| # taz.de -- Auslieferung nach Ungarn: Beigeschmack von Feindstrafrecht | |
| > Der Krimi um die Auslieferung von Maja T. zeigt, welche Prioritäten der | |
| > deutsche Staat bei der Strafverfolgung setzt. Gegen Linke zeigt er Härte. | |
| Bild: Karlsruhe muss einschreiten: Fassade des Bundesverfassungsgerichts | |
| Man muss sich den Kontext vor Augen führen: Im Herbst könnte in Deutschland | |
| eine rechtsextreme Partei in manchen Bundesländern stärkste Kraft werden. | |
| Die politische Debatte scheint sich nur noch um Abschiebungen zu drehen. | |
| Die radikale Linke ist zerstritten und gesellschaftlich isoliert wie lange | |
| nicht mehr. Und trotzdem scheint es für den deutschen Staat nichts | |
| Wichtigeres zu geben, als militante Antifaschist:innen zu verfolgen | |
| und möglichst hart zu bestrafen. Dafür sind Behörden offenbar sogar bereit, | |
| sie dahin auszuliefern, wo noch härter durchgegriffen werden kann. | |
| Der Fall Maja T. verdeutlicht das. Am Donnerstagnachmittag hat das Berliner | |
| Kammergericht [1][der Auslieferung von Maja T.] nach Ungarn stattgegeben. | |
| Maja T., ein:e non-binäre:r Antifaschist:in aus Thüringen, soll im | |
| Februar 2023 an Angriffen auf Rechtsextreme in Budapest während des | |
| neonazistischen „Tag der Ehre“ beteiligt gewesen sein. Ungarn, ein | |
| autoritär geführtes Land mit teils [2][queerfeindlicher Gesetzgebung], | |
| hatte darauf die Auslieferung beantragt. | |
| Die Erklärung des Gerichts, dass man auf die Garantien der Orbán-Justiz | |
| schon vertrauen könne, sind hanebüchen. Denn schon in den deutschen Behören | |
| gelten für Antifaschist:innen offenbar längst andere Regeln, die immer | |
| mehr den Beigeschmack von Feindstrafrecht erhalten. Davon zeugt zum | |
| Beispiel, dass das Landeskriminalamt laut Anwalt Sven Richwin noch in der | |
| Nacht zu Freitag mit der Überstellung von Maja T. nach Ungarn begann. Der | |
| Verdacht liegt nahe, dass so Tatsachen geschaffen werden sollten, bevor die | |
| Anwälte Rechtsmittel einlegen konnten. | |
| ## Kein faires Verfahren zu erwarten | |
| Auf deren Antrag griff das Bundesverfassungsgericht schließlich ein. Es | |
| stellte am Freitagmorgen um 10:50 Uhr per Beschluss klar, dass Maja T. | |
| nicht nach Ungarn ausgeliefert werden darf, bis das höchste Gericht über | |
| die Beschwerde der Anwälte entschieden hat. Doch da war es schon zu spät. | |
| [3][In einer Mitteilung] schreibt das Bundesverfassungsgericht, es sei am | |
| Freitag gegen Mittag darüber informiert worden, dass Maja T. bereits um 10 | |
| Uhr morgens den ungarischen Behörden übergeben worden sei. Das Gericht wies | |
| die Generalstaatsanwaltschaft zwar auch an, T. notfalls nach Deutschland | |
| zurückzuholen. Inwiefern das realistisch ist, ist aber unklar. | |
| Wenn schon Deutschland so mit Antifaschist:innen umspringt – wie kann | |
| dann behauptet werden, dass ausgerechnet in Ungarn, wo Orbán die | |
| Unabhängigkeit der Justiz untergräbt, ein faires Verfahren möglich ist? | |
| Selbst die Rechtsaußen-Regierung Italiens hatte immer wieder gegen die | |
| Haftbedingungen für italienische Antifaschist:innen in Ungarn | |
| protestiert. Für Maja T. als non-binäre Person ist die Bedrohungslage eine | |
| doppelte: Immer wieder kritisieren Menschenrechts-NGOs die Haftbedingungen | |
| [4][für queere Menschen in Ungarn] deutlich. | |
| Der Krimi um die Auslieferung von Maja T. zeigt erneut, welche Prioritäten | |
| der deutsche Staat bei der Strafverfolgung setzt. Die liegen klar links – | |
| und nicht etwa bei den Neonazis, die tatsächlich die | |
| freiheitlich-demokratische Grundordnung bedrohen. | |
| 28 Jun 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Auslieferung-von-Antifaschistin/!6020213 | |
| [2] /Anti-LGBTQ-Gesetz-in-Ungarn/!5780861 | |
| [3] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/20… | |
| [4] /Anti-LGBTQ-Gesetz-in-Ungarn/!5780861 | |
| ## AUTOREN | |
| Timm Kühn | |
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