# taz.de -- Fascho-Prozess in Halle: Höcke droht Justiz mit Säuberungen | |
> Ein vom Angeklagten gedrehtes Propagandavideo findet Eingang in den | |
> Prozess: Darin macht Björn Höcke deutlich, was er von Gewaltenteilung | |
> hält. | |
Bild: Halle, 26. Juni: Björn Höcke betritt den Gerichtssaal gemeinsam mit sei… | |
Halle taz | Die AfD nennt sich gerne „Rechtsstaatspartei“. Wie viel der | |
Thüringer Landeschef Björn Höcke tatsächlich von Gewaltenteilung hält, | |
machte er bereits kurz vor Beginn des zweiten Verhandlungstages am Mittwoch | |
in Halle deutlich. Angeklagt ist der stramme Rechtsausleger wegen der | |
wiederholten Verwendung der SA-Parole „Alles für Deutschland“. In einem | |
Telegramvideo nannte er den Prozess einen „politischen Schauprozess“. Und | |
er drohte der Justiz. | |
Den Paragrafen 86a zum Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und | |
terroristischer Organisationen, der nicht nur die SA-Parole „Alles für | |
Deutschland“ verbietet, sondern auch den Hitlergruß oder „Heil | |
Hitler“-Rufe, nannte Höcke einen „Maulkorb-Paragrafen“, die „uns als | |
Oppositionelle mehr oder weniger den Einsatz für dieses Land unmöglich | |
machen.“ | |
Noch interessanter an dem kurzen Videostatement zum Gerichtsprozess war mit | |
Blick auf ein mögliches Verbotsverfahren die Ankündigung Höckes von | |
Eingriffen in den Rechtsstaat, falls er an die Macht komme: „Wenn die AfD | |
an der Regierung ist, werden die politischen Schauprozesse aufgearbeitet | |
werden, dann wird es wieder eine neutrale Justiz geben“, kündigte er wenige | |
Tage vor Beginn des [1][AfD-Bundesparteitags in Essen] an. | |
Es sind Worte, die in einem Gerichtssaal noch einmal deutlich anders | |
klingen als nur beim AfD-Stammtisch oder auf dem Telegram-Feed für das | |
aktivistische Vorfeld. Umso bedröppelter schauten nicht nur die Richter, | |
sondern auch Höcke am Mittwoch vor Gericht drein, als der Staatsanwalt | |
Höckes Sätze wiederholte und sie vor Gericht gegen ihn verwendete. | |
Staatsanwalt Benedikt Bernzen sagte danach: „Statt Einsicht und Reue zu | |
zeigen, kündigt der Angeklagte – ein verbeamteter Lehrer, der gegenwärtig | |
Mitglied des Thüringer Landtags ist und das Amt des Ministerpräsidenten in | |
Thüringen anstrebt, einen persönlichen Rachefeldzug gegen die an den ihn | |
betreffenden Strafverfahren beteiligten Justizangehörigen an.“ Mit der | |
„angedrohten 'Säuberung’ der Rechtspflege“ bringe der Angeklagte „ein | |
Demokratieverständnis zum Ausdruck, das sich mit der | |
freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht vereinbaren lässt“. | |
## Wiederholungstäter | |
Höcke steht [2][zum zweiten Mal vor Gericht] wegen Verwendung der Parole | |
„Alles für Deutschland“. In einem ersten Verfahren ging es um eine | |
Wahlkampfrede in Merseburg, Sachsen-Anhalt, wo er 2019 mit der verbotenen | |
NS-Parole endete. Höcke stritt ab, dass er die Parole kannte. Doch das | |
Gericht hielt es für bewiesen, dass er den historischen Hintergrund kannte, | |
und [3][verurteilte den Rechtsextremisten] zu einer Geldstrafe von 13.000 | |
Euro. | |
Tatsächlich ist der frühere Geschichtslehrer bekannt für NS-relativierende | |
Tabubrüche und erinnerungspolitische Grenzverschiebungen wie seine | |
Forderung nach einer „erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad“. | |
In diesem zweiten Verfahren, das [4][seit Anfang der Woche in Halle läuft], | |
kann Höcke sich noch schlechter herausreden: Es bezieht sich auf seine Rede | |
beim AfD-Stammtisch in Gera im Dezember 2023, als er bereits wegen der | |
Verwendung der Parole angeklagt war. Hier animierte Höcke per Handgeste das | |
Publikum, den Spruch zu vervollständigen, als er sich über seine Anklage | |
beklagte. Höcke rief: „Alles für …“, ruderte wie ein Dirigent mit den A… | |
– und das Publikum antwortete inbrünstig: „Deutschland!“. Anschließend | |
brandete Applaus auf. | |
Ein Video seines Auftritts in Gera wurde beim ersten Prozesstag angeschaut. | |
Auch der Kontext ist klar rechtsextrem: Höcke verglich in der Rede | |
Migration mit einem Wasserrohrbruch, den nur die AfD austrocknen könne, und | |
sagte, dass man in Deutschland gut mit 20 bis 30 Prozent weniger Menschen | |
leben könne. Ebenso animierte Höcke bei einer [5][weiteren Rede in Hamm] am | |
1. Mai 2024 sein Publikum mit einer Handgeste, den SA-Spruch zu | |
wiederholen, was auch dort klappte. | |
Auch deswegen nannte Staatsanwalt Bernzen Höcke in einer Einlassung | |
„Wiederholungstäter“, der planvoll solche Tabubrüche verursache. Bereits … | |
seinem Buch habe Höcke geschrieben, dass er die Grenzen des Sagbaren durch | |
„kleine Grenzverstöße“ ausweiten wolle, so der Staatsanwalt Bernzen. „Er | |
wird es auch weiterhin tun.“ | |
## NS-Verharmlosung durch Höckes Anwälte | |
Höckes Verteidigung hielt wiederum mit NS-Verharmlosung dagegen. In | |
zahlreichen Anträgen wollten seine Rechtsanwälte unter anderem den | |
emeritierten Bundeswehrprofessor Franz Wilhelm Seidler laden, der sich | |
zuletzt mit Geschichtsrevisionismus hervortat und in rechtsextremen | |
Verlagen publiziert. Im ersten Prozess hatten sie den neurechten Vordenker | |
Karlheinz Weißmann geladen, der das rechtsextreme Institut für | |
Staatspolitik in Schnellroda mitgegründet hatte und behauptete, dass die | |
Parole keine besondere Relevanz für die SA gehabt habe. | |
Ebenso wollten Höckes Verteidiger Leni Riefenstahls Propagandafilm „Triumph | |
des Willens“ vom NSDAP-Parteitag 1934 ins Verfahren einführen, der belege, | |
dass die Parole nur eine marginale Rolle für die SA gespielt habe. Im | |
Hintergrund des Parteitages prangte in riesigen Lettern der Spruch: „Alles | |
für Deutschland“. | |
Historisch aber blieb vieles am Mittwoch im Vagen: Der eigentlich als | |
Sachverständiger geladene Historiker Yves Müller, wissenschaftlicher | |
Mitarbeiter des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie, wurde vom | |
Gericht wieder ausgeladen, weil dieser sich in Medien negativ über die AfD | |
und Höcke geäußert habe, wie der Vorsitzende Richter Jan Stengel mitteilte. | |
Höckes Telegram-Video ließ Richter Stengel ebenfalls nicht als Beweismittel | |
zu – die darin unter Beweis gestellten Tatsachen seien für die | |
Entscheidungsfindung in der Sache nicht von Bedeutung. Höcke nannte die | |
Interpretation des Staatsanwalts Bernzen „infam“, sein Rechtsanwalt sprach | |
von einer „Schweinerei“. | |
Über die komplexeren Beweisanträge wollte der Richter nicht mehr am | |
Mittwoch entscheiden. Nach einem rechtlichen Hinweis, dass die Tat auch in | |
mittelbarer Täterschaft begangen worden sein könne, schloss Richter Stengel | |
die Verhandlung und setzte einen weiteren Termin am 1.7. um 9 Uhr früh an – | |
also am kommenden Montagmorgen nach dem AfD-Parteitag in Essen. Weitere | |
Termine sind ebenso denkbar wie die Anhörung von Historikern. | |
Sicher scheint indes, dass zumindest beim letzten Wort wieder | |
Geschichtsrevisionismus zu hören sein wird: Das wird der Angeklagte Höcke | |
vermutlich selbst halten. | |
26 Jun 2024 | |
## LINKS | |
[1] /AfD-Parteitag-in-Essen/!6014549 | |
[2] /Zweiter-Prozess-gestartet/!6018905 | |
[3] /Urteil-gegen-AfD-Politiker/!6009855 | |
[4] /Hoecke-wieder-vor-Gericht/!6018998 | |
[5] https://www.wa.de/hamm/rede-von-bjoern-hoecke-afd-in-hamm-staatsschutz-leit… | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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