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# taz.de -- Ende Gelände über Verfassungsschutz: „Das ist ein krasser Zusta…
> Der Verfassungsschutz stuft Ende Gelände als linksextremen Verdachtsfall
> ein. Die Sprecherin der Organisation, Jule Fink, kritisiert die
> Entscheidung.
Bild: Protestaktion gegen den Abriss des Dorfes Lützerath im Rheinischen Braun…
wochentaz: Jule Fink, fühlen Sie sich überwacht?
Jule Fink: Es ist schon gruselig, dass der Verfassungsschutz jetzt das
Recht hat, uns zu überwachen und verdeckte Ermittler*innen in unsere
Gruppen einzuschleusen. Die Menschen, die sich fernab der Großstädte in
kleinen Ortsgruppen engagieren, sind oft die einzigen in ihrer Region, die
sich für Klimaschutz und gegen rechts einsetzen. Dass die sich jetzt genau
angucken müssen, wer da eigentlich zu ihren Treffen kommt, macht uns
wütend.
[1][Ende Gelände] wurde vor allem durch Aktionen und Blockaden in
Braunkohlerevieren bekannt. Hat [2][die Einstufung als linksextremer
Verdachtsfall] im aktuellen Verfassungsschutzbericht Sie überrascht?
Die Berliner Ortsgruppe wird schon [3][seit 2020 als Verdachtsfall
geführt], von daher: nicht besonders. Wir wussten natürlich, dass der
Verfassungsschutz ein rechter Inlandsgeheimdienst ist, der sich
beschönigend „Verfassungsschutz“ nennt. Die Vertuschung der NSU-Morde, der
jahrelange Vorsitz von Hans-Georg Maaßen, das ist ja genau so bekannt wie
die Tatsache, dass die Behörde lieber linken Aktivist*innen
hinterherschnüffelt, als sich um die Wahrung der Grundrechte zu kümmern.
Trotzdem ist es ein Skandal.
Ist Ende Gelände linksradikal?
Wir verstehen uns als antikapitalistische, antifaschistische,
feministische und antikoloniale Gruppe. Das kann man als linksradikal
bezeichnen. Wir sind basisdemokratisch, viele Treffen sind offen. Uns als
extremistisch darzustellen, ist einer Demokratie unwürdig. Es ist
besorgniserregend, wie die Klimabewegung zunehmend kriminalisiert wird.
Ist der Verfassungsschutz nicht etwas spät dran? Der Höhepunkt von Ende
Gelände ist doch vorbei.
Das würde ich so nicht sagen. Ende Gelände hat sich in den vergangenen
Monaten umstrukturiert. Wir haben viele regionale Strukturen aufgebaut und
machen nicht mehr eine Massenaktion pro Jahr, sondern mehrere. Insofern
sind wir flexibler und unberechenbarer geworden. Aber ich kenne die
Kriterien des Verfassungsschutzes nicht. Wenn ich mir den Bericht
durchlese, scheinen sie mir sehr fragwürdig.
Was war der Auslöser für den Umstrukturierungsprozess?
Wir haben festgestellt, dass eine Massenaktion mit rund 6.000 Menschen,
[4][wie im Jahr 2019], eine starke Protestform ist, um die Aufmerksamkeit
auf einen Ort der fossilen Zerstörung zu lenken, wie die Kohletagebaue im
Rheinland. Es bedeutet aber auch einen enormen Organisierungsaufwand und
ist relativ vorhersehbar. Wir wollten uns in die Lage versetzen, flexibler
zu intervenieren. Auch als klar wurde, in welchem Maße Deutschland gerade
mit den LNG-Terminals für Flüssiggas neue fossile Infrastruktur ausbaut.
Was ist dieses Jahr noch geplant?
Wir bringen uns dieses Wochenende bei den Protesten gegen den AfD-Parteitag
in Essen unter dem Motto „Widersetzen“ ein, außerdem gibt es im August
wieder ein „System Change Camp“. Das wird dieses Mal in Thüringen
stattfinden, wir werden uns dort sicher auch viel mit Strategien gegen
rechts beschäftigen. Wie vielen in der Klimabewegung ist es uns ein
Anliegen, die Bereiche Verkehrswende und Mobilität zu thematisieren, weil
es da so große Versäumnisse gibt. Ansonsten wollen wir uns weiter [5][auf
den krassen LNG-Ausbau konzentrieren] und auch Kohle als Thema beibehalten.
Am „System Change Camp“, also dem jährlich stattfindenden Klimacamp von
Ende Gelände, stört sich der Verfassungsschutz in seinem Bericht besonders.
Auf den Camps veranstalten wir unter anderem Workshops zu den Themen
Antikolonialismus, Klimagerechtigkeit oder der Notwendigkeit eines anderen
Wirtschaftssystems. Das jetzt so darzustellen, als wäre es gegen die
Verfassung, ist absurd. Die Verfassung schützt nicht kapitalistische
Profite, sondern Grundrechte.
Das Bundesamt behauptet, linksextreme Gruppen nutzten Klimaproteste als
Zugang ins bürgerliche Spektrum. Was entgegnen Sie?
Das klingt wie eine absurde Verschwörungstheorie. Dass Klimagerechtigkeit
im Kapitalismus nicht möglich ist, hat der Club of Rome schon in den 80ern
festgestellt, es ist keine extreme Position. Diejenigen Kräfte im Staat,
die die Interessen fossiler Konzerne schützen wollen, propagieren oft
vereinfachende Konzepte wie grünen Wasserstoff oder E-Autos als Lösung. Wir
müssen aber grundsätzliche Fragen stellen, etwa nach Wachstum und
planetaren Grenzen. Dafür gibt es auch Rückhalt in bürgerlichen
Gesellschaftsschichten.
Die Behörde darf Sie jetzt mit geheimdienstlichen Methoden überwachen, etwa
die Kommunikation auslesen. Wie sehr schränkt Sie das in Ihrer Arbeit ein?
Das sind Repressionen, die uns unter Druck setzen und in unserer Arbeit
behindern sollen. Natürlich erhöhen sie den Druck. Für uns ist aber klar,
dass wir weitermachen und einen Umgang damit finden werden. Wir müssen uns
mit sichereren Kommunikationskanälen auseinandersetzen und uns genau
anschauen, wer was von uns wissen möchte.
Bedeutet es, dass Ihre Arbeitsweise konspirativer wird?
Nicht unbedingt. Aber es ist ein riesiges Problem, dass ziviles Engagement
auf diese Art kriminalisiert wird. Vor allem in einer Zeit, in der wir
einen Rechtsruck erleben. Viele Menschen wollen sich engagieren und die
Bundesregierung ermutigt sie sogar dazu. Aber in unserem Fall ist es
unerwünscht und wird mit Repression beantwortet.
Aber die Proteste gegen rechts nützen auch der Klimabewegung.
Wir als Klimabewegung brauchen dieses Aufstehen gegen rechts und bringen
uns ja auch stark ein. Gleichzeitig nutzen die Parteien und Gruppen, die im
Interesse der fossilen Industrie handeln, jeden Moment, um die Bewegung
weiter zu kriminalisieren. Das sieht man auch an den Ermittlungen gegen die
Letzte Generation oder an der Art, wie über die Proteste in Lützerath
gesprochen wurde.
Bringt die Beobachtung durch den Verfassungsschutz die Klimabewegung, in
der es ja ziemliche Differenzen gibt, [6][wieder ein Stück weit näher
zusammen]?
Wir stehen auf jeden Fall solidarisch zueinander. Viele Aktivist*innen
müssen sich jahrelang mit Verfahren gegen sie herumschlagen. Die Letzte
Generation bietet Trainings an, wie man sich im Gefängnis verhält. Konzerne
wie die Braunkohlegesellschaft Mibrag schrecken auch nicht davor zurück,
Journalist*innen und Pressesprecher*innen anzuzeigen, die die
Proteste dokumentieren. Wenn dann auch noch Druck von staatlicher Seite
kommt, ist das schon ein krasser Zustand.
Muss die Klimabewegung gemocht werden, um erfolgreich zu sein?
Es bringt uns in gewissen Kreisen vielleicht Anerkennung, dass das rechte
Bundesamt für Verfassungsschutz uns für unsere Vision auszeichnet. Aber
unser Kampf für Veränderung gilt für die ganze Gesellschaft. Wir wollen
alle einladen und mitnehmen, die Gesellschaft hin zu einer besseren zu
gestalten – und wir wollen auf jeden Fall gemocht werden. Gleichzeitig sind
die Machtverhältnisse eben sehr ungleich. Diejenigen, die daran arbeiten,
dass die Verhältnisse so bleiben, wie sie sind, tun viel dafür, uns in die
kriminelle Ecke zu stellen. Dort weiter zu stören, ist eine wichtige
Aufgabe.
29 Jun 2024
## LINKS
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[5] /Ende-Gelaende-gegen-LNG-auf-Ruegen/!5961864
[6] /Nach-Einstufung-durch-Verfassungsschutz/!6014967
## AUTOREN
Katharina Schipkowski
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