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# taz.de -- Bewegungstermine in Berlin: Gegen den autoritären Staatsumbau
> Der Auslieferung von Maja T. zeigt, wie der Rechtsstaat immer mehr zum
> rechten Staat wird. Antifas müssen auch gegen diese Entwicklung
> kämpfen.
Bild: Wird nicht aufgepasst, frisst die Polizei die Grundrechte weg
Welch bedrohliche Monstranz das staatliche Institutionssystem darstellen
kann, hat wieder einmal die [1][Auslieferung von Maja T.], Thüringer
Antifaschist:in, bewiesen. Am vergangenen Donnerstag hatte das Berliner
Kammergericht Majas Auslieferung stattgegeben – und die Behörden wurden
sofort aktiv: Noch in der Nacht kooperierten die Generalstaatsanwaltschaft
Berlin, die JVA Dresden, das sächsische LKA, österreichische und ungarische
Behörden in ungewohnter Präzision und Schnelligkeit, um Maja T. über die
Grenze nach Ungarn zu schaffen.
Alles deutet darauf hin, dass Maja T. so [2][der Rechtsweg verwehrt werden
sollte]. Die Anwälte reichten dennoch eine Eilbeschwerde beim
Bundesverfassungsgericht ein. Dieses erließ am Freitagvormittag die
Anordnung, dass die Auslieferung sofort zu unterlassen sei, bis über den
Eilantrag entschieden wurde. Doch da war es schon zu spät: Maja T. war
bereits im queerfeindlichen, autoritär geführten Ungarn, wo ihr eine
[3][Kakerlaken-infizierte Gefängniszelle], queerfeindliche Diskriminierung
und ein politisch gesteuerter Prozess droht, der für Maja T. astronomische
24 Jahre Haft bedeuten könnte.
Das Bedrohliche dieses Vorgangs ist unter anderem das Maß an
„Eigeninitiative“, das die Behörden an den Tag gelegt haben. Viele Leute
hängen ja noch einer liberalen Vorstellung vom Staat nach, in der Justitia
blind ist und die Gewalt der polizeilichen Institutionen durch den
Rechtsstaat begrenzt wird. In dieser Vorstellung setzt der Staat nur um,
was das Gesetz erfordert, er ist politisch neutral und kennt keine
Emotionen, besonders keine Rache- oder Strafgelüste. Doch plötzlich biegen
und dehnen staatliche Stellen das Recht, augenscheinlich nur, um Maja T.
größtmöglich zu schaden. Das sollte jede:r als Bedrohung empfinden – und
zwar unabhängig davon, ob man militanten Antifaschismus gutheißt oder
nicht.
## Die Erosion des Rechtsstaats
Erschwerend kommt hinzu, dass die Auslieferung kein isoliertes Ereignis
ist, sondern sich in die breitere Erosion des Rechtsstaates einreiht.
[4][Der Politikwissenschaftler Maximilian Pichl] hat in seinem Buch Law
statt Order umfassend dargelegt, wie rechte Kräfte an einer Umdeutung des
Begriffes arbeiten. Nach Pichl wird die liberale Idee der Begrenzung
staatlicher Macht zunehmend vom Ruf nach der „Härte des Rechtsstaates“
verdrängt. Der „Rechtsstaat“ wird so zu einem Begriff, der hartes
polizeiliches Durchgreifen legitimiert – statt dieses zu begrenzen.
Europäische Grenzschützer:innen sollen keine Asylsuchenden reinlassen,
also führen sie halt Pushbacks durch und [5][werfen Migrant:innen ins
Meer] – who cares, außer ein paar versprengte linke Gutmenschen? Wer regt
sich noch über [6][Schmerzgriffe gegen Klimaaktivist:innen] auf, wer
hinterfragt noch, dass die Letzte Generation [7][in den Präventivknast]
gesteckt wurde – wenn es sich doch um Terroristen handelte? Glaubt wirklich
noch eine:r, dass es Konsequenzen gibt, weil die Polizei den
Palästina-Kongress (immerhin Feindbild der „Staatsräson“ par excellence)
[8][unter scheinheiliger Begründung gestürmt und verboten] hat?
Immer häufiger scheint polizeiliche Gewalt mit politischer Motivation
angewendet zu werden – während Rechtsbrüche der Exekutive im Umkehrschluss
zumindest toleriert werden. Das ist der politische Kontext der Auslieferung
von Maja T.: Ein Staat, der von bürgerlichen Parteien autoritär getrimmt
wird, noch bevor die AfD in einem Bundesland die Macht übernimmt. Um gegen
die Auslieferung von Maja T. auf die Straße zu gehen, findet am Freitag (5.
7.) um 19 Uhr am Lausitzer Platz [9][eine Demo] statt.
## Für Umverteilung, gegen Faschismus
Ein weiteres Mittel des autoritären Staatsumbaus sind Kürzungen für
unliebsame Initiativen. Gerade steht [10][Wissenschaftsministerin
Stark-Watzinger in der Kritik], weil ihr Ministerium unbequemen
Wissenschaftler:innen die Gelder streichen wollte. Aber auch in Berlin
gibt es Beispiele: Weil sich zwei leitende Mitarbeiter:innen des
Vereins „Frieda“ antisemitisch geäußert haben sollen, wurde gleich [11][d…
ganzen Verein gekündigt], der zwei Mädchen- und Frauentreffs betreibt.
Konsequenzen für Antisemitismus sind natürlich berechtigt. Aber der
Verdacht liegt nahe, dass hier auf dem Rücken von queeren und migrantischen
Kids auch ein Kampf gegen die migrantische Selbstorganisation und die
Palästinabewegung insgesamt geführt wird. Dagegen findet am Donnerstag (4.
7.) eine Migrantifa-Kundgebung unter dem Motto [12][„KHALAS – Wir ziehen
nicht den Kürzeren!“] statt. Treffpunkt für die Kundgebung ist um 17 Uhr am
Bezirksamt Yorckstraße.
Wie soziale Arbeit dem Rechtsruck entgegenwirken kann, will [13][eine
Veranstaltung] vom [14][Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit] erörtern.
Gefragt werden soll etwa, wie sozialarbeiterische Räume antifaschistisch
geschützt werden können – und was es heißt, sich in diesem Beruf politisch
zu positionieren. Matthias Müller von der [15][Mobilen Beratung gegen
Rechtsextremismus] wird einen Input halten, anschließend darf sich über
Erfahrungen ausgetauscht werden (Mittwoch, 3. 7., Museum des Kapitalismus,
Köpenicker Str. 172, 19 Uhr).
## „Sich fügen, heißt lügen!“
Eine historische Perspektive bietet die Fachtagung [16][„Sich fügen, heißt
lügen!“], die sich noch bis Sonntag mit dem Wirken des anarchistischen
Schriftstellers Erich Mühsam in Oranienburg beschäftigt. Mühsam,
Revolutionär der Münchener Räterepublik, setzte sich in der Weimarer
Republik unter anderem als Teil der Roten Hilfe für politische Gefangene
ein. 1934 wurde er von der SS im KZ Oranienburg ermordet. Am Donnerstag (4.
7.) findet eine Führung über das ehemalige KZ-Gelände Sachsenhausen statt
(Treffpunkt Besucherzentrum, 15 Uhr). Am Samstag läuft eine
[17][Gedenkdemonstration] (6. 7., Bahnhofsvorplatz, 15 Uhr).
Sich gegen die Law-and-Order-Logik stellen, kann auch Spaß machen! Am
Samstag findet das [18][Görli Jam Fest 2024] statt, wo zu Reggae und
Dancehall getanzt werden darf. Mit auf dem Programm steht natürlich auch:
der drohende Zaunwahnsinn aus dem Hause Wegner und die nächtliche
Schließung des Parks. Darüber soll sich gemeinsam ausgetauscht werden –
ohne dass Spiel, Spaß, Essen und Trinken in den Hintergrund geraten (6. 7.,
Görlitzer Park, 15 – 22 Uhr).
Letztlich wird Antifaschismus aber immer heißen: gegen Nazis vorzugehen.
[19][Seit geraumer Zeit] gilt Marzahn-Hellersdorf als Hotspot der braunen
Brut, auch die AfD ist hier besonders stark. Die neonazistische
Kleinstpartei „III. Weg“ hat laut der örtlichen Antifa bereits mehrfach das
linksalternative Hausprojekt AJZ Kita und das Veranstaltungsprojekt La Casa
angegriffen. Versucht würde, ein „Klima der Angst“ für Antifas,
Migrant:innen und Queers zu schaffen. Dagegen hilft nur eins: Geeinter
antifaschistischer Widerstand, den die [20][Antifa-Demo „Nach den Rechten
schauen“] schaffen will (Samstag, 6. 7., S Kaulsdorf, 17 Uhr).
2 Jul 2024
## LINKS
[1] /Auslieferung-von-Antifaschistin/!6020213
[2] /Auslieferung-nach-Ungarn/!6020359
[3] https://www.akweb.de/politik/kerker-in-budapest-prozess-gegen-antifas-in-un…
[4] /Gefahr-antidemokratischer-Tendenzen/!5937734
[5] /Migrationspolitik-in-der-EU/!6014828
[6] /Diskussion-ueber-Polizeigewalt/!6016424
[7] /Praeventivhaft-in-Berlin/!5944871
[8] /Aufloesung-von-Palaestina-Kongress/!6010191
[9] https://asanb.noblogs.org/?event=8011
[10] /Wissenschaftsfreiheit-in-Deutschland/!6016855
[11] /Palaestina-Israel-Konflikt/!6003366
[12] https://asanb.noblogs.org/?event=khalas-wir-ziehen-nicht-den-kuerzeren
[13] https://stressfaktor.squat.net/node/306194
[14] https://kritischesozialearbeit.de/
[15] https://mbr-berlin.de/
[16] https://www.muehsam-in-oranienburg.info/Muehsam/Fachtagung
[17] https://www.muehsam-in-oranienburg.info/Muehsam/Demo
[18] https://asanb.noblogs.org/?event=goerli-jam-fest-2024
[19] /Rechte-Gewalt-in-Berlin/!5313130
[20] https://antifamahe.noblogs.org/2024/05/30/ndrs2/
## AUTOREN
Timm Kühn
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