| # taz.de -- AfD-Bundesparteitag in Essen: Kein Bock auf Faschos | |
| > Die extrem rechte Partei will am Wochenende in Essen einen neuen Vorstand | |
| > wählen. Doch auf die AfD warten im Ruhrgebiet massive Proteste. | |
| Bild: Um die Grugahalle im Essener Stadtteil Rüttenscheid wird an diesem Woche… | |
| Essen taz | „AfD-Parteitag verhindern“ steht auf den Flyern, Plakaten und | |
| Stickern des [1][Bündnisses „Widersetzen“], die schon seit Wochen nicht nur | |
| im Ruhrgebiet immer öfter zu sehen sind. An diesem Wochenende will die von | |
| antifaschistischen Regionalbündnissen, Gewerkschaften und rund 170 | |
| Einzelpersonen getragene Initiative maximalen Druck auf [2][die extrem | |
| rechte Partei] machen – und dafür sorgen, dass möglichst wenige ihrer rund | |
| 600 Delegierten den Bundesparteitag, bei dem die AfD am Samstag und Sonntag | |
| in der Essener Grugahalle einen neuen Vorstand wählen will, überhaupt | |
| erreichen. | |
| „Zumindest werden wir es versuchen und die Anreise so schwierig wie möglich | |
| machen“, sagt [3][Katharina Schwabedissen], eine der Sprecherinnen von | |
| „Widersetzen“. Aktivist:innen wollen dazu am Samstagmorgen schon ab 6 | |
| Uhr die Eingänge der Sperrzonen besetzen, die von der Polizei rund um die | |
| Grugahalle, also die große Messehalle der Stadt, eingerichtet werden. Denn | |
| durch die müssen alle Beteiligten, um zum Parteitag zu kommen. | |
| „Wenn wir der AfD nicht aktiv den Raum nehmen, den sie sich nehmen will, | |
| werden wir die Ausbreitung des Faschismus nicht verhindern“, heißt es im | |
| Aktionsaufruf von „Widersetzen“ im Netz. Das Bündnis werde „Mittel des | |
| zivilen Ungehorsams, bei denen alle mitmachen können“, nutzen – und stellt | |
| klar: „Von uns geht dabei keine Gewalt und keine Eskalation aus.“ | |
| ## Hunderttausend könnten kommen | |
| Dabei ist „Widersetzen“ nur eine von dutzenden Initiativen, die am | |
| Wochenende mitten im seit Jahrhunderten von Migration geprägten Ruhrgebiet | |
| gegen die AfD demonstrieren wollen. Die Reviermetropole steht vor den wohl | |
| größten Protesten der Stadtgeschichte. | |
| Zwar wollen die Organisator:innen selbst keine konkrete | |
| Teilnehmer:innen-Zahl nennen. Allerdings: „Wir sind theoretisch darauf | |
| vorbereitet, gut 100.000 Menschen am Samstag mit unserem Liveprogramm zu | |
| erreichen“, sagt Florian Mamat, einer der Anmelder der [4][Kampagne | |
| „Gemeinsam Laut“]. Deren Aufruf haben mehr als 360 Organisationen | |
| unterschrieben haben – von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in | |
| Bottrop über den regionalen DGB und den Deutschen Paritätischen | |
| Wohlfahrtsverband bis hin zu Fridays for Future und den Omas gegen Rechts. | |
| Los geht’s bereits am Freitagabend mit einer Rave-Demo. Vom Hauptbahnhof | |
| bis zum Messeparkplatz wollen Tausende unter dem Motto „Bass gegen Hass“ | |
| feiern. Mehrere DJs spielen auf zwei große LKW verteilt ihre Musik-Sets. | |
| Schon gesperrt ist dann mit der Rüttenscheider Straße auch die wohl | |
| angesagteste Flaniermeile der Stadt. Am frühen Samstagmorgen starten dann | |
| die Aktionen von „Widersetzen“, und um 10 Uhr beginnt ein Demozug vom | |
| Essener Hauptbahnhof, der auch über die „Rü“, wie viele in der Stadt die | |
| Straße liebevoll nennen, läuft. | |
| Ab 14 Uhr geht es mit einem Bühnenprogramm auf dem Messeparkplatz P2 | |
| weiter, von dem die Grugahalle zu sehen ist. „Wir haben hier | |
| Festivalstrukturen organisiert“, sagt Florian Mamat von „Gemeinsam Laut“. | |
| Bands wie Banda Senderos, Haller und der Singersongwriter Marlo Grosshardt | |
| treten auf – aber auch Redner:innen wie der Chef des Essener | |
| Chemiekonzerns Evonik, Christian Kullmann. Der 55-jährige | |
| Vorstandsvorsitzende warnt seit Monaten vor drohenden massiven | |
| Wohlstandsverlusten durch die AfD-Politik. | |
| ## Unterstützung und Vorsicht bei Anwohner:innen | |
| Auf einem „Markt der Möglichkeiten“ werden über 60 Organisationen ihre | |
| Alternativen zum Nationalismus der extrem Rechten vorstellen – mit Themen | |
| aus den Bereichen Gesellschaftliche Teilhabe, Arbeit und Wirtschaftswelt, | |
| Soziale Gerechtigkeit, Journalismus, Kunst und Kultur sowie Antisemitismus | |
| und Rassismus. Es gibt 17 Foodtrucks und Essensstände. Schon am | |
| Mittwochabend stand die Hauptbühne auf dem Messeparkplatz, außerdem große, | |
| weiße Kühlcontainer mit Getränken für Zehntausende. Übertragen wird das | |
| Bühnenprogramm zusätzlich auf einen riesigen Bildschirm. | |
| Auf der Rüttenscheider Straße, wo die Leute in Second Hand Shops einkaufen, | |
| Galerien, Restaurants oder Theater besuchen, wo an den Wochenenden junge | |
| Leute in Kneipen und Clubs feiern, unterstützen viele Anwohner:innen | |
| die geplanten Proteste gegen die AfD. Man müsse sich gegen | |
| demokratiefeindliche Parteien wehren, heißt es immer wieder bei Gesprächen | |
| auf der „Rü“. Andere sind eher vorsichtig: Schulfeste und Geburtstagsfeiern | |
| werden verlegt. Und wer in der polizeilichen Sperrzone wohnt, darf am | |
| Wochenende nur nach Vorlage des Ausweises hinein oder heraus. | |
| Fritz von Maltzahn wird die nächsten Tage wohl bei seinen Eltern | |
| verbringen. Er arbeitet im Geschenkeladen „The Poodles Core“ ganz in der | |
| Nähe der Grugahalle. Auch er findet die Demonstrationen „auf jeden Fall | |
| legitim“. Trotzdem wird sein Geschäft am Samstag schließen. Denn viele | |
| Geschäftsleute hier sind nervös. Manche wollen wohl auch ihre Schaufenster | |
| aus Angst vor Plünderungen mit Spanplatten verbarrikadieren. | |
| „Ich weiß nicht, ob es so dramatisch wird“, sagt von Maltzahn. „Aber | |
| Respekt habe ich schon vor der Sache.“ Andere Geschäftsleute dagegen halten | |
| die Warnungen für völlig übertrieben: Sie wollen nicht schließen – und | |
| hoffen durch die vielen Menschen sogar auf höhere Umsätze. | |
| Die Protest-Organisator:innen von „Gemeinsam Laut“ und „Widersetzen“ | |
| versichern immer wieder, dass es von ihrer Seite aus friedlich bleiben | |
| wird. „Wir haben einen gemeinsamen Aktionskonsens, in dem wir deutlich | |
| machen, dass wir auf Gewalt verzichten“, sagt Linda Kastrup, eine der | |
| Sprecher:innen von „Gemeinsam Laut“. Außerdem gebe es ein sehr | |
| ausgeklügeltes Sicherheitskonzept. Alassa Mfouapon von Widersetzen ergänzt: | |
| „Wir wollen so weit gehen, wie es möglich ist, ohne Gewalt einzusetzen.“ | |
| ## Protestcamp muss verlegt werden | |
| Schlecht behandelt fühlen sich die Antifaschist:innen schon im Vorfeld | |
| von der Polizei. Im Stadtteil Essen-Werden wollten sie mit dem „Camp gegen | |
| Rassismus“ bis zu 4.000 Menschen einen Schlafplatz direkt an der Ruhr | |
| anbieten. Hier wird jedes Frühjahr das „Pfingst Open Air“ gefeiert, zu dem | |
| Zehntausende kommen. Platz ist also eigentlich genug da. Aber am Montag, | |
| zwei Tage vor Aufbaubeginn, verbot die Polizei das Camp an diesem Ort – | |
| angeblich vor allem aus feuerwehrtechnischen Sicherheitsbedenken. | |
| „Wir haben das Camp am 2. Juni angemeldet, also mit extra viel Vorlaufzeit. | |
| Diese kurzfristige Absage können wir überhaupt nicht verstehen“, sagt | |
| Organisatorin Lea Sonnenberg wütend. Sie und andere Aktivist:innen | |
| hatten noch bis zum späten Mittwochabend darauf gehofft, dass das | |
| Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die | |
| Entscheidung der Polizei kippen könnte. [5][Doch vergeblich]. Jetzt müssen | |
| sie auf eine Ausweichfläche in den Stadtteil Essen-Steele-Horst ziehen, der | |
| sehr viel weiter weg ist – und sehr viel schlechter angebunden. | |
| Bei einer Pressekonferenz im Essener Polizeipräsidium am Dienstagmittag | |
| wollten Polizeipräsident Andreas Stüve und der leitende Polizeidirektor | |
| Detlef Köbbel nicht auf Details zu ihrem Umgang mit dem „Camp für | |
| Demokratie“ eingehen. Schließlich werde es ja nicht verboten, sondern nur | |
| verlegt, erklärte Köbbel. | |
| Neben „mehreren zehntausend“ friedlich Protestierenden rechnet er „beim | |
| größten Polizeieinsatz, den es in Essen bis dato gegeben hat“, auch mit | |
| einer „dreistelligen Anzahl gewaltbereiter Störer“, die aus dem gesamten | |
| Bundesgebiet anreisen könnten. „Wir sind nicht blauäugig“, warnte der | |
| leitende Polizeidirektor. | |
| ## Polizeipräsident zeigt sich gut vorbereitet | |
| Zwar finde er friedliche Proteste „als Privatmann unterstützenswert“, | |
| erklärte Köbbel. Als Einsatzleiter aber müsse er am Wochenende das | |
| Versammlungsgesetz durchsetzen. Und das gebiete den Schutz jeder | |
| angemeldeten Versammlung – also auch des AfD-Bundesparteitags und mit | |
| seinen 600 Delegierten und bis zu 1.000 angemeldeten | |
| Medienvertreter:innen und Besucher:innen. | |
| Die Essener Polizei, die Verstärkung aus Nordrhein-Westfalen wie aus | |
| weiteren Bundesländern angefordert hat, arbeite seit Monaten an den | |
| Einsatzplanungen und sei „gut vorbereitet“, versuchte Köbbel besorgte | |
| Anwohner:innen zu beruhigen: Selbstverständlich könnten sie auch am | |
| Wochenende ihre Wohngebiete verlassen oder Besuch empfangen. Immer mit | |
| dabei sein sollten allerdings Ausweispapiere – und wegen der anstehenden | |
| Kontrollen: „mehr Zeit“. | |
| Die Strategie von „Widersetzen“, die Anreise von Parteitagsdelegierten | |
| zumindest zu verzögern oder gar zu „verhindern“, könnte gleichwohl | |
| aufgehen. „Die Delegierten reisen selbstständig an“, erklärte der | |
| Einsatzleiter auf Fragen zu möglichen Blockaden. Klar sei, dass die Polizei | |
| „nicht die Anreise jedes einzelnen Delegierten schützen“ werde können. | |
| Möglich sei dies nur bei als besonders gefährdet geltenden, bundesweit | |
| bekannten AfD-Politiker:innen. Doch das seien „nur zwei Hände voll“. | |
| 27 Jun 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://widersetzen.com/ | |
| [2] /Fascho-Prozess-in-Halle/!6019980 | |
| [3] https://x.com/Baumbart41812/status/1805608166324887905 | |
| [4] https://gemeinsam-laut.de/ | |
| [5] https://www.ovg.nrw.de/behoerde/presse/pressemitteilungen/31_240626/index.p… | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Wyputta | |
| Cedrik Pelka | |
| Gareth Joswig | |
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