# taz.de -- Nach dem Eklat im Weißen Haus: Die USA sind nun kein Partner mehr | |
> Im Krieg Russlands gegen die Ukraine hat ein völlig neues Kapitel | |
> begonnen. Trump spielt jetzt im Club mit den Rechtsradikalen und | |
> Autokraten der Welt. | |
Bild: In all seiner Grausamkeit | |
Als die russische Armee in der Nacht zum Samstag wie fast jede Nacht seit | |
Monaten Drohnenangriffe auf die ukrainischen Großstädte Odessa und Charkiw | |
startete und unter anderem ein Krankenhaus beschoss, da hatte der Krieg | |
schon seit einigen Stunden einen fundamental neuen Charakter bekommen: Die | |
USA sind kein Partner mehr. Was als Nächstes kommt, ist nicht berechenbar. | |
Die Lage ist außer Kontrolle. | |
Der [1][Konflikt im Weißen Haus zwischen Wolodymyr Selenskyj, Donald Trump | |
und seinem Vize J. D. Vance] war überraschend, heftig und beispiellos in | |
der Geschichte der modernen USA. Erstmals wurde das Staatsoberhaupt eines | |
Landes aus dem Oval Office, dem Amtszimmer des US-Präsidenten, geschmissen. | |
„Kein Diktator, kein Feind, sondern das Staatsoberhaupt eines mit den USA | |
verbündeten Landes, gebeutelt von einem brutalen Angriffskrieg“, schreibt | |
die Tageszeitung Kyiv Independent. Der Präsident derselben Ukraine, der man | |
in den vergangenen drei Jahren immer wieder die amerikanische Unterstützung | |
zugesichert hatte. Einige US-Kommentatoren äußerten den Verdacht, dass | |
Trump und sein Vize Selenskyj bewusst eine Falle gestellt hätten. | |
Laut dem US-Außenminister Marco Rubio hatte Wolodymyr Selenskyj darauf | |
bestanden, nach Washington, D.C., zu reisen: um [2][einen Rohstoffdeal] zu | |
unterschreiben, de facto aber eher einen Rahmen ohne ausformuliertes | |
Profitversprechen. Durch wirtschaftliche Investitionen in der Ukraine | |
wollte Selenskyj der USA Anreize für weitere Unterstützung bieten. | |
Vielleicht hatte Trump von Selenskyj einfach dasselbe erwartet, was er in | |
diesen Tagen von allen seinen Untertanen erwartet: unwidersprochene | |
Unterwürfigkeit, aalglatte Komplimente, jeder in seiner geopolitisch | |
festgelegten Rolle. Trump: der Gönner. Selenskyj: der Bittsteller. Doch | |
Selenskyj hatte im Vorhinein angekündigt, keinen Waffenstillstand ohne | |
Sicherheitsgarantien zu akzeptieren. Er nutzte das Treffen, um an die | |
russischen Kriegsverbrechen zu erinnern und daran, dass man einem | |
Waffenstillstand mit Putin nicht trauen könne. Als Vance ihm daraufhin | |
Respektlosigkeit vorwarf, folgte ein scharfer Wortwechsel. | |
Vor [3][laufenden Kameras verhöhnten Vance und Trump Selenskyj], ließen ihn | |
kaum zu Wort kommen und warfen ihm vor, undankbar zu sein. „Ich habe Sie | |
ermächtigt, ein harter Typ zu sein. Ohne die US wären Sie das nicht!“ Am | |
Ende des Treffens sagte Trump mit einer ihm ganz eigenen Grausamkeit: „Das | |
wird großartiges Fernsehen.“ | |
Die Unterzeichnung des Abkommens platzte. Kurze Zeit später berichteten | |
US-Medien, die Regierung könnte den Rest der von Amtsvorgänger Joe Biden | |
bewilligten Militärhilfen nicht ausliefern, die in sechs Monaten auslaufen | |
sollen. So groß wie jetzt war die Verletzlichkeit der Ukraine lange nicht | |
mehr. | |
## Die Ukrainer:innen sind stolz auf ihren Präsidenten | |
Es ist die Erniedrigung, die die Ukrainer:innen bis ins Mark traf: zu | |
sehen, wie ihr Anführer vor den Augen der ganzen Welt um seine und somit | |
auch um die ukrainische Würde ringen musste. Ihre brüchige Hoffnung, die | |
sie nach drei Jahren Abnutzungskrieg und Zehntausenden von Toten und | |
Verstümmelten in den US-amerikanischen Machtwechsel gesetzt hatten, | |
zerschlug sich in diesen Minuten endgültig. Trotzdem sind die | |
Ukrainer:innen stolz auf ihren Präsidenten, der den Übermächtigen die | |
Stirn geboten hat. | |
Als ein Fox-News-Moderator Selenskyj wenige Stunden nach dem Vorfall im | |
Interview fragte, ob er sich entschuldigen wolle, wich er zunächst aus. Er | |
schlug einen versöhnlichen Ton an, lehnte eine Entschuldigung aber ab. | |
Wofür auch? Dafür, dass er in einer unerträglichen Situation wie ein Mensch | |
reagierte, ohne aufgesetzte Maske und ohne zu schleimen? | |
Für Russland ist das Bloßstellen der Ukraine der größte Triumph, in ihren | |
kühnsten Träumen hätten sie sich kein besseres Szenario wünschen können. An | |
allem ist angeblich Selenskyj schuld. Doch wie es jetzt weitergeht, das | |
haben nicht nur Putin und Trump in der Hand. Durch die Blume sendete das | |
Weiße Haus mit dem Eklat auch eine Botschaft an Europa: Aus einem Freund | |
kann ein Feind werden. Wir sind nicht mehr eure Freunde. Trump spielt jetzt | |
im Club mit den Rechtsradikalen und Autokraten der Welt und er zeigt keine | |
Anstalten, diesen zu verlassen. | |
Der ukrainische Journalist Yuriy Romanenko stellt auf seinem Telegram-Kanal | |
die Frage, ob sich „die europäische Twitter-Liebe für die Ukraine“ in | |
konkrete Unterstützung umsetzen ließe: zum Beispiel, in dem die 250 | |
Milliarden Euro aus eingefrorenen russischen Vermögen konfisziert und der | |
Ukraine überlassen werden. Denn entscheidend ist, wie die EU, | |
Großbritannien und auch die Türkei jetzt jenseits von großen Worten der | |
Solidarität reagieren. Die USA sind kein verlässlicher Partner mehr. | |
Deshalb kann Appeasement keine angemessene Strategie sein, auch wenn man | |
nicht darum herumkommen wird, sich weiterhin mit den USA zu arrangieren. | |
Die Zeit ist gekommen, um eine neue Ordnung zwischen den europäischen | |
Nationen und einer solidarischen europäischen Zivilgesellschaft zu | |
schaffen. Dazu gehören eine maximale Entkopplung von den USA, Investitionen | |
in Technologie, Wissenschaft und Industrie, der Aufbau einer neuen | |
Sicherheitsarchitektur. Profitieren wird davon nicht nur die Ukraine. | |
1 Mar 2025 | |
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## AUTOREN | |
Marina Klimchuk | |
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