# taz.de -- Kommunale Galerie in Berlin: „Kunst wird immer exklusiver“ | |
> Seit 2024 leiten Agnieszka Roguski und Natalie Keppler den Berliner | |
> „Kunst Raum Mitte“. Ein Gespräch über weiße Elefanten und Kürzungen im | |
> Kulturetat. | |
Bild: Die Kuratorinnen Natalie Keppler und Agniezska Roguski | |
taz: Frau Roguski, Frau Keppler, Sie haben 2024 die künstlerische Leitung | |
des Kunst Raum Mitte übernommen. Viele kennen ihn noch als [1][galerie | |
weisser elefant]. Warum hat man die kommunale Galerie umbenannt? | |
Agnieszka Roguski: Vor uns hatte Ralf Bartholomäus 35 Jahre die | |
künstlerische Leitung inne. Der neue Name soll eine Neuorientierung und | |
Selbstbefragung als kommunale Galerie im Bezirk Mitte ermöglichen. | |
taz: Kunst Raum Mitte erklärt sich von selbst, aber wer war dieser weiße | |
Elefant? | |
Natalie Keppler: Die galerie weisser elefant wurde 1987 in Ostberlin, | |
damals noch in der Almstadtstraße, als Galerie für junge Künstler*innen | |
in Berlin eröffnet. Die ersten Dokumente, die wir dazu gefunden haben, sind | |
von 1985. Es gibt sehr viel Schriftverkehr, auch zum Namen. | |
Künstler*innen haben sich schließlich mit dem Vorschlag durchgesetzt, | |
die Galerie „weisser elefant“ zu nennen, weil sie sich in einer Eckkneipe | |
in der Almstadtstraße getroffen hatten, die umgangssprachlich unter diesem | |
Namen bekannt war. | |
Roguski: Im Schaufenster standen dort weiße Porzellanelefanten, die zu | |
einem Sinnbild für die Künstler*innen wurden. Auf den Schildern der | |
Galerie bekam der Elefant Flügel als Zeichen der Kunstfreiheit. | |
taz: Sie zeigen in den Räumen auch Auszüge aus dem Archiv der Galerie. Wie | |
haben Sie sich diesem angenähert? | |
Keppler: Was wir gefunden haben, war kein Archiv, sondern Umzugskisten und | |
Ordner im Keller, die in schlechtem Zustand waren. Uns ist es ein Anliegen, | |
auf die Geschichte der Galerie zu schauen, auch weil diese kaum bekannt | |
ist. Die galerie weisser elefant war eine der wenigen Galerien, die 1987, | |
also vor der Wende gegründet wurde und dann als kommunale Galerie | |
weiterexistierte. | |
Roguski: Es geht uns auch darum zu zeigen, dass Geschichte immer auf eine | |
bestimmte Art und Weise gemacht wird, abhängig von politischen, kulturellen | |
und räumlichen Kontexten. Wir betreiben kuratorische und künstlerische | |
Forschung und betrachten alles, womit wir arbeiten, als performatives | |
Material. Das passt, denn die galerie weisser elefant hat auch | |
Performancekunst gezeigt, was für die späte DDR als System, einerseits | |
signifikant, andererseits künstlerisch besonders war. | |
taz: Inwiefern? | |
Roguski: Weil das immer ein widerständiges Potenzial hatte: nicht | |
aufgezeichnet zu werden und dadurch Kritik üben zu können. Die | |
Performances, die hier stattgefunden haben, haben sich außerdem von solchen | |
der westdeutschen Kunstgeschichte unterschieden. Auch darin liegt eine | |
historische Besonderheit. | |
taz: Der Kunst Raum Mitte liegt in der Auguststraße, in direkter | |
Nachbarschaft zu den KW und kommerziellen Galerien, wo viele | |
Tourist*innen langkommen. Wie verortet man sich da als kommunale | |
Galerie? | |
Roguski: Wir arbeiten ganz anders als die kommerziellen Galerien oder die | |
großen Institutionen, das ist gerade das Spannende. Die Frage nach dem Wert | |
von Kunst ist in Mitte interessant, weil dort die Marktfähigkeit als | |
stärkstes Element erscheint. Gleichzeitig gibt es aber auch viele | |
Bildungseinrichtungen, viele Kinder, viel Alltag und viel Geschichte. Das | |
alles wollen wir miteinander in Beziehung setzen und dabei uns und unsere | |
Aufgabe immer wieder reflektieren. | |
Keppler: Der Kunst Raum Mitte ist als [2][eine von 37 kommunalen Galerien | |
Berlins] eine Einrichtung des Bezirks, der kostenfreie Angebote zur | |
Verfügung stellt. Als solche ist es auch unsere Aufgabe, Künstler*innen | |
einzuladen, bei uns ihre Arbeiten zu zeigen. Durch die Kürzungen von der | |
Förderung von den Honoraren für Künstler*innen wird das nun leider stark | |
torpediert. Das ist ein drastischer Wendepunkt in der Geschichte. | |
taz: Sie meinen die [3][Aussetzung des Fonds für Ausstellungsvergütungen | |
für Bildende Künstler*innen durch die Senatskulturverwaltung], 2016 | |
eingeführt, um Künstler*innen, die in kommunalen Galerien ausstellen, zu | |
bezahlen. Welche Folgen hat das für Sie? | |
Keppler: Wir sind verpflichtet, Ausstellungen zu machen, Künstler*innen | |
einzuladen und Programm zu machen. Die einst festgesetzten Honorare müssen | |
nun aus anderen Mitteln finanziert werden. Für das laufende Jahr kann der | |
Fachbereich des Bezirksamts die Gelder noch umverteilen, wie es weitergeht, | |
ist vollkommen unklar. Es ist einschneidend, dass die hart erkämpften | |
festen Honorarsätze für Künstler*innen nun nicht mehr verpflichtend | |
sind. | |
Roguski: Für das kommende Projekt kann der Kunst Raum Mitte die | |
Künstler*innen noch bezahlen, aber wie es danach weitergehen soll, | |
wissen wir nicht. Fast schlimmer als die finanzielle Situation finde ich | |
aber den Angriff auf die ethischen Standards. Was ist künstlerische Arbeit | |
wert? Es wird in Zukunft in der Verantwortung einzelner Kurator*innen | |
liegen, wie viel Fundraising noch mit Drittmitteln erreicht werden kann. | |
Wenn sich aber immer mehr Leute auf immer weniger Drittmittel bewerben, | |
wird es schwierig. | |
taz: Wie wollen Sie weiter vorgehen? | |
Roguski: Darauf können wir keine klare Antwort geben, vieles ist noch nicht | |
abschließend geklärt. Zu den praktischen Fragen kommt die Aufgabe, sich | |
politisch zu organisieren. Die kommunalen Galerien Berlins haben sich dafür | |
zusammengeschlossen. | |
taz: Gibt es noch Verhandlungsspielraum? | |
Roguski: Finanziell ist die Entscheidung des Senats bezüglich der | |
Ausstellungsvergütung für dieses Jahr bereits gefallen. Aber auf der | |
politischen Ebene können wir noch ansetzen. Wir wollen ein Programm machen, | |
das nicht exklusiv ist, denn das wird die Konsequenz der Kürzungen sein: | |
Kunst wird immer exklusiver werden, immer weniger Leute werden es sich | |
leisten können, Kunst anzuschauen oder Kunst zu machen. Dem wollen wir als | |
kommunale Galerie mit einem kritischen, aber offenen Programm | |
entgegentreten. | |
20 Mar 2025 | |
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## AUTOREN | |
Beate Scheder | |
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