das tatsächlich für „bürgerlich“ hä… | |
und es für sinnvoll erachtet, in der Krise der Demokratie mit so | |
fragwürdigen wie autoritären Kulturkonzepten zu agieren. | |
28 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Dirk Knipphals | |
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