| # taz.de -- Linkenpolitikerin über Wohnungspolitik: „Wir kämpfen mit Markus… | |
| > Die Bundesregierung spiele mit ihrer Mietrechtskommission auf Zeit, sagt | |
| > Caren Lay (Linke). Aber ihre Partei habe manchmal überraschende | |
| > Verbündete. | |
| Bild: Caren Lay ist nicht nur Vorsitzende des Bauausschusses im Bundestag, sie … | |
| taz: Frau Lay, der Wohnungsmarkt bleibt weiter angespannt. Aber die | |
| Bundesregierung hat sich verändert. Statt Ampel gibt es jetzt Schwarz-Rot. | |
| Wer ist Ihrer Meinung nach schlimmer für Mieter:innen: FDP oder Union? | |
| Caren Lay: Das ist natürlich ein hartes Battle. Momentan ist es ein | |
| Gleichstand. Gleichzeitig hoffe ich, dass der vernünftige Teil der Union | |
| erkannt hat, dass sie auch etwas für Mieter:innen liefern müssen und | |
| nicht die Blockadehaltung der FDP fortführen können. | |
| taz: Das Bauministerium ist in SPD-Hand geblieben. Wie unterscheidet sich | |
| denn die [1][neue Ministerin Verena Hubertz] von ihrer [2][Vorgängerin | |
| Klara Geywitz?] | |
| Lay: Positiv ist, dass sie versucht, Schwung reinzubringen, und ehrgeiziger | |
| wirkt. Gleichwohl sind die ersten Haushaltsentwürfe genauso enttäuschend. | |
| Mit dem [3][Sondervermögen Infrastruktur] ist doch plötzlich so viel neues | |
| Geld vorhanden. Ich hätte mir gewünscht, dass man damit auch Investitionen | |
| in einen gemeinnützigen Wohnungssektor ermöglicht. Aus meiner Sicht wäre es | |
| entscheidend, dass wir eine gemeinnützige Wohnungspolitik nach dem Vorbild | |
| Wiens machen. Dafür ist aber kein einziger Euro vorgesehen. Dass die | |
| Bundesregierung jetzt einseitig auf diesen „Bauturbo“ setzt, bringt uns | |
| nicht weiter. | |
| taz: Der verspricht doch immerhin, [4][Bauen weniger bürokratisch zu | |
| machen.] | |
| Lay: Einfach schneller etwas zu bauen ist keine Antwort auf die soziale | |
| Wohnungsfrage in den Städten. Viele Expert:innen befürchten, dass damit | |
| insbesondere im ländlichen Raum schnell irgendetwas hingeklatscht wird ohne | |
| jede soziale Vorgabe. Das wird die Wohnungskrise in den Städten nicht | |
| entspannen. Außerdem gibt es die berechtigte Befürchtung, dass es die | |
| Spekulation mit Grundstücken weiter antreibt. | |
| taz: Warum protestieren so wenige Menschen gegen zu hohe Mieten? | |
| Lay: Ich glaube, dass das Thema sehr schambehaftet ist. Menschen, die auf | |
| Wohngeld angewiesen sind oder wegen Mietschulden rausgeschmissen werden, | |
| reden nicht so gerne darüber. Deswegen gibt es auch an anderer Stelle wenig | |
| sozialen Protest von Betroffenen. Außerdem haben Mieter:innen auch | |
| einfach nicht so eine große Lobby wie zum Beispiel die Immobilienbranche. | |
| Die pflegt ja [5][sehr gute Kontakte in die Ministerien.] Ich habe mal das | |
| Lobbyregister der Bundesregierung ausgewertet: Auf vier Lobbyisten des | |
| Deutschen Mieterbundes kommen 144 aus der Immobilienbranche. Der | |
| Immobilienlobby gelingt es somit besser, den öffentlichen Diskurs zu | |
| bestimmen. | |
| taz: Es ist auffällig, wie viele Gelder aus der Immobilien- und Baubranche | |
| als Spenden an deutsche Parteien fließen. Sehen Sie einen Zusammenhang mit | |
| der aktuellen Politik? | |
| Lay: Es gibt finanzielle Verflechtungen, die hochproblematisch sind. Wir | |
| als Linke lehnen ja jede Unternehmensspende ab. Alle anderen Parteien im | |
| Bundestag haben Spenden von der Immobilienlobby erhalten. Insbesondere bei | |
| der Union ist [6][die Verwobenheit mit der Immobilienlobby] seit jeher sehr | |
| stark. Von der SPD wünsche ich mir, dass sie zu einer eigenständigen | |
| sozialdemokratischen Handschrift zurückfindet, die kann ich bisher nicht | |
| erkennen. | |
| taz: Woran machen Sie das fest? | |
| Lay: Die Mietpreisbremse wurde unter Angela Merkel eingeführt und sie | |
| funktioniert bis heute nicht richtig. Die SPD konnte nicht [7][die | |
| geringste Nachbesserung erreichen], zum Beispiel dass die ganzen | |
| Schlupflöcher geschlossen werden. Gleichzeitig macht sie diesen „Bauturbo“ | |
| mit, ohne soziale Vorgaben zu machen. Das ist ganz klar eine Forderung der | |
| Union und der Bauwirtschaft. | |
| taz: Was müsste denn passieren, um die Situation zu verbessern? | |
| Lay: Die Finanzierung und der Ausbau einer Wohngemeinnützigkeit und ein | |
| Mietendeckel sind zentral. Aber wir müssen auch dringend den | |
| [8][Mieterschutz bei möblierten Wohnungen] und bei Kurzzeitverträgen | |
| verbessern. Das ist relativ unreguliert und da wird den Leuten wirklich | |
| systematisch das Geld aus der Tasche gezogen. Viele, die neu in Städte | |
| kommen, haben oft nur die Möglichkeit, in diese Kurzzeit- oder möblierten | |
| Mietverträge reinzukommen. | |
| taz: Wenn Sie wählen müssten zwischen gemeinnützigem Wohnungsbau nach | |
| Wiener Vorbild oder Mietendeckel. Das eine schafft Wohnraum, das andere | |
| friert Mieten ein – wie entscheiden Sie sich? | |
| Lay: Das geht nur zusammen. Ich bin fest überzeugt, dass man die | |
| Mietpreisentwicklungen nicht dem Markt überlassen darf. Gleichzeitig | |
| brauchen wir eine sozialere Baupolitik. Das gemeinnützige Modell, wie es in | |
| Wien praktiziert wird, gab es früher auch in der Bundesrepublik. Wir | |
| sollten nicht vergessen, dass es maßgeblich die städtischen | |
| Wohnungsbaugesellschaften und die Genossenschaften waren, die das Land nach | |
| zwei Weltkriegen wieder aufgebaut haben. Die gemeinnützige | |
| Wohnungswirtschaft war eigentlich ein Erfolgsmodell, die Mietpreise wurden | |
| dadurch niedrig gehalten. Das hat der freien Immobilienwirtschaft natürlich | |
| nicht gefallen. Leider hat der Korruptionsskandal um die | |
| gewerkschaftseigene Wohnungsgesellschaft Neue Heimat Anfang der 80er Jahre | |
| der Regierung Kohl den Anlass geboten, die Wohngemeinnützigkeit | |
| grundsätzlich abzuschaffen. Sie sollte wieder eingeführt werden. | |
| taz: Sie wurde doch [9][von der Ampel wieder eingeführt]. | |
| Lay: Aber nur in einer absoluten Schmalspurvariante. Es braucht aber einen | |
| relevanten Teil des Wohnungsmarktes, der nicht den Gesetzmäßigkeiten von | |
| Rendite folgt, sondern den Gesetzmäßigkeiten des Gemeinwohls. Dafür braucht | |
| es staatliche Investitionen und einen besseren Rechtsrahmen. Beides ist von | |
| der Regierung leider nicht wirklich vorgesehen. | |
| taz: Mitte September wurde [10][eine Mietrechtskommission eingesetzt.] Die | |
| will bis Ende 2026 zum Beispiel prüfen, wie man Mietwucher besser bestrafen | |
| kann. Sind Sie hoffnungsvoll? | |
| Lay: Diese Kommission gibt es doch nur, weil sich SPD, CDU und CSU in den | |
| Koalitionsverhandlungen in strittigen Fragen nicht einigen konnten. Ich bin | |
| mir sehr unsicher, was dabei herauskommt. Dabei gibt es für die meisten | |
| Themen schon lange gute Vorschläge. | |
| taz: Zum Beispiel? | |
| Lay: Die Kommission soll sich ja mit [11][überhöhten Mieten beschäftigen], | |
| also wie der Paragraf 5 des Wirtschaftsstrafgesetzbuches besser angewendet | |
| werden kann. Da gibt es einen konkreten Vorschlag, der schon mehrfach im | |
| Bundesrat mit einer Mehrheit bedacht worden ist. Dieser Gesetzesvorschlag | |
| kam aus Bayern. Also Markus Söder und die Linke kämpfen hier gemeinsam für | |
| eine bessere Verfolgung des Mietwuchers. Aber die Union blockiert und | |
| spielt mit der Kommission auf Zeit. | |
| taz: Sind die Grünen hier für Sie ein Bündnispartner? | |
| Lay: Die Grünen haben in der vergangenen Legislaturperiode in der | |
| Wohnungspolitik leider keinen einzigen Punkt gemacht. Aber ich begrüße es, | |
| dass sie sich [12][wieder auf das Thema besinnen.] Ich will aber auch | |
| sagen, ohne den Wahlerfolg der Linken mit dem Mietenthema wäre diese Wende | |
| der Grünen wahrscheinlich nicht zustande gekommen. | |
| taz: Sie haben das [13][Thema Mieten im Wahlkampf] erfolgreich stark | |
| gemacht und mit einem [14][Mietwuchercheck] auch praktische Hilfe | |
| angeboten. Was ist daraus geworden? | |
| Lay: Es gibt erste Erfolgsmeldungen. Es gibt einige Städte, die jetzt | |
| Abteilungen geschaffen haben, um Mietwucher besser zu verfolgen. Leipzig | |
| und Hamburg beispielsweise bauen das jetzt auf. Wir werden den | |
| Mietwuchercheck im Herbst auf weitere Städte ausweiten. | |
| taz: Gilt das auch [15][für den Heizkostencheck]? | |
| Lay: Auch den wird meine Partei weiter anbieten. Am ersten | |
| Oktoberwochenende veranstaltet die Partei eine große Konferenz, wo wir mit | |
| vielen engagierten Mitgliedern eine große Mietenkampagne planen wollen. Sie | |
| werden noch sehr viel von uns hören, nicht nur auf Bundesebene, sondern | |
| auch in den Ländern und Kommunen. | |
| taz: Sie sind seit Mai Vorsitzende des Bauausschusses im Bundestag. Hat | |
| sich mit dieser Rolle auch Ihr Einfluss verändert? | |
| Lay: Ich hoffe: ja. Ein Stück weit kann ich das Agendasetting mit | |
| beeinflussen. Ich kann mitentscheiden, was auf die Tagesordnung des | |
| Ausschusses und dann auch des Bundestages kommt. | |
| taz: Wurden Sie schon ins Bauministerium eingeladen? | |
| Lay: Noch nicht, aber das steht bald an. | |
| taz: Wie benimmt sich eigentlich die AfD im Bauausschuss? Lay: Sie ist | |
| bisher nicht sehr auffällig. Ihre Provokationen macht sie ja meist nur auf | |
| der großen Bühne. Zudem interessiert sich die Partei auch nicht für | |
| Wohnungspolitik. Konkrete Vorschläge, wie wir die Situation verbessern | |
| könnten, gibt es von ihr nicht. Das ist eine wichtige Botschaft. Denn es | |
| gibt Untersuchungen, die sagen, dass Mieter:innen, die von der Mieterhöhung | |
| bedroht sind, eher dazu tendieren, die AfD zu wählen. Das ist absolut | |
| irrational. | |
| taz: Sie sind seit 2009 im Bundestag und waren zwischendrin sehr | |
| angefressen über den Zustand der Linken-Fraktion. Wie sieht das heute aus? | |
| Lay: Ich feiere sehr, dass die Linke so gestärkt in den Bundestag gekommen | |
| ist mit so einer jungen, frischen und großen Fraktion. Wir haben jetzt fünf | |
| Abgeordnete, die sich um verschiedene Aspekte von Wohnungspolitik kümmern: | |
| Mietenpolitik, Bau- und Stadtentwicklungspolitik, Spekulationsbekämpfung | |
| und Wohnungslosigkeit, soziale Wärmewende. Das gab es vorher nicht. | |
| taz: Lange waren Sie aber [16][Einzelkämpferin auf dem Feld]. | |
| Lay: Das stimmt, ich habe da sehr lange auf Granit gebissen. Es war einen | |
| kluge Entscheidung der jetzigen Fraktions- und Parteiführung, das Thema zu | |
| stärken. Es ist ja nicht bei allen linken Themen so, dass es auch eine | |
| große inhaltliche Einigkeit gibt. | |
| taz: Sie sind auch bekannt für Ihre Social-Media-Auftritte. Was haben Sie | |
| da als Nächstes in der Mache? | |
| Lay: Es gibt eine neue Serie, die [17][heißt „Beim Finanzamt“.] Da geht es | |
| um ungerechte Steuerpolitik an der Schnittstelle zwischen Steuer-, | |
| Immobilien- und Wohnungspolitik. | |
| taz: Klingt ziemlich kompliziert für Tiktok! | |
| Lay: Wir erklären beispielsweise [18][Sharedeals oder Steuerschlupflöcher | |
| für Immobilienkonzerne], natürlich mit Humor und Augenzwinkern. Dass Oma | |
| Else Grunderwerbsteuer zahlen muss, aber Deutsche Wohnen keinen einzigen | |
| Euro Steuern bei einem 25-Milliarden-Deal zahlt. Dieses himmelschreiende | |
| Unrecht verdient mehr Öffentlichkeit. Ich will, dass die junge Generation | |
| davon erfährt. Wir haben jetzt die ersten Folgen produziert. Sie können | |
| gespannt sein. | |
| 28 Sep 2025 | |
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| [14] https://www.mietwucher.app/ | |
| [15] https://www.die-linke.de/mitmachen/kampagnen/heizkostencheck/ | |
| [16] /Linkenpolitikerin-uebers-Wohnen/!5880216 | |
| [17] https://www.tiktok.com/@caren.lay.mdb/video/7551753793520635158 | |
| [18] /Akelius-schuettet-Dividende-aus/!5843609 | |
| ## AUTOREN | |
| Jasmin Kalarickal | |
| Pascal Beucker | |
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