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# taz.de -- Hamburger Klimacamp: "Es geht uns nicht um Naturschutz"
> Klimawandel ist kein ökologisches Problem, sondern ein soziales, sagen
> die Initiatoren des Hamburger Klimacamps. Sie finden, Kapitalismus und
> Kohlendioxid gehören zusammen.
Bild: Tradition verpflichtet - von Heiligendamm wollen die Klimacamper Schwung …
taz: Frau Koburger, letztes Jahr zelteten Tausende Menschen gegen den
G-8-Gipfel, dieses Jahr heißt es Campen "für ein ganz anderes Klima". Ist
das Klima-Camp die Fortsetzung der Proteste in Heiligendamm?
Ines Koburger: Das Klimacamp ist nicht das einzige Camp, das diesen Sommer
stattfindet. Aber natürlich sehen wir uns in der Tradition von
Heiligendamm. Zum einen soll das Klimacamp den Schwung und die Breite der
Bewegung gegen den G-8-Gipfel aufnehmen und weiterführen. Zum anderen ist
die verstärkte Beschäftigung mit dem Thema Klima auch das Ergebnis einer
kritischen Analyse der Proteste von Heiligendamm.
Heiligendamm ist der Grund, warum sich die radikale Linke auf einmal mit
dem Thema beschäftigt?
Tadzio Müller: Über das Thema Klima konnten sich die G 8 neue Legitimation
verschaffen. Das lag auch daran, dass die radikale Linke das Thema bis
dahin größtenteils ignoriert hat. Der Klima-Diskurs wird
instrumentalisiert. Aber dieser Diskurs "von oben" ist inzwischen nicht
mehr die einzige Art, Klima zu thematisieren. Wenn ich vergangenen Winter
in einem Café saß, drehten sich die Gespräche an den Nachbartischen früher
oder später immer um das Klima: Die Winter waren früher kälter, die
Jahreszeiten verändern sich.
Koburger: Das Thema beschäftigt die Menschen. Gerade für die radikale Linke
ist das auch eine Chance, grundsätzliche Kritik am herrschenden
Wirtschaftsmodell in die Gesellschaft zu tragen.
Ähnliches hat die Umweltbewegung in den 1980er-Jahren versucht. In den
Texten zum Klimacamp taucht die Umweltbewegung jedoch kaum auf. Gibt es da
einen radikalen Bruch?
Koburger: Einen radikalen Bruch gibt es nicht, natürlich knüpfen wir in
gewisser Weise an die Fragen und Erfahrungen der Umweltbewegung an. Aber es
geht uns ganz bewusst nicht um eine "Wiederbelebung". Die Erfahrung der
Umweltbewegung hat gezeigt, wie leicht die Forderungen nach Umwelt- und
Naturschutz vereinnahmt und entschärft wurden. Uns geht es nicht um
Naturschutz. Wir sehen Klimawandel nicht als ökologisches Problem, sondern
als soziales.
Ökologische und soziale Probleme zusammenzudenken fordert auch die
Bundesregierung.
Müller: Aber zugleich baut sie neue Kohlekraftwerke. Die Bundesregierung
redet viel vom Klimaschutz, aber sie betreibt Wachstums- und
Investitionsschutz.
Koburger: Der Klimawandel, wie wir ihn heute erleben, ist ein Ergebnis des
Kapitalismus. Wenn das ausgeblendet wird, wie bei den Grünen oder den
Umweltverbänden, kann man nur an Symptomen herumdoktern.
Das Problem Klimawandel kann also nur gelöst werden, wenn der Kapitalismus
abgeschafft wird? Klingt nicht besonders wahrscheinlich …
Müller: Der Kapitalismus hat sich in seiner Geschichte als unglaublich
flexibel erwiesen. Wieso sollte nicht auch ein grüner Kapitalismus möglich
sein? Die Frage ist doch, wem er nutzt und wer die Kosten trägt. Der
Klimawandel verschärft die bestehenden Ungleichheiten, die ökologische und
soziale Prekarität, in der Milliarden Menschen leben.
Aber was kann der Einzelne dann tun? Ist es völlig egal, ob die Menschen
öfter das Licht ausschalten oder auf den Verbrauch ihres Autos achten?
Koburger: Ob ich mein Licht für fünf Minuten ausschalte, hat höchstens
symbolische Wirkung - viel entscheidender ist, ob der Strom dafür weiterhin
aus einem Kohlekraftwerk kommt. Wirkliche Änderungen können und müssen
kollektiv erreicht werden.
Wie kann das aussehen? Der Einladungstext zum Klimacamp fordert das Recht
auf Zugang zur Energie und eine Abkehr vom fossilistischen Industrialismus.
Das klingt utopisch.
Müller: Deshalb gibt es ja das Klimacamp: um solche Ideen zu diskutieren,
aber auch, um sie zu leben, praktisch auszuprobieren. Gerade in autonomen
Umweltgruppen gibt es einen vertrauten Umgang mit alternativen
Alltagspraxen, mit dem Anbau von Lebensmitteln, der Gewinnung von Energie.
INTERVIEW: JULIANE SCHUHMACHER
11 Aug 2008
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