# taz.de -- Alternative für Deutschland: Parteitag und Protest | |
> Die AfD wählt ihren Bundesvorstand neu, es dürfte stürmisch werden. Dafür | |
> sorgt der Streit im völkischen Flügel, aber auch die Gegendemo. | |
Bild: Klares Statement gegen die Afd: Protest vor der Grugahalle in Essen im Ju… | |
Bevor die 600 AfD-Delegierten am Samstagmorgen in der Essener Grugahalle | |
auf dem AfD-Parteitag den Bundesvorstand samt Parteispitze neu wählen, | |
müssen sie zunächst einen Realitätscheck durchlaufen: Angekündigt sind | |
[1][Zehntausende Demonstrierende], die sich der extrem rechten Partei in | |
den Weg stellen wollen, ein breites Bündnis vom CDU-Bürgermeister bis zur | |
Antifa. | |
Vermutlich werden mehr Menschen gegen die AfD protestieren, als diese | |
Mitglieder hat. Sie dekonstruieren damit die rechte Lebenslüge, dass diese | |
die vermeintlich schweigende Mehrheit präsentieren, und machen klar: Die | |
AfD ist die unbeliebteste Partei Deutschlands. | |
Denn seit Jahresbeginn ist eines gewiss: Nach rechten Schockmomenten kann | |
die Zivilgesellschaft Gegenwehr leisten. Nachdem einer breiten | |
Öffentlichkeit im Zuge [2][der Correctiv-Recherche] bewusst geworden ist, | |
was Regierungsmacht für die AfD bedeuten würde, waren [3][Millionen auf der | |
Straße]. | |
Trotzdem wurden AfD-Wähler*innen dadurch nicht wirklich demobilisiert und | |
spätestens die Europawahl und die Kommunalwahlen im Osten waren ein | |
weiterer Schock: Die politische Landkarte ist zweigeteilt – der Westen ist | |
CDU-schwarz, der Osten ist AfD-blau, oder vielmehr -braun. Auch in einigen | |
westlichen Städten und Gemeinden ist die AfD jetzt stärkste Kraft – die | |
Faschisierung ist kein Ostproblem. | |
Hier zeigte sich: Ein paar Mal demonstrieren reicht nicht. Für wirksame | |
Gegenwehr braucht es langfristige Bündnisse, eine Stärkung der | |
demokratischen Kräfte, gerade in Regionen, in denen [4][längst eine rechte | |
Hegemonie etabliert ist]. Vor allem in Sachsen, Thüringen und Brandenburg | |
wäre dies wichtig. Hier kommt die AfD in Umfragen an eine | |
[5][demokratiekritische Schwelle] von einem Drittel der Landtagsmandate, | |
also einer Sperrminorität für demokratisch wichtige Prozesse wie die | |
Besetzung von Richterposten. | |
Aber zivilgesellschaftliche Gegenwehr hat durchaus Wirkung. Zu Jahresbeginn | |
stand die AfD bundesweit bei fast allen Umfragen bei 20 Prozent, | |
mittlerweile sind es 16. Maximilian Krah hatte bei seiner Spitzenkandidatur | |
für die EU-Wahl vor einem Jahr siegestrunken 23 Prozent angepeilt – es | |
wurden 15,9. Immer noch ein Rekordergebnis, aber es zeigt: Die braune Welle | |
lässt sich brechen. | |
## Chrupalla auf Schlingerkurs | |
Dass die AfD auch aufgrund zivilgesellschaftlichen Drucks bei den | |
Stichwahlen im Osten hinter den eigenen Erwartungen bleibt, erzeugt Druck | |
innerhalb der extrem rechten Partei. Ein komplett verkorkster | |
Europa-Wahlkampf mit dem Möchtegern-Trump Maximilian Krah tat sein Übriges. | |
Vor den Bundesvorstandswahlen wird das vor allem Parteichef Tino Chrupalla | |
angekreidet. Sein Schlingerkurs sorgt für viel interne Kritik: Erst | |
unterstützte er Krahs Kandidatur, dann setzte er ihn nach der Wahl vor die | |
Tür der AfD-Delegation. Chrupallas angepeilte Wiederwahl als Parteisprecher | |
dürfte knapp werden. Die anstehenden Landtagswahlen dürften der Hauptfaktor | |
sein, dass er nicht öffentlich demontiert wird. | |
Nach der EU-Wahl zeigte sich auch eine Zersplitterung innerhalb des früher | |
stramm stehenden völkisch-nationalistischen Flügels. Die Völkischen sind | |
inzwischen so Mainstream in der AfD, dass sie sich Machtkämpfe | |
untereinander leisten können: Mittlerweile gibt es dort neben Team Höcke | |
und Team Krah auch ein Team Münzenmaier, ein Netzwerk überwiegend jüngerer | |
Karrieristen um den ehemaligen [6][Hooligan Sebastian Münzenmaier]. Das | |
steht inhaltlich dem Rest des Flügels in Radikalität in nichts nach, ist | |
aber nach außen um professionelleres Auftreten bemüht. So wollen sie beim | |
Parteitag dafür sorgen, dass die große Selbstzerfleischung ausbleibt. | |
## Antrag für Einerspitze | |
Dennoch ist die Demontage von Tino Chrupalla längst geplant – wenn auch | |
erst nach den Landtagswahlen. So zumindest lässt sich der Plan des | |
Münzenmaier-Netzwerks lesen. Sie wollen auf dem Parteitag mit einem breit | |
unterstützten Antrag eine Einerspitze plus Generalsekretär ab dem 1. Januar | |
2025 installieren. | |
Designierte Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl ist Alice Weidel. Die | |
gilt zwar in Fraktion und Bundesvorstand als stinkfaule Opportunistin, ist | |
aber in der Basis überaus beliebt – nicht zuletzt dank ihrer kalkulierten | |
rassistischen Wutreden im Bundestag, gepaart mit bürgerlicher | |
Perlenkettenfassade. Für die Münzenmaiers ist Weidel somit die perfekte | |
Galionsfigur. | |
In Essen sind die Nachwuchs-Radikalen derzeit die wirksamsten | |
Mehrheitsbeschaffer für Chrupalla und Weidel, die erneut als Doppelspitze | |
antreten wollen. Gegenkandidaten gibt es nicht. Die Kontinuität soll Ruhe | |
hereinbringen. Die Zehntausenden vor der Grugahalle dürften indes dafür | |
sorgen, dass es kein ruhiges Wochenende wird für die AfD. | |
28 Jun 2024 | |
## LINKS | |
[1] /AfD-Bundesparteitag-in-Essen/!6020042 | |
[2] https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/10/geheimplan-remigrati… | |
[3] /Demonstrationen-gegen-rechts/!6010897 | |
[4] /Zivilgesellschaft-unter-Druck/!6016225 | |
[5] https://verfassungsblog.de/wp-content/uploads/2024/05/Zwischenbericht-Thuri… | |
[6] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-sebastian-muenzenmaier-wegen… | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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