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# taz.de -- Höcke wieder vor Gericht: Bald mehr Prozesse als Donald Trump
> Björn Höcke ist erneut wegen Verwendung einer verbotenen SA-Parole
> angeklagt. Vor Gericht zeigt sich der ehemalige Geschichtslehrer
> uneinsichtig.
Bild: Höcke in einer Verhandlungspause
Halle (Saale) taz | Natürlich will Björn Höcke sich zur Anklage äußern. Der
Rechtsextremist und Thüringer-AfD-Vorsitzende stellt sich aufrecht hin,
streicht sich die graue Krawatte zurecht und spricht im Justizzentrum Halle
in einem deklamierenden Tonfall, wie man es schon von seinen politischen
Reden kennt. Gerne redet er auch von sich selbst in der dritten Person:
„Die Person Björn Höcke ist kein Normalbürger“, sagt er und beklagt einen
Schauprozess, bei dem er rechnet, erneut verurteilt zu werden.
Es ist tatsächlich bereits der zweite Strafprozess gegen Höcke innerhalb
kurzer Zeit. [1][Verurteilt hatte ihn das Landgericht Halle bereits vor gut
einem Monat] für die Verwendung der verbotenen SA-Parole „Alles für
Deutschland“ bei einem Wahlkampfauftritt in Merseburg im Mai 2021. 13.000
Euro soll ihn das kosten. Höcke hat Revision gegen den Richterspruch
eingelegt. „Das Urteil hat mein Vertrauen in den deutschen Rechtsstaat
einreißen lassen, ja, ich habe es gänzlich verloren“, sagt er am Montag
fast selbstmitleidig.
Im zweiten Prozess geht es nun um einen Auftritt Höckes in Gera. Auch dort
soll der AfD-Politiker die Parole bei einem Parteistammtisch benutzt haben.
Wie die Staatsanwaltschaft vortrug, habe Höcke bei einem Stammtisch der AfD
im Lokal Waldhaus mit 350 Teilnehmern Bezug zu der ersten Anklage wegen
genommen und dabei das Publikum per Handbewegung veranlasst den Satz „Alles
für…“ zu vollenden und „… für Deutschland“ zu rufen. Im Laufe des
Prozesstages fällt auch das Wort „Dauerdelikt“, weil ein Video davon immer
noch auf Youtube aufrufbar ist und Höcke nichts dagegen unternommen habe.
Bestraft werden kann das mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis
zu drei Jahren.
Höcke behauptet nach der Anklage, dass er den Ausspruch der
Zuschauer*innen nicht bewusst provoziert habe. Auf der Richterbank
scheint man angesichts des existierenden Video, das eine eindeutige
Aufforderungsgeste zeigt, nicht überzeugt und fragt ungläubig nach: „Sie
haben nicht damit gerechnet? Aber Sie sahen nicht so aus, als hätten sie
sich darüber gewundert?“
## Höcke sprach in Rede auch von Remigration
Die Sichtung des Videos macht klar, warum die Richterin so verwundert über
Höckes Auffasung ist: Auf dem Video ist klar zu sehen, wie Höcke stimmlich
und gestisch die Vervollständigung der SA-Parole forciert und sich
sichtlich über die Reaktion durch das Publikum freut.
Das vor Gericht in voller Länge in Augenschein genommene Video verdeutlicht
auch den ideologischen Hintergrund, mit dem Höcke den SA-Ausspruch nutzt.
In seiner Rede führt er konkrete Vertreibungspläne unter dem Stichwort
[2][„Remigration“] aus, spricht davon, dass man in Deutschland auch gut mit
20 bis 30 Prozent weniger Menschen leben könne, auch machte er sich über
den Verfassungsschutz lustig.
Eine als Zeugin geladene Polizistin, die der Staatsanwaltschaft damals ein
auf Twitter kursierenden Mitschnitt des Videos vorlegte, fasste es ganz gut
zusammen: Aus ihrer Sicht habe Höcke mit seiner Gestik dazu aufgefordert,
den strafbaren Ausspruch zu vervollständigen.
Die Parole „Alles für Deutschland“ war der Leitspruch der
nationalsozialistischen Sturmabteilung, sie gravierte ihn unter anderem in
Dolche. In Deutschland ist sie ebenso wie der Hitlergruß verboten. Bis
heute erfreut sich der Ausspruch vor allem in der Neonazi-Szene
Beliebtheit, was wiederum dafür spricht, dass Höcke ihn auch bei seiner
erstmaligen Verwendung kannte. Er demonstrierte bereits 2010 zusammen mit
Neonazis in Dresden und ist zudem unter anderem ein Bekannter von Thorsten
Heise, einem langjährigen Führungskader der NPD.
Höcke steht in Kürze übrigens auch noch ein dritter Prozess ins Haus. In
Mühlhausen ist er wegen Volksverhetzung angeklagt, weil er im Oktober 2022
auf Telegram nach einer Gewalttat pauschal islamfeindlich gehetzt hatte. Am
Ende des zweiten Prozesses dürfte wenigstens eine Einschätzung aus Höckes
Eingangsstatement zutreffen: „Ich weiß, dass ich verurteilt werde.“
24 Jun 2024
## LINKS
[1] /Urteil-gegen-AfD-Politiker/!6009855
[2] /Hintergrund-des-Begriffs-Remigration/!5987412
## AUTOREN
Gareth Joswig
## TAGS
Schwerpunkt AfD
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Nazi
Prozess
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AfD Nordrhein-Westfalen
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