Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Expertin über das Rahmengesetz zu DWE: „Ein Versuch, Artikel 15 …
> Die Berliner CDU und SPD greifen mit dem Rahmengesetz das Grundgesetz an,
> sagt eine Juristin der DWE-Expert:innenkommission. Das Gesetz sei
> juristisch belanglos.
Bild: Vergesellschaftungsrahmengesetz – kein Grund den Korken knallen zu lass…
taz: Frau Mangold, am Mittwoch haben SPD und CDU ein
Vergesellschaftungsrahmengesetz vorgelegt. Sie waren Mitglied der
Expert:innenkommission zu DW Enteignen. Ist das ein Schritt auf die
Vergesellschaftung zu – oder einer davon weg?
Anna-Katharina Mangold: Nach meiner Lektüre geht es in dem Gesetz darum,
dem Vergesellschaftungsartikel 15 im Grundgesetz so enge Grenzen zu ziehen,
dass er keine Wirkung mehr entfalten kann. Sie können Artikel 15 nicht
streichen, weil sie dazu keine Macht haben. Aber sie versuchen alles, um
das Instrument der Vergesellschaftung zu verunmöglichen.
taz: Woran machen Sie das fest?
Mangold: An zwei Aspekten. Erstens daran, dass im Gesetz der Zweck der
Vergesellschaftung auf die Sicherstellung der Daseinsvorsorge verengt wird.
Aber es geht im Grundgesetz bei Artikel 15 nicht um die sozialstaatliche
Daseinsvorsorge. Sondern um eine andere Eigentumsordnung, darum, dessen
Privatnützigkeit zu beenden.
taz: Können Sie den Unterschied deutlicher machen?
Mangold: Die historische Genese des Grundgesetzes ist, dass im Artikel 14
der Eigentumsschutz festgeschrieben ist, daneben in Artikel 15 aber die
Möglichkeit der sozialistischen Utopie einer Vergesellschaftung
festgehalten wurde. Das hat damals die SPD erkämpft. Ich kann es kaum
glauben, dass nun ausgerechnet die SPD den Artikel so umdeutet, dass es
darin um soziale Marktwirtschaft gehe. Der ganze Punkt ist, dass die
Marktwirtschaft beendet werden soll. Weil diese eben immer privatnützig
funktioniert.
taz: Wie lautet Ihr zweiter Punkt?
Mangold: Der betrifft die enge Definition von Verhältnismäßigkeit im
Gesetz. Die muss natürlich gewährleistet werden. Aber wenn SPD und CDU
jetzt mit Verweis auf die Verhältnismäßigkeit sagen, dass die Entschädigung
vom Verkehrswert ausgehen soll, dann schreibt dies die Eigentumsordnung
fort. Die Konzerne besitzen ja dann immer noch: nur eben Geld statt
Immobilien. Noch mal: Es geht in Artikel 15 um die freie, demokratische
Entscheidung, die Marktwirtschaft zu beenden.
taz: Wie gefährlich ist das Gesetz denn Ihrer Einschätzung nach? Das
Grundgesetz wird es ja nicht aushebeln können …
Mangold: Exakt. Wir haben es mit verfassungsrechtlichen Quatschjura zu tun.
Eigentlich hat das Gesetz überhaupt keinen Regelungsgehalt, weil es nur
eine politische Selbstbindung des Senats und des Abgeordnetenhauses ist. Es
ist eine gesetzliche Festschreibung einer politischen Position. Aber jeder
künftige Senat – selbst derselbe – kann das Gesetz einfach wieder
abschaffen oder ein neues Gesetz schreiben. Es hat keinerlei Bindewirkung.
taz: Erklären Sie.
Mangold: Das Grundgesetz bleibt ja bestehen. Und auch in Berlin hat das
Gesetz keinen Verfassungsrang. Juristisch ist es so, dass jedes neue Gesetz
die älteren Gesetze aufhebt. Weder das Abgeordnetenhaus noch der Senat ist
also an dieses Rahmengesetz gebunden. Das Gesetz ist auch nicht höherrangig
als eine direktdemokratische Abstimmung. Wenn DW Enteignen mit einer
Volksgesetzgebung erfolgreich ist, entfaltet das unmittelbar Wirkung – und
dann gilt dieser Volksentscheid, nicht das Rahmengesetz.
taz: Die SPD argumentiert: Es braucht das Rahmengesetz, damit Karlsruhe
signalisieren kann, wie rechtssicher enteignet werden kann. Macht das
keinen Sinn?
Mangold: Ich bezweifle, dass es überhaupt einen Gegenstand gibt, über den
das Bundesverfassungsgericht entscheiden kann. Ich frage mich ernsthaft, ob
man überhaupt von einem Gesetz reden kann, weil es keinen Regelungsgehalt
hat. Es ist ein Rahmengesetz, das keinen Rahmen setzt. Es ist nur die
Willensbekundung des Senats, wie er Vergesellschaftung versteht.
taz: Ist das Gesetz auch ein Affront gegen die Arbeit, die die
Expert*innenkommission geleistet hat?
Mangold: Absolut. Der Senat hat viel Geld in eine
Expert:innenkommission gesteckt, hat sich eine enorme
verfassungsrechtliche Expertise eingekauft. Die SPD war daran beteiligt.
Jetzt ist da nicht dabei herausgekommen, was die SPD wollte, also versuchen
sie, über die Hintertür die Verfassungsmäßigkeit von Vergesellschaftung
doch anzuzweifeln. Es ist ein präzedenzloser Vorgang in der
Verfassungsgeschichte, dass eine Landesregierung ein Gesetz nur mit dem
Zweck erlässt, es als verfassungswidrig klassifizieren zu lassen.
taz: Sie haben eben schon kritisiert, dass das Gesetz in Sachen
Entschädigung vom Verkehrswert ausgeht, also von dem Preis, die die
Immobilien aktuell auf dem Markt erzielen. Wie hat denn die
Expert:innenkommision die Entschädigungsfrage bewertet?
Mangold: Wir haben einen Mittelwert zwischen zwei möglichen
Radikalvarianten gewählt. Die erste Variante sagt, wir entschädigen nur
minimal den Substanzwert, weil es hier um eine radikale Neuaufstellung des
Marktsegmentes geht. Die andere Radikalauffassung wird nun von CDU und SPD
vertreten, die vom sogenannten Verkehrswert, also dem Wert auf dem Markt,
ausgeht. Als Kommission haben wir gesagt: Abschläge vom Verkehrswert sind
verfassungsrechtlich zulässig. Leistungsloser Wertzuwachs wegen gestiegenen
Boden- und Eigentumswerten muss nicht entschädigt werden, die
Sozialpflichtigkeit von Eigentum ist zu berücksichtigen.
taz: Im Gesetz ist auch davon die Rede, dass Vergesellschaftung nicht
möglich sein soll, wenn diese die Leistungsfähigkeit des Landeshaushalts
erheblich einschränkt. Kann dies das Vorhaben noch kippen?
Mangold: Nein, das ist alles substanzlos. Die Politik trifft ja ständig
Entscheidungen, die den Haushalt belasten. Wo soll man denn da die Grenze
ziehen? Bei jeder Entscheidung geht es um die Abwägung: Ist uns dieses
Vorhaben das Geld wert?
taz: Wie geht es jetzt weiter mit DW Enteignen und dem eigenen
Gesetzesvolksentscheid? Wird das Rahmengesetz den Prozess noch mal in die
Länge ziehen?
Mangold: Nein, die Initiative muss nicht auf Karlsruhe warten. DWE sollte
jetzt unbedingt vorangehen und die Verhinderungstaktik ignorieren. Und die
SPD sollte sich Gedanken machen, ob sie wirklich das ursozialdemokratische
Instrument der Vergesellschaftung verhindern will. Aber immerhin das macht
dieser Gesetzesentwurf deutlich: wer etwas machen – und wer etwas
verhindern will.
18 Dec 2025
## AUTOREN
Timm Kühn
## TAGS
Deutsche Wohnen & Co enteignen
Enteignungskommission
Enteignung
Schwarz-rote Koalition in Berlin
SPD Berlin
CDU Berlin
Deutsche Wohnen & Co enteignen
Deutsche Wohnen & Co enteignen
Schwerpunkt Stadtland
Deutsche Wohnen & Co enteignen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Rahmengesetz statt Enteignung: Sozialdemokratische Quatschpolitik
Die SPD verkauft das Rahmengesetz als Durchbruch. Dabei ist es ein
substanzloser Versuch, der Vergesellschaftung Steine in den Weg zu legen.
Vergesellschaftungsgesetz in Berlin: Niemand hat die Absicht zu enteignen
Die Koalition legt Vergesellschaftungsrahmengesetz vor. SPD nennt es
„historisch“, CDU und DWE sind sich einig: Enteignungen sollen damit
verhindert werden.
Gesetz von Deutsche Wohnen enteignen: Die Utopie lebt!
„Deutsche Wohnen & Co enteignen“ will die Berliner Landespolitik zur
Übernahme von Wohnungen zwingen. Dafür hat die Initiative ein
Vergesellschaftungsgesetz vorgelegt.
Deutsche Wohnen &. Co enteignen: „Wir müssen den schlafenden Riesen wecken“
Die SPD will per Vergesellschaftung einen neuen Mietendeckel – und nicht
enteignen. Ein Gespräch über Gemeinwirtschaft und politische
Glaubwürdigkeit.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.