# taz.de -- Prozess gegen Björn Höcke: Ein Strafprozess im Wahlkampf | |
> Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke steht in Halle vor Gericht. Das nutzt | |
> der Rechtsextreme, um sich als Verfolgter zu inszenieren. | |
Bild: Björn Höcke (AfD) sitzt am 23. April 2024 vor dem Landgericht in Halle,… | |
Auf der Anklagebank, zum Mikrofon gebeugt, nickt [1][Björn Höcke]. Er hat | |
verstanden. Trotzdem erklärt der Vorsitzende Richter Jan Stengel in ruhigem | |
Ton: „Ob Sie antworten, ist Ihre Entscheidung.“ Höcke antwortet an diesem | |
Freitag auf jede Frage des Gerichts.Trotzdem betont Stengel etwas später, | |
als es um die finanzielle Situation des angeklagten AfD-Politikers geht, | |
noch mal: „Bei jedem anderen frage ich das auch.“ Solche Formulierungen | |
sind für Richter üblich. Doch im Prozess gegen Höcke vor dem Landgericht | |
Halle fallen sie besonders auf, weil der sich in und abseits der | |
Verhandlung als politisch Verfolgter darstellt. | |
Auch am dritten Prozesstag geht es um eine Rede des AfD-Politikers von 2021 | |
in Merseburg. Anlässlich des Landtagswahlkampfs in Sachsen-Anhalt hatte er | |
dort auf einer Bühne vor etwa 250 Zuhörer:innen gesagt: „Alles für | |
Sachsen-Anhalt, alles für die Heimat, alles für Deutschland.“ Bei den | |
letzten drei Worten handelt es sich um die verbotene Parole der | |
nationalsozialistischen Sturmabteilung (SA), einer paramilitärischen | |
Organisation der NSDAP. | |
Die Staatsanwaltschaft wirft Höcke vor, er habe die Losung bewusst | |
verwendet – und klagt ihn wegen des Verwendens von Kennzeichen | |
verfassungswidriger und terroristischer Organisationen nach Paragraf 86a | |
des Strafgesetzbuchs an. Sollte er schuldig sein, wäre eine Geldstrafe | |
möglich. | |
Der Thüringer AfD-Chef bestreitet aber, von der SA-Parole gewusst zu haben | |
– und gewusst zu haben, dass sie verboten ist. | |
## Ein Ende soll kommen | |
Einen zweiten Vorfall von 2023, bei dem Höcke die SA-Losung indirekt | |
verwendet hatte, behandelt das Gericht nicht in diesem Verfahren. Das war | |
ursprünglich angedacht. Aber zum frühen Ende der Verhandlung an diesem | |
Freitag zieht die Staatsanwaltschaft den Antrag zur Zusammenführung aus | |
„prozessökonomischen Gründen“ zurück. Höckes Prozess soll zu einem Ende | |
kommen. | |
Auch die Verteidigung drängt mittlerweile auf ein schnelleres Vorankommen. | |
Doch Richter Stengel sagt, das Gericht wolle in Ruhe über die verbleibenden | |
Anträge entscheiden. „Das muss hier alles rechtsstaatlich sein“, betont er | |
noch mal. | |
Zweifel daran hatte die Verteidigung bereits am ersten Prozesstag | |
durchblitzen lassen. Da hatte sie die Sorge, „dass der Angeklagte in einem | |
politisch motivierten Prozess verurteilt wird.“ Philip Müller, einer von | |
Höckes Anwälten, sprach von einem vorverurteilenden Ton in der | |
Medienberichterstattung über den AfD-Politiker. Der stellte sich in | |
Interviews als unberechtigt verfolgter Oppositioneller dar. „Wenn ich | |
verurteilt würde, wäre das eine Einschränkung der Meinungsfreiheit, die | |
Oppositionsarbeit quasi verunmöglicht“, behauptete Höcke. Auch auf dem | |
Parteitag der Thüringer AfD Ende April sprach Höcke in seiner Rede | |
ausführlich über das Verfahren in Halle und weitere Prozesse, die unter | |
anderem wegen Volksverhetzung gegen ihn anstehen. | |
## Höcke will nichts gewusst haben | |
Der Strafrechtsprofessor Mohamad El-Ghazi von der Universität Trier | |
erklärt, dass Personen aus dem politischen Spektrum „der Staatsanwaltschaft | |
oder insgesamt der Justiz solche Machenschaften vorwerfen“, sei zumindest | |
keine seltene Strategie. El-Ghazi glaubt, dass die aber eher unter | |
Wähler:innen verfangen solle als beim Gericht. | |
Denn dass Höcke angeklagt wurde, sei aus juristischer Perspektive nicht | |
überraschend. Die SA-Parole habe er klar und deutlich auf einer Versammlung | |
gesagt, das war auch danach noch in einem Video zu sehen. Schwierig sei für | |
die Staatsanwaltschaft aber, dass bei Anklagen dieser Art mit Indizien ein | |
Vorsatz nachzuweisen sei, sagt El-Ghazi. Mit anderen Worten: | |
[2][Unwissenheit würde Höcke vor Strafe schützen.] | |
Entsprechend versucht Höcke, mit Indizien darzulegen, dass er von nichts | |
gewusst habe. [3][Am zweiten Prozesstag hatte der frühere Geschichtslehrer | |
etwa mehrere Schulbücher hochgehalten, in denen nicht über die SA-Parole | |
aufgeklärt] werde. Als ihn die Staatsanwaltschaft hingegen mit anderen | |
Gerichtsprozessen konfrontierte, die gegen AfD-Mitglieder geführt wurden, | |
weil sie die Parole verwendeten, wehrte er ab, davon habe er auch nichts | |
gewusst. | |
Als bislang letzter Verhandlungstag ist der 14. Mai vorgesehen. Nach den | |
Plädoyers wird dann das Urteil erwartet. | |
3 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
David Muschenich | |
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