# taz.de -- Ende Gelände in der Lausitz: Tausende blockieren Tagebaue | |
> Erfolg für Ende Gelände: Braunkohlereviere in Ostdeutschland werden | |
> besetzt. Dabei hatte es vorher Drohungen von Rechten gegeben. | |
Bild: Puh! Aktivistin bei der Blockade von Bahngleisen, die zum Kohlekraftwerk … | |
COTTBUS/JÄNSCHWALDE/WELZOW taz | Um kurz nach acht Uhr stand bereits die | |
erste Blockade: Rund 500 Aktivist*innen erreichten die Kohlegrube | |
Jänschwalde und rutschten in ihren Maleranzügen die sandigen Abhänge | |
hinunter. Im Hintergrund ging die Sonne auf: Eine Kulisse fast wie in einem | |
Science-Fiction-Film, die typisch ist für die Klimaaktivist*innen von Ende | |
Gelände. Am Samstag nach den globalen Klimastreiks ging es gegen fünf Uhr | |
morgens los. | |
4.000 Menschen aus Berlin, Dresden und Leipzig brachen in Richtung des | |
Leipziger und des Lausitzer Braunkohlereviers auf. Zum ersten Mal dabei war | |
auch ein Ableger von Fridays For Future, „die Antikohlekids“. [1][Anders | |
als bei früheren Aktionen von Ende Gelände] gab es dieses Mal kein Camp. | |
In der Lausitz betreibt das Energieunternehmen LEAG mehrere Kraftwerke und | |
Tagebauten, darunter das größte Kraftwerk Deutschlands. Am Samstagmittag | |
verkündete Ende Gelände, alle Finger (so werden Gruppen von | |
Demonstrant*innen oft genannt) hätten ihre Ziele erreicht. Bei Teichland | |
verhindern rund 400 Aktivist*innen das Durchkommen einer Kohlebahn auf den | |
Gleisen. | |
Den Aktionen war ein juristisches Tauziehen vorausgegangen. Das | |
Verwaltungsgericht Dresden bestätigte am Freitagabend das behördliche | |
Verbot von Protestaktionen nahe des sächsischen Braunkohlekraftwerks | |
Boxberg. Auch eine Kundgebung bei Leipzig wurde verboten. Fridays for | |
Future Sachsen kritisierte dies als „willkürliche“ Einschränkung der | |
Versammlungsfreiheit. Bei Klimaprotesten in ganz Deutschland waren bereits | |
am Freitag [2][nach Veranstalterangaben mehr als 600.000 Menschen auf die | |
Straße gegangen]. | |
## Sicherheitsrisiko Polizei | |
Auch die Anti-Kohlekids blockierten gemeinsam mit dem bunten Finger | |
geheingeschränkter Menschen einen Schienenabschnitt. 400 Aktivist*innen des | |
grünen Fingers harrten bis zum Nachmittag im Tagebau Welzow Süd aus und | |
vereinbarten dann mit der Polizei, die Grube ohne Identitätsfeststellung zu | |
verlassen. | |
Die Stimmung im Vorfeld der Aktion war [3][nicht nur unter den | |
Aktivist*innen angespannt] gewesen. Neben Mitarbeiter*innen der | |
Kohleindustrie hatten auch Rechtsextreme teils gewalttätigen Protest gegen | |
Ende Gelände angekündigt. Am Freitagabend hatten Cottbusser Polizist*innen | |
acht mutmaßlich Rechtsextreme mit Axtstielen und Quartzhandschuhen in der | |
Nähe der von Ende Gelände angemeldeten Mahnwachen aufgegriffen. | |
Aber auch Teile der Brandenburger Polizei selbst dürften in den Augen der | |
Aktivist*innen eher ein Sicherheitsrisiko darstellen, nachdem seit | |
Donnerstag ein Bild von Beamt*innen kuriserte, die vor einem Graffiti der | |
Cottbus-Ultras [4][mit der Aufschrift „Stoppt Ende Gelände“ posierten]. | |
In schwarzen Maleranzügen – als Antwort auf die weißen Anzüge von Ende | |
Gelände – hielten Mitarbeiter*innen eine Mahnwache am Kraftwerk | |
Jänschwalde, das wegen der Proteste den ganzen Tag auf Sparbetrieb lief. | |
Auch der Ortsverband der SPD Cottbus Nord war vor Ort und verteilte Tee und | |
Brote. | |
## Kein Verständnis für Ende Gelände | |
„Für die Blockaden von Ende Gelände habe ich kein Verständnis“, sagte der | |
23-jährige Julius Gilbert, seit einigen Monaten Mitglied des Ortsverbands. | |
Dabei habe er auch Sympathien für Fridays For Future. Auch der | |
Kohleausstieg sei grundsätzlich in Ordnung, nur die Perspektiven für die | |
Beschäftigten der Branche müssten geklärt werden. Man müsse mehr reden, | |
statt zu blockieren. „Wir sind für den Kohleausstieg, aber nicht vor 2038, | |
denn die Region kann sich nicht so schnell umstellen“, sagte auch Thomas | |
Hauke, Ingenieur für Kraftwerktechnik der LEAG. | |
Andere Mitarbeiter*innen waren derweil wesentlich unentspannter unterwegs. | |
Auf Twitter verkündete das Unternehmen, Strafanzeigen gegen jeden zu | |
stellen, der die Betriebsgrenzen missachte. Am Tagebau Welsow-Süd, in dem | |
seit morgens eine Gruppe Aktivist*innen Infrastruktur blockierte, fuhren | |
LEAG-Mitarbeiter*innen das Gelände ab und verhinderten, das | |
Journalist*innen sich der Abbruchkante näherten. | |
Auf Nachfrage einer Journalistin des Neuen Deutschland wollten die | |
LEAG-Mitarbeiter ihren Presseausweis fotografieren. Davor wiederum warnten | |
andere Journalist*innen bei Twitter – in rechten Facebookforen werde mit | |
solchen Fotos gegen Journalisten und Aktivisten gehetzt. Um 15:30 Uhr | |
verkündete auch der goldene Finger, der den Tagebau im Leipziger Revier | |
blockiert hatte, das Gebiet freiwillig zu verlassen. | |
Parallel kündigten die Aktivist*innen der beiden Gleisblockaden an, die | |
Schienen wieder freizugeben. Für Ende Gelände war der Tag ein Erfolg: Trotz | |
der Drohungen von Rechten im Vorfeld, und obwohl drei Landkreise | |
Versammlungsverbote nahe der Kraftwerke erlassen hatten, ist es den | |
Klimaaktivist*innen gelungen, die Massenaktion wie geplant durchzuführen. | |
30 Nov 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Zukunft-der-Klimabewegung/!5607802 | |
[2] /Klimaproteste-in-Deutschland/!5645636 | |
[3] /Polizeiskandal-in-Cottbus/!5645620 | |
[4] /Polizeiskandal-in-Cottbus/!5645620 | |
## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Schwerpunkt Ende Gelände! | |
Lausitz | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
Schwerpunkt Fridays For Future | |
Schwerpunkt Fridays For Future | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Ziviler Ungehorsam für das Klima: Kein Familienevent | |
In der Lausitz und im Leipziger Land besetzte das Bündnis „Ende Gelände“ | |
erneut Tagebaue und Bahnanlagen. Was treibt die Aktivist:innen an? | |
Ende-Gelände-Protest in der Lausitz: Die Ungehorsamsprofis | |
2019 ist das Jahr der Klima-Aktivist*innen. Die Aktionen von Ende Gelände | |
zeigen, wie professionell und effizient ziviler Ungehorsam sein kann. | |
Polizeiskandal in Cottbus: Und wieder ein Einzelfall | |
Vor ihrem Einsatz in der Lausitz: Brandenburger Polizisten solidarisieren | |
sich mit rechtsextremen Gegnern der Anti-Kohle-Proteste. | |
Klimaproteste in Deutschland: Fridays for Future halbiert | |
Die Anzahl der Klimaprotestler in Deutschland sinkt. Trotzdem waren | |
Hunderttausende auf den Straßen. | |
Weltweite Klimaproteste: „Schlimmer als Hausaufgaben“ | |
Von Bangkok bis Wien, am Nord- und am Südpol: Auf der ganzen Welt wird für | |
eine bessere Klimapolitik demonstriert. |