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# taz.de -- Gesetz von Deutsche Wohnen enteignen: Die Utopie lebt!
> „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ will die Berliner Landespolitik zur
> Übernahme von Wohnungen zwingen. Dafür hat die Initiative ein
> Vergesellschaftungsgesetz vorgelegt.
Bild: Berliner Bekenntnis zur Enteignung
Berlin taz | Vier Jahre nach dem Berliner Volksentscheid, der die
Vergesellschaftung der Bestände der großen privaten Wohnungskonzerne
forderte, scheint die Utopie geplatzt. Der mehrheitliche Wunsch der
Berliner:innen wurde vom Senat erfolgreich blockiert, das Vorhaben, der
Stadtgesellschaft wieder Zugriff auf die Wohnungen und damit die
Mietentwicklung zu ermöglichen, ist vor die Wand gefahren.
Doch womöglich haben sich die Konzerne und die politischen Gegner:innen
des Projekts zu früh gefreut: [1][Deutsche Wohnen & Co enteignen] (DWE)
lebt – und verfolgt weiterhin mit Nachdruck das Ziel, zum ersten Mal in der
Geschichte der Bundesrepublik, den Grundgesetzartikel 15, der die
Vergesellschaftung von Grund und Boden, Naturschätzen und
Produktionsmitteln regelt, zur Anwendung zu bringen.
An diesem Freitag hat die Initiative den Entwurf für ein
Vergesellschaftungsgesetz auf einer Pressekonferenz vorgelegt – das
Ergebnis von zwei Jahren Arbeit [2][in Kooperation mit der Berliner Kanzlei
Geulen & Klinger] und einem wissenschaftlichen Beirat. Das Ergebnis ist ein
Novum in der deutschen Rechtsgeschichte: Ein 20-seitiges Gesetz aus 37
Paragrafen samt seiner 100-seitigen Begründung, das die Vergesellschaftung
aller Wohnungen von Konzernen mit mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin
regelt. Insgesamt etwa 220.000 Wohnungen sollen damit in eine zu gründende
Anstalt öffentlichen Rechts überführt werden, für die ein eigenes Gesetz
noch in Arbeit ist.
Auf dieser Grundlage strebt die Initiative ein weiteres Volksbegehren und
einen finalen Volksentscheid an, dessen Ergebnis dann nicht mehr wie im
ersten Anlauf ein Appell an den Senat, sondern direkt inkrafttretende
Gesetze sind. „Die Berliner:innen bekommen jetzt endlich, was ihnen
versprochen wurde: bezahlbare Wohnungen“, sagt Initiativen-Sprecherin
Isabella Rogner.
## Basteln an einem Rahmengesetz
Rückblick: 2023, zwei Jahre nach dem mit 59,1 Prozent der abgegebenen
Stimmen gewonnen Volksentscheid, dem die Sammlung von 360.000
Unterschriften vorausgegangen war, hatte eine vom Senat eingesetzte
[3][juristische Expert:innenkommission die Zulässigkeit des
Vorhabens bestätigt]. Die Kommission war hochkarätig besetzt, unter Führung
der ehemaligen Justizministerin Herta Däubler-Gmelin; zu den Mitgliedern
zähle auch die diese Woche neu gewählte Bundesverfassungsrichterin
Ann-Katrin Kaufhold.
Doch statt das Prüfergebnis anzuerkennen und sich an die Umsetzung des
Wähler:innenauftrags zu machen, stellten sich CDU und SPD quer,
basteln seitdem an einem [4][„Rahmengesetz“], das aber keine
Vergesellschaftungen ermöglichen soll. Im September 2023 dann die Flucht
nach vorn: Die Initiative sammelte 80.000 Euro per Crowdfunding und
[5][startete die Arbeit an dem Gesetz].
Wichtiger als ein schnelles Ergebnis sei dabei gewesen, ein rechtssicheres
und pragmatisches Gesetz vorzulegen, so Initiativen-Sprecherin Rogner.
Vergesellschaftet werden sollen alle Grundstücke inklusive der Gebäude mit
mindestens 75 Prozent Wohnanteil, die im Allein- oder Mehrheitseigentum der
Konzerne stehen, ausgenommen sind landeseigene Gesellschaften,
Genossenschaften oder religiöse Unternehmen. Neu dabei ist: Die betroffenen
10 oder 11 Unternehmen, darunter Vonovia als größter Wohnungskonzern des
Landes, sollen 3.000 Wohnungen behalten dürfen – um eine Ungleichbehandlung
mit kleineren Unternehmen zu vermeiden.
Knackpunkt des Unterfangens ist die Höhe der Entschädigung – die laut
Grundgesetz in „Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der
Beteiligten zu bestimmen“ ist und daher unterhalb des Marktwerts liegen
kann, wie auch die Expert:innenkommission schon bestätigte.
Die Verfasser:innen des Gesetzes haben einen eigenen Weg gefunden: Voll
entschädigt werden soll, was auf die Leistung der Konzerne zurückzuführen
ist, bemessen an den Baukosten der Gebäude und ihrem baulichen Zustand –
der Gebäudesachwert. Abstriche hingegen sollen bei der Entschädigung der
Bodenwerte gemacht werden, die laut Rogner eine „leistungslose
Wertsteigerung darstellen, für die die Konzerne nichts getan haben“ und
stattdessen einzig auf „Rendite und Spekulation“ beruhen.
Seit 2013 sind die Bodenwerte in Berlin auf beispiellose Weise in die Höhe
geschnellt, mit jährlichen Steigerungsraten von bis zu 70 Prozent. Das
gewählte Entschädigungsmodell nimmt nun den Durchschnittswert von 2011 bis
2013 zur Grundlage und rechnet eine moderate Steigerungsrate von 3,5
Prozent jährlich hinzu.
## Entschädigungen zwischen 8 und 18 Milliarden Euro
Zusammengenommen beträgt die Entschädigung damit je nach Konzern und Art
der Grundstücke und Wohnungen etwa 40 bis 60 Prozent des derzeitigen
Marktwerts. „Wir gehen davon aus, dass sich die Entschädigungssumme in
einem Korridor von 8 bis 18 Milliarden Euro bewegen wird“, sagt Rogner,
denn aufgrund fehlender Kataster ist unklar, welche Bestände am Ende
vergesellschaftet werden.
Geld erhalten sollen die Konzerne nicht, sondern Wertpapiere mit dem
Nominalwert der Entschädigungshöhe. Diese Schuldverschreibungen sollen dann
über 100 Jahre jährlich mit 3,5 Prozent verzinst getilgt werden, finanziert
aus den Mieteinnahmen ohne Kosten für den Landeshaushalt.
Die Mieten – und das ist das entscheidende Versprechen – sollen langfristig
stabilisiert, überhöhte Mieten, die etwa gegen die Mietpreisbremse
verstoßen auch abgesenkt werden, so Rogner. „Insgesamt wird das einen sehr
dämpfenden Effekt auf den Berliner Wohnungsmarkt und den Mietspiegel
haben“, sagt sie.
Vorgesehen ist eine Übergangszeit von 18 Monaten nach Inkrafttreten des
Gesetzes bis die Vergesellschaftung abgeschlossen ist. Per Gesetz werden
die Konzerne zur Mitarbeit verpflichtet – unter Androhung hoher Strafen. Um
Umgehungsstrategien der Konzerne entgegenzutreten, soll für die Bestimmung
ihres Wohnungsbestandes bereits der Tag gelten, an dem das Volksbegehren
nach Einreichung der ersten 20.000 Unterschriften durch die Innenverwaltung
für zulässig erklärt wird.
Bis es so weit ist, geht das Gesetz nun bis Jahresende in eine
Feedbackschleife, mit Stellungnahmen, die Verbände und Parteien abgeben
sollen sowie mit Diskussionsveranstaltungen. 2026 geht es dann wieder los
mit dem Sammeln von Unterschriften. Die Utopie lebt.
26 Sep 2025
## LINKS
[1] /Deutsche-Wohnen--Co-enteignen/!t5764694
[2] /Deutsche-Wohnen--Co-enteignen/!6023436
[3] /Gutachten-zu-Enteignungen-in-Berlin/!5932840
[4] /Deutsche-Wohnen--Co-enteignen/!6092920
[5] /Neues-Enteignen-Volksbegehren-in-Berlin/!5960810
## AUTOREN
Erik Peter
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