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# taz.de -- Die Kunst der Woche: Alles kommt in Wellen
> Ting-Jung Chen untersucht in der daadgalerie die Macht des Klangs. Im
> Eigen & Art Lab sucht Cihan Çakmak nach dem Verbindenden und Trennenden.
Bild: Installationsansicht, Ting-Jung Chen: „Here on the Edge of the Sea We S…
Wo sind wir hier gestrandet? Bojen verschiedener Größe stellen sich einem
in der daadgalerie in den Weg. Aus zartgrauem Pappmaché gefertigt wirken
sie gleichzeitig monströs – wegen ihrer Größe – wie fragil – aufgrund …
Materials. Nachrichtenschnipsel aus internationalen Tageszeitungen sind auf
ihrer Oberfläche zu erkennen, zwischen den Objekten liegen Seile und Kabel.
Nicht nur diese verbinden sie untereinander: Ein wogendes Rauschen umgibt
die Bojen, das noch dazu interaktiv auf die Galeriebesucher*innen
reagiert. Je näher man ihnen kommt, desto lauter wird der Sound der
Sinuswellen, deren Frequenz und Wellenlänge von der Größe und Form der
jeweiligen Boje abhängt.
Ohnehin hängt alles irgendwie voneinander ab und überlagert sich in der
multisensorischen Ausstellung der taiwanesischen Künstlerin Ting-Jung Chen,
Musik & Klang Fellow des Berliner Künstlerprogramms des DAAD 2024/25.
Geht man an den Seilen und Kabeln entlang, werden Ausschnitte aus
politischen Reden zu verschiedenen Kriegen und Krisenherden seit 1971 bis
heute hörbar. Auch hier wirken Überwachungskameras mit, sorgen dafür, dass
jede*r seinen eigenen Soundtrack erhält.
Ein wenig klingt es, als würde man bei einem alten Radiogerät erfolglos
nach einem Sender suchen. Floskelhafte Sätze in der Rhetorik der Macht sind
zwischen Störgeräuschen zu vernehmen, schwer zu- und einzuordnen, wie genau
man auch hinhört, bedrohlich gerade in ihrer Abstraktheit. Wer spricht?
Wann? Über wen? Und mit welchem Motiv? Ist den Worten zu trauen? Ting-Jung
Chen manipuliert, stellt gleichsam Manipulation aus.
Seit einiger Zeit bereits beschäftigt sich Ting-Jung Chen mit akustischer
Kriegsführung und Propaganda. Immer wieder nimmt sie dabei Bezug auf den
andauernden Konflikt zwischen China und Taiwan, aber auch auf die Rolle von
Sound und gesprochenem Wort im Verlauf der Zeit.
Weiter hinten in der Galerie, hinter einem Sichtschutz, führt sie das auf
noch aggressivere Weise vor. Grelles Stroposkoplicht prasselt dort auf
einen ein, Rauschen, Noise, Stille. Körperlich so intensiv ist das zum
Teil, dass es einem fast schwindelig werden könnte. Selbst die Partituren
von Schlafliedern, die Ting-Jung Chen, hier angebracht hat, wirken so auf
einmal gar nicht mehr friedlich.
Andere Töne, andere Lieder im Eigen & Art Lab. Inmitten des großen
Ausstellungsraumes hat Cihan Çakmak (*1993 in Worpswede) einen Teppich und
Sitzkissen ausgelegt. Darauf kann man Platz nehmen, als sei man bei ihr zu
Hause zu Gast. Intim sind auch die Einblicke, die sie über die Kopfhörer
gewährt. Ihre Träume erzählt die Künstlerin nach, die sie seit Jahren schon
in einem Tagebuch festhält.
Um Abschiede geht es da, Reisen, Ausreisen, Kleidung und deren
Konnotationen und Regeln, rätselhafte Botschaften und Begegnungen,
fantastisch-surreal verzerrte Szenen – wie Träume eben sind. Der Bruder,
die Mutter, die Eltern, Familienangehörige spielen eine Rolle. Im Video
„Where I left you“ begegnet man vielen Personen und auch dem Teppich
wieder. In den Hauptrollen der Zweikanal-Videoinstallation sind die
Schauspielerin Safira Robens und die Künstlerin Hicran Demir zu sehen.
Wie die Traumsequenzen umkreisen sie Abschiede diverser Art. Um
Zugehörigkeit und ums Ausbrechen aus familiären und anderen Strukturen geht
es, um die Geschichten der Vorfahren, um Trauer, um Wut. Eine Faust schlägt
auf Kissen ein, Wasser tropft unaufhörlich auf den Fliesenboden.
Dazu ein Lied auf Kurdisch und auf Deutsch gesprochener Text, vielsagende
Worte, wie die, mit denen die Arbeit endet: „Die Zweige fallen zu Boden.
Sie saugen den letzten Rest Wasser. Langsam wenden sich die Flüsse weg,
trocknen aus. Der Mond über mir wirft sein Licht ab. Ebbe auf Lebenszeit.“
Oder wie die in jenem Satz ungefähr in der Mitte: „Nicht das Gehen ist
schwer, es ist das Verlassen“.
Sie finden ein Echo in dem Text, den die Schriftstellerin Asal Dardan für
die Ausstellung geschrieben hat und sie hallen nach beim Betrachten der
Fotografien, für die man die kurdische Künstlerin vor allem kennt. Eine
Frau – die Künstlerin? – mit verhülltem Haar von hinten, mit nach vorn
geschobenen Schultern, die den Stoff ihrer Bluse straffen.
Ein Selbstporträt, auf dem im knappen fliederfarbenen Zweiteiler barfuß am
Boden kniet, der Kopf gesenkt, sodass ihr Haar wie ein Vorhang vors Gesicht
fällt. Ein nacktes Paar hintereinander kauernd. Dazwischen hängen
feinsäuberliche floral-surreale Buntstiftzeichnungen, intuitiv angefertigt,
im Gegensatz zu den inszenierten Fotografien. Etwas sehr Körperliches
strahlen aber auch sie aus. Viel Anstrengung muss es gekostet haben, die
Striche so dicht und kräftig aufs Papier zu bringen.
18 Apr 2025
## AUTOREN
Beate Scheder
## TAGS
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