# taz.de -- Zukunft der Klimabewegung: Ende Gelände – und wie weiter? | |
> Ende Gelände, Fridays for Future, Extinction Rebellion – die | |
> Klimabewegung erlebt einen Höhenflug. Das stellt sie aber auch vor | |
> grundsätzliche Fragen. | |
Bild: Früher hatten viele Klimaaktivist*innen keine Ahnung vom C02-Ausstoß. H… | |
Am Anfang kamen nur ein paar hundert Leute zu den Klimacamps im Rheinland. | |
[1][Rund zehn Jahre ist das jetzt her] – und die meisten, die heute dabei | |
sind, gingen damals noch zur Schule und hatten keine Ahnung vom C02-Ausstoß | |
und der Erderwärmung. [2][Heute ist das anders:] selbst Vierzehnjährige | |
wissen, dass es mit der Klimapolitik so nicht weitergehen kann. Sie | |
schwänzen den Unterricht, um zu protestieren, und verzichten freiwillig | |
darauf, in den Urlaub zu fliegen. Noch nie hatte die Klimabewegung so | |
großen Zulauf, noch nie so breiten Rückhalt in der Bevölkerung. | |
Für die Aktivist*innen ist das großartig, einerseits. Andererseits stellt | |
es sie aber auch vor große Fragen. Wie soll es jetzt weitergehen? Wie kann | |
man das Potenzial nutzen, was muss jetzt passieren? Wie verhindert man, | |
dass das Interesse abebbt, dass die Proteste im Sande verlaufen? | |
Wer unter den Aktivist*innen herumfragt, bekommt ganz unterschiedliche | |
Antworten. „Wir müssen einmal durchatmen“, sagt Kathrin Henneberger, die | |
Sprecherin von Ende Gelände. Ihr [3][Aktionswochenende im Rheinland ist | |
knapp einen Monat her], man sei noch in der Auswertungsphase. Henneberger | |
spricht von einem deutlichen Erfolg. Rund 6.000 Menschen, auch aus dem | |
europäischen Ausland, waren nach Viersen bei Mönchengladbach gereist, um | |
gegen die Kohleindustrie zu protestieren. | |
Auch hier stellt sich die Frage: Wie soll es weitergehen? Wie viel mehr | |
Menschen werden sich auf die hochschwellige Aktion einlassen, bei der man | |
körperlich fit und ziemlich entschlossen sein muss? Die mediale | |
Aufmerksamkeit scheint ebenso ihrem Limit entgegenzugehen. Die Aufnahmen | |
von Gleisblockaden liefen in der „Tagesschau“, fast alle großen deutschen | |
Medien schickten Journalist*innen. Was soll noch kommen? | |
## Generalstreik wird zur Streikwoche | |
„Fridays for Future und [4][Extinction Rebellion] haben die Bewegung total | |
verändert“, sagt Scholeh Razani von der Hamburger Ortsgruppe. Den | |
Schüler*innen sei innerhalb kürzester Zeit gelungen, was die Bewegung schon | |
lange versucht: „Sie haben das Thema in die Mitte der Gesellschaft | |
getragen.“ Natürlich ergeben sich daraus jetzt Fragen, räumt Razani ein. | |
Andererseits: Die Struktur von Ende Gelände sei ja da, die Strategie des | |
zivilen Ungehorsams habe sich bewährt. Warum sollte man etwas | |
Funktionierendes wegschmeißen? | |
Während die [5][Aktivist*innen von Ende Gelände, die alles | |
basisdemokratisch und im Konsens] entscheiden, noch Telefonkonferenzen | |
abhalten und diskutieren, haben die Schüler*innen von Fridays for Future | |
schon einen Generalstreik ausgerufen. Am 20. September sollen | |
deutschlandweit Schulen, Unis, Büros und Fabriken bestreikt werden. | |
„Nicht besonders gut abgesprochen“, sagen verschiedene Klimaaktivst*innen | |
über den Termin. Was die Arbeit in breiten Bündnissen angeht, haben die | |
Schüler*innen noch kaum Erfahrung. Klimaaktivist*innen aus den USA hatten | |
für eine Woche später, den 27. September, einen „Global Earth Strike“ | |
geplant. In Deutschland wird es nun wohl auf eine Aktions- und Streikwoche | |
vom 20. bis 27. September hinauslaufen. Eine pragmatische Lösung. | |
Parallel dazu laufen im Lokalen bereits Planungen zu anderen thematischen | |
Schwerpunkten. In Hamburg bereitet sich die Ortsgruppe von Ende Gelände auf | |
einen neuen Angriff auf ein altes Ziel vor: Das Steinkohlekraftwerk | |
Moorburg des Energieriesen Vattenfall bläst noch immer tonnenweise CO2 in | |
die Luft und belastet die Elbe. Seit Deutschland keine Steinkohle mehr | |
fördert, wird sie aus Kolumbien oder Russland importiert, wo ganze | |
Landstriche draufgehen und Menschenrechte wenig zählen. | |
## Gegner Autobranche | |
Noch etwas weiter nördlich von Hamburg, bei Brunsbüttel, wollen sich | |
Klima-Aktivist*innen die Fabrik des Düngemittelproduzenten Yara vornehmen | |
und rufen unter dem Motto „Free the Soil“ zu massenhaftem zivilen | |
Ungehorsam auf. Yara gehört zu den Weltmarktführern für Stickstoffdünger. | |
Viele Ende Gelände-Aktivist*innen wollen sich anschließen. | |
Wieder andere planen, im September nach Venedig zu fahren. Italienische | |
Aktivist*innen wollen dort gegen die Kreuzfahrt protestieren, die neben der | |
Umwelt auch ihr kulturelles Erbe zerstöre. | |
Am weitesten aber scheinen die Überlegungen in Frankfurt fortgeschritten zu | |
sein. Dort plant ein Bündnis namens „Sand im Getriebe“, dem auch viele | |
Aktive und Ehemalige von Ende Gelände angehören, die Internationale | |
Automesse IAA zu blockieren. | |
Der Verkehrssektor verursacht rund 20 Prozent der deutschen | |
Treibhausgasemissionen. 95 Prozent davon wiederum kommen aus dem | |
Straßenverkehr. Mit der Autobranche haben sich die Aktivist*innen einen | |
sehr naheliegenden, aber auch sehr mächtigen Gegner ausgesucht. | |
21 Jul 2019 | |
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## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
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