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# taz.de -- Die Kunst der Woche: So geht Wut
> Clara Bahlsen wütet durch die Villa Heike, Joachim Grommek malt die
> Störung und im Projektraum Kleistpark reflektieren Künstlerinnen das
> Thema Arbeit.
Bild: Blick in Clara Bahlsens Ausstellung „Magical Rage“ in der Villa Heike
Wut. Ein großartiges und ein riskantes Thema. Nicht zu verwechseln mit dem
Thema Hass, von dem zurzeit so viel die Rede ist. Wut zeitigt ganz andere
Ideen und Aktionen als der dumme Hass. Das ist jetzt in der [1][Villa
Heike] zu sehen. Der unabhängige Ausstellungsraum hat sich seit Kurzem als
gemeinnütziger Kunstverein Villa Heike e. V. in Berlin Lichtenberg neu
gegründet, wobei das Programm vor allem die Auseinandersetzung mit dem
technischen Bild sucht, das unsere heutige Wahrnehmung, Kommunikation und
Wissensproduktion ebenso prägt wie unser Gefühlsleben.
Die erste Ausstellung gehört also [2][Clara Bahlsen] und ihrer Wut.
Bahlsens Wut ist keine zerstörerische Wut – die es natürlich gibt und die
gerne mit Hass verwechselt wird. Sie ist eine märchenhafte, eine sagenhafte
Wut, „Magical Rage“, wie der Ausstellungstitel sagt und wie die Bilder der
Ausstellung und die begleitende Textarbeit „Väter“ denn auch zeigen. Die
Bilder, alles fotografische Stillleben, argumentieren recht besehen auf der
Metaebene. Ihre vielschichtig angelegten Stillleben erzählen von Wut
insofern, als sie zuallererst von den Möglichkeiten der von ihr genutzten
Medien – Fotografie, Skulptur und Erzählung – handeln, die Wut und ihre
Geschichten überhaupt zu fassen zu kriegen.
Die Geweihstange und der Unterkiefer vom Schalenwild, von Bahlsen auf eine
vermeintlich angesengte weiße Folie platziert, verführt, „Lügen“ als den
zugehörigen Text zu sehen. Um dem Vater zu gefallen, soll die Erzählerin
den Jagdschein machen und zu den Vortragsabenden im Festsaal eines
dörflichen Gasthofs gehen: „Mit wenigen Ausnahmen verbrachte ich die Abende
nicht im Gasthof, sondern mit einer Affäre. Wir hatten Sex, in seinem
Kinderzimmer zu 'Let Me In“ von R.E.M. Am Ende des Abends schlich ich mich
durch den Garten des Gasthofs nach vorne zur Tür hinaus und stieg zu meiner
übermüdeten Mutter ins Auto.“
Doch Achtung. Auch wenn Clara Bahlsen bekennt, dass Aspekte der
Nichtzugehörigkeit, biografische Aspekte und die eigene gesellschaftliche
Rolle im Mittelpunkt ihrer Arbeit stehen, könnte die Geschichte genauso
Schwindel sein wie der Stein, auf dem das „Väter“-Booklet ausliegt. Er ist
künstlich hergestellt, genauso wie die Baumscheiben, die Bahlsen in „Knappe
Angelegenheit“ aufeinanderstapelt. Nur die gelb glänzenden, geschälten
Kartoffeln, die sie zwischen die Baumscheiben gelegt hat, die sind echt.
Die Konstrukte ihrer Wut sind komplex, voller Witz und Mutwillen.
Schließlich sind sie voller persönlicher Gefühle. Und die kratzen dann auch
am Bild der Väter, das heißt an gesellschaftlichen Fragen.
## Vom Grund nach oben
Joachim Grommek ist ein Meister der Täuschung. Und er ist ein meisterlicher
Maler. Deshalb trügt der Schein auch bei seinen neuesten Bildern, die er in
seiner siebten Einzelausstellung bei Mathias Güntner zeigt. Ein wirklich
gestischer Maler wird er in der FF genannten Serie dann doch nicht. Grommek
ist ja dafür bekannt, dass der malerische Reiz seiner Kunst aus ihrem
vermeintlichen Repräsentationsverzicht stammt.
In den glänzenden Klebebändern und Folien, die auf gewöhnlichen Spanplatten
kleben, sieht man zunächst nur die konzeptuelle Arte Povera-Bastelei und
nicht das Gemälde, das man dann bei genauerer Betrachtung erkennt. Denn das
alles ist minutiös gemalt, der Spanplattenuntergrund, der auf einer
wirklichen, zuvor weiß grundierten Spanplatte aufgebracht ist, sowie die
vermeintlichen Klebebänder. Es handelt sich um sorgfältig mit Lack
aufgetragene Farbschichten, die Grommek mit leiser Ironie etwas schief,
aber immer scharfkantig auf das Rechteck des Malgrunds setzt.
In den neuen Bildern ist die scharfe Kante verschwunden. Der Farbauftrag
gibt sich nicht mehr als Folie oder Klebeband aus, sondern ist als solcher
erkennbar. Die zwei bis drei quer über die Bildfläche verlaufenden, durch
Weißraum voneinander abgesetzten und unterschiedlich getönten Farbstreifen
zitieren Farbkarten, mit deren Hilfe sich Farbtöne vergleichen, auswählen
und normieren lassen.
Die Idee zur Serie FF verdankt sich der Foto Edition „Der Himmel wird von
Tag zu Tag blauer“ (2020), in der der Künstler eine blaue Farbskala wie zum
Abgleich in den wolkenlosen und coronabedingt auch flugzeuglosen
Frühlingshimmel hält. Über die Geometrie der Farbkarten driften nun andere
Farben, in Form von Klecksen, kleinen Pinselstrichen oder Verläufen und
bringen ein gestisches Moment ins Bild, das die zugrundeliegende Ordnung
überlagert, aufbricht und irritiert.
Interessanterweise stammen diese ‚Störungen‘ aus Joachim Grommeks
malerischer Praxis. Wenn der Maler mit der Musterkarte Farbkombinationen
ausprobiert, setzt er mit dem Pinsel schnell mal eine Farbe zum Vergleich
daneben. Weil ihn dann einige dieser unfreiwillig entstandenen
Kompositionen faszinierten, entwickelte er das Verfahren weiter. Ob 031,
037 oder 014 und 049, FF bedeutet das Probieren in Perfektion.
## Sparlogiken unterbrechen
Und noch ein Nachtrag: Friederike von Rauchs und Stefanie Schweigers
Ausstellung „Disruptive Realities. Über künstlerische Arbeit, ihre
Bedingungen – und Resilienz von Künstlerinnen“ im Projektraum im Haus am
Kleistpark schließt leider an diesem Wochenende.
Ein ein paar Gedanken aus den Gesprächen über die Arbeit, die Erschöpfung,
die Hoffnung und den Widerstand, die Rauch und Schweiger mit zwanzig
Künstlerinnen geführt haben und die hier zu sehen sind und bis Mitte
Oktober [3][auch online zur Verfügung stehen], sollen in jedem Fall
festgehalten werden. Sie wurden noch einmal deutlich in der
Podiumsdiskussion mit dem ehemaligen Kultursenator Klaus Lederer, mit Heidi
Sill, Künstlerin und Mitglied im Rat der Künste und Hergen Wöbken vom
Institut für Strategieentwicklung.
Resilienz zum Beispiel als eine Eigenschaft wie Stärke zu sehen, greift zu
kurz. Resilienz ist die Praxis des fortwährenden Aushandelns von
Positionen, Haltungen, und Sichtbarkeit. Und in diesen Aushandlungsprozess
müssen die Nutzer:innen von Kunst, ihre Genießer:innen, diejenigen, die
die Kunst in Anspruch nehmen mit einbezogen werden wie Klaus Lederer sagte.
Die Nutzer:innen müssen sich als integraler Teil des Kunstgeschehens
verstehen und nicht einfach als Konsument:innen gesehen werden. Wenn
dieser Zirkel gelingt, dann erfüllt sich sicher der Wunsch von Heidi Sill,
dass mehr der Menschen, die in der Öffentlichkeit eine Stimme haben, diese
in Verteidigung der sozialen Belange der bildenden Kunst erheben. Denn
deren Situation sieht in Berlin derzeit desaströs aus.
In vielen und langen Auseinandersetzungen errungene Fördermodelle werden
derzeit wieder geschleift. Bestes Beispiel ist der FABiK-Fonds, der für die
kommunalen Galerien zusätzliche Geldmittel bereitstellt, dazu bestimmt den
Künstlern Ausstellungshonorare zu zahlen. Dank FABiK mussten Künstlerinnen
wenigsten hier nicht mehr ihr mögliches Honorar aushandeln. Ganz schlimm
sieht die Situation bei den Ateliers aus, da zu Ende des Jahres und auch im
nächsten Jahr die Mehrzahl der Mietverträge ausläuft und der unter
Spardruck stehende Senats die Förderung kippen will. Er glaubt, es würden
sich für die Räume andere Kreative finden, die die Marktmieten zahlen
können wie Werbeagenturen oder Spieleentwickler und ähnliches.
25 Sep 2025
## LINKS
[1] https://www.villaheike.org/
[2] https://clarabahlsen.com/
[3] https://www.vonrauch.com/disruptive-realities
## AUTOREN
Brigitte Werneburg
## TAGS
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