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# taz.de -- Die Kunst der Woche: Strukturen des Seins
> Bei Janice Mascarenha dreht sich alles um das identitäststifende
> Potential von Haaren. Bei Okka-Esther Hungerbühler trifft man eine
> merkwürdige Kreatur.
Bild: Installationsansicht aus der Ausstellung „Creature“ von Okka-Esther H…
Haare sind das Medium von Janice Mascarenhas, nicht nur als Friseurin,
sondern auch als Künstlerin. Aufgewachsen in einer Favela, inspiriert von
der in Bahia verwurzelten afrobrasilianischen Religion Candomblé,
beschäftigt sie sich seit längerem mit dem widerständigen wie
identitätsstiftenden Potential von Flechtfrisuren in afrobrasilianischen
Communities.
Um Sichtbarkeit Schwarzer Frauen geht es Mascarenhas, alte wie neue
Narrative. Für die beiden Fotografien, die im Erdgeschoss von Küsse zu
sehen sind, hat sie sich von einer künstlichen Intelligenz unterstützen
lassen. Von dieser ließ sie fiktive Porträts der 300.000 Jahre alten, in
Marokko gefundenen Überbleibsel des Homo Sapiens kreieren.
Der einen Abgebildeten wachsen die Haare wie große Blüten vom Kopf.
Gewidmet ist das Bild Dandara dos Palmares, eine afrobrasilianische
Kriegerin aus dem 17. Jahrhundert. Das zweite wiederum zeigt eine Frau, die
einen Turm aus Armreifen auf dem Scheitel balanciert, Mascarenhas Version
der 1977 verstorbenen Schriftstellerin Carolina Maria de Jesus, die in
ihren 1960 veröffentlichten Tagebüchern die Lebensumstände in
brasilianischen Favelas illustrierte.
Wie das Haupthaar wächst auch die Ausstellung weiter, eine Installation im
Untergeschoss kommt noch dazu, eine dokumentarische Videoarbeit der intimen
Begegnung zweier Frauen beim Flechten, eingebettet in ein Environment aus
Haaren und Steinen.
Nur noch bis Ende des Monats läuft die Ausstellung, bei der es sich
gleichzeitig um die letzte von [1][Küsse Berlin] in der Kreuzberger
Mittenwalder Straße handelt. Wo es danach mit dem von er französischen
Kuratorin Mathilde Castaignède gegründeten Kollektiv weitergehen wird,
steht noch nicht fest.
Ein Grund mehr, dem Hybrid aus Galerie und Concept Store – zu empfehlen ist
auch die feine Auswahl an Indie-Magazinen, Vintagekleidung und
Designobjekten – bald einen Besuch abzustatten. Die eine oder andere
Veranstaltung wird es auch noch geben, [2][darüber informiert am besten der
Küsse-Instagram-Kana]l.
Dass Okka-Esther Hungerbühler ihre vierte Einzelausstellung bei
[3][Haverkampf Leistenschneider] „Creature“ genannt hat, passt gut. Von
allerlei merkwürdigen Kreaturen bevölkert sind Ausstellungen der Berliner
Künstlerin ja häufig. Oft handelt es sich dabei um irgendwie animierte, aus
krudem Bastelmaterial zusammengeklöppelte Wesen.
In der neuen Schau gibt es davon aber eigentlich nur eines, ein zum Küken
umkostümierter Tod aus dem Halloween-Bedarf, das seine krächzende Stimme
ertönen lässt, wenn man ihm unsanft die Schulter klappst. Bewegen muss man
sich ansonsten eher selbst. Durch die Räume – klar. Vorbei an Wandarbeiten,
Collagen und Gemälden, und an pappigen Skulpturen, einem kniehohen
Menagerie-Set bestehend aus Salz- und Pfefferstreuer etwa.
Zur gymnastischen Übung wird der Rundgang im größten der vier
Ausstellungsräume. Hungerbühler hat darin eine Vielzahl „Verbindungbilder“
aufgehängt, textile Bildpaare, jeweils zusammengehalten von
Stoffschläuchen.
Diese wiederum baumeln von Wand zu Wand, kreuz und quer im Raum, sodass man
sich an ihnen vorbeischlängeln oder über sie drübersteigen muss. Ganz
vorsichtig natürlich. Ist das vielleicht der Trick? Ist man womöglich
selbst die Kreatur, um die es geht?
10 Sep 2025
## LINKS
[1] https://www.kusseberlin.com/
[2] https://www.instagram.com/kusse.berlin/
[3] https://haverkampfleistenschneider.com/exhibitions/creature-1b76b082/
## AUTOREN
Beate Scheder
## TAGS
taz Plan
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Rauminstallation
Fotografie
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