# taz.de -- Urteil gegen AfD-Politiker: Nur Geldstrafe für Höcke | |
> Das Landgericht Halle verurteilt den AfD-Politiker wegen einer SA-Parole, | |
> bleibt aber unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft. | |
Bild: Will die SA-Parole nicht gekannt haben: Thüringens AfD-Chef Björn Höcke | |
HALLE (SAALE) taz | Der Vorsitzende Richter Jan Stengel fasst sich kurz: | |
Das Landgericht Halle verurteilt Björn Höcke wegen der Verwendung von | |
Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen zu 100 | |
Tagessätzen je 130 Euro. Es gehe davon aus, dass der AfD-Politiker 2021 in | |
einer Rede bewusst die Parole der nationalsozialistischen Sturmabteilung | |
(SA) verwendet habe, legte es am Dienstagabend dar. | |
Die Indizien legten das nahe, begründete Stengel das Urteil. Höcke sei | |
redegewandt, gebildet und habe als Chef der Thüringer AfD von früheren | |
Fällen wissen müssen, in denen AfD-Politiker in den Nachbarbundesländern | |
Sachsen und Sachsen-Anhalt juristische Probleme wegen der Parole bekommen | |
hatten. Zudem habe sich Höcke mehrfach dahingehend geäußert, dass er wieder | |
mehr sagen dürfen wolle. Der „Deckmantel Meinungsfreiheit“ werde dabei | |
„stark strapaziert“, sagte Stengel. | |
## Staatsanwalt fordert Freiheitsstrafe | |
Björn Höcke sah das alles ganz anders: Während der Urteilsbegründung | |
schüttelte Höcke mehrfach den Kopf. Er hatte kurz zuvor noch seine Unschuld | |
beteuert und war den Staatsanwalt Benedikt Bernzen hart angegangen. Der | |
hatte in seinem Schlussplädoyer am Nachmittag eine Freiheitsstrafe von | |
sechs Monaten auf Bewährung für Höcke gefordert. | |
Zum einen habe sich Höcke zuvor schon ähnlich geäußert und sich nach der | |
Tat nicht einsichtig gezeigt. Er habe die unbekannte Parole breitenwirksam | |
verwendet und wieder salonfähig gemacht. „Die Nachahmer-Quote ist | |
erschreckend hoch“, so Bernzen mit Blick auf Kommentare auf Social Media. | |
Zum anderen zeige Höcke nicht den „geringsten Respekt“ vor dem Gericht. | |
Aber Richter Stengel sagt etwas später in der Urteilsbegründung, für einen | |
nicht Vorbestraften sei eine Freiheitsstrafe zu hoch. | |
## Höcke ist enttäuscht | |
Höckes drei Verteidiger forderten hingegen in einzelnen Plädoyers je den | |
Freispruch ihres Mandanten. Die SA-Parole „Alles für Deutschland“ sei ein | |
Allerweltssatz und Höcke habe nicht wissen können, dass die drei Worte | |
strafbar sind. Überhaupt sei die Strafbarkeit nach Ansicht der Verteidigung | |
nicht erwiesen. Laut Anwalt Ulrich Vosgerau bestehe kein klar nachweisbarer | |
Zusammenhang mit der NS-Diktatur. Die Meinungsfreiheit sei gefährdet und er | |
plane, im Falle eines Urteils bis vor den Europäischen Gerichtshof für | |
Menschenrechte zu gehen. | |
Dann stand Björn Höcke auf, strich seine hellblaue Krawatte glatt und | |
knöpfte sein Sakko zu. Als Angeklagter hatte er das letzte Wort vor dem | |
Urteil. Und das nutzte er, um der Staatsanwaltschaft zu unterstellen, sie | |
hätte politisch und aktivistisch agiert, sei offenbar einem Zerrbild von | |
ihm aufgesessen. „Das hat mich persönlich sehr enttäuscht“, sagte Höcke. | |
Dabei ist der ursprüngliche Sachverhalt unbestritten: Höcke hatte 2021 in | |
Merseburg anlässlich des Landtagswahlkampfs in Sachsen-Anhalt vor etwa 250 | |
Zuhörer:innen gesagt: „Alles für Sachsen-Anhalt, alles für die Heimat, | |
alles für Deutschland.“ Doch während die Staatsanwaltschaft Höcke vorwarf, | |
die SA-Parole bewusst verwendet zu haben, bestritt [1][Höcke, von ihr | |
gewusst zu haben]. Würde das stimmen, wäre der Straftatbestand nicht | |
erfüllt. Unwissenheit würde ihn in diesem Fall schützen. | |
## Im Kontext mehrerer Wahlen | |
Der Prozess steht im Kontext mehrerer Wahlen: Am 26. Mai wird in Thüringens | |
Kommunen gewählt, am 9. Juni steht die Europawahl an und am 1. September | |
die Thüringer Landtagswahl. In Umfragen zu Letzterer liegt die AfD derzeit | |
bei rund 30 Prozent. | |
Vor diesem Hintergrund inszeniert sich [2][Höcke als verfolgter | |
Oppositionspolitiker]. Er beruft sich öffentlich immer wieder auf die | |
Meinungsfreiheit. Vor Gericht argumentieren seine Verteidiger zudem, die | |
SA-Formel sei nicht ausschließlich von der SA, sondern auch von anderen | |
verwendet worden – auch von Feinden der NS-Diktatur. | |
Um das zu untermauern, lud die Verteidigung als sachverständigen Zeugen | |
Karlheinz Weißmann. Der ehemalige Geschichtslehrer beschäftigte sich viel | |
mit politischen Symbolen. Außerdem gilt er als einer der Vordenker der | |
Neuen Rechten und hat 2000 zusammen mit Götz Kubitschek das Institut für | |
Staatspolitik gegründet und mehr als 13 Jahre lang geführt. Vor Gericht | |
erklärte er an diesem Dienstag, die NSDAP habe genutzt, was populär gewesen | |
sei. Auch mit der Parole „Alles für Deutschland“ habe sie auf breite | |
Zustimmung gehofft. Worauf Höcke gehofft hatte, sagte er nicht. | |
Kernpunkt des sachverständigen Zeugen Weißmann: Wie auch andere NS-Symbole | |
sei die Parole schon vorher von anderen verwendet worden, sie sei für die | |
SA nicht in besonderer Weise relevant. | |
## Parole bei Neonazis beliebt | |
Im Anschluss meldete sich Richter Jan Stengel zu Wort und las aus einer | |
SA-Zeitschrift vor. Dort stand in einem Nachruf auf den 1943 verstorbenen | |
SA-Führer: „Viktor Lutze hat das hohe und heilige Gesetz der SA ‚Alles für | |
Deutschland‘ bis zum letzten Atemzug erfüllt.“ Ob Weißmann die Passage | |
kenne? Nein, kenne er nicht – aber man müsse das interpretieren, sagte | |
Weißmann schnell, ob es sich um eine Floskel handelt. | |
Allerdings wurde die Parole weit nach der NS-Diktatur von Neonazis | |
verwendet, erklärte der Soziologe Andreas Kemper der taz noch vor dem | |
Prozesstag. NPD, Freie Kameradschaften und andere neonazistische | |
Organisationen hätten sie benutzt. „Die knüpften mit dem Spruch quasi an | |
den Nationalsozialismus an.“ Das Ziel: NS-Sprache normalisieren, damit | |
NS-Propaganda harmloser wirkt. | |
[3][Kemper untersucht die Sprache Höckes schon länger] und hält es für | |
unplausibel, dass dieser die Parole nicht kannte. „Alles für Deutschland“ | |
habe einen eigenen Inhalt, der Goebbels Wunsch nach Fanatismus | |
transportiere: „Du bist nichts, dein Volk ist alles. Da ging es um die | |
totale Hingabe für die Sache“, sagte Kemper auf taz-Anfrage. | |
Nach dem Urteil sagte Kemper, es sei gut, dass nun wegen Höckes Wortwahl | |
noch weitere Prozesse anstehen. Ein Verfahren, das ursprünglich mit dem | |
jetzt verurteilten Fall zusammenhing, bezieht sich auf eine Rede des | |
AfD-Politikers in Gera. Dort hatte er sich über die Strafverfolgung gegen | |
ihn beschwert und dabei die zwei ersten Worte der SA-Parole wiederholt. Das | |
zeigt eine Videoaufnahme. Dann winkte er in Richtung Publikum, zu seinen | |
„Freunden“, wie er sie nennt, und die antworteten: „Deutschland!“ | |
14 May 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Thueringer-AfD-Chef-vor-Gericht/!6003387 | |
[2] /Prozess-gegen-Bjoern-Hoecke/!6005837 | |
[3] /Thueringer-AfD-Funktionaer-und-die-NPD/!5204587 | |
## AUTOREN | |
David Muschenich | |
## TAGS | |
Björn Höcke | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Gerichtsurteil | |
Prozess | |
Rechtsextremismus | |
Schwerpunkt Landtagswahl Thüringen | |
GNS | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Urteil gegen AfD-Politiker: Im Zweifel gegen den Angeklagten | |
Das Landgericht Halle hat den AfD-Politiker Björn Höcke verurteilt. Ein | |
Freispruch wäre angebrachter gewesen. | |
Verfassungsschutz gewinnt gegen AfD: Auch politisch weiter bekämpfen | |
Die AfD mag sich noch so oft in der Opferrolle suhlen, die Beobachtung als | |
rechtsextremer Verdachtsfall hat sie sich selbst zuzuschreiben. | |
Prozess gegen Björn Höcke: Ein Strafprozess im Wahlkampf | |
Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke steht in Halle vor Gericht. Das nutzt | |
der Rechtsextreme, um sich als Verfolgter zu inszenieren. | |
Thüringer AfD-Chef vor Gericht: Höcke sagt, er wusste es nicht | |
Seit einer Woche steht AfD-Rechtsaußen Björn Höcke vor Gericht, weil er | |
eine Nazi-Parole verwendete. Nun wies er jede Schuld von sich. |