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# taz.de -- Krieg und Frieden in der Ukraine: Was vom Pazifismus übrig bleibt
> Der Krieg in der Ukraine wirft viele Fragen auf: Soll die Nato in den
> Krieg eintreten? Die Ostgrenzen stärken? Ein Zuruf aus der pazifistischen
> Ecke.
Bild: Sonnenblumen vertrocknen, Raketen schlagen ein: 7. September 2023 in der …
Der Wind hat sich endgültig gedreht. Während [1][der Kanzlerkandidat der
ehemals pazifistischen Grünen] satte 3,5 Prozent unserer
Wirtschaftsleistung für das Militär aufwenden will, hat die reine Lehre
eines absoluten Pazifismus bei der kommenden Wahl keinerlei Aussicht auf
Erfolg.
Das liegt auch an den Ängsten, die seit [2][Trumps Wiederkehr] umgehen. Wie
Kaninchen starren die Europäer auf die Schlange aus Moskau und den
Hasardeur aus Washington: Was wird aus uns, so die Sorge, wenn der
Hasardeur den atomaren Schutzschirm zuklappt und uns mit der Schlange im
Regen stehen lässt?
Wie uns die Militärs vorrechnen, wäre die derzeit geschwächte Armee Putins
in fünf bis sechs Jahren wieder so weit gerüstet, dass ein russischer
Überfall aufs Baltikum oder auf Polen gute Aussichten auf Erfolg hätte –
wenn wir uns nicht rechtzeitig wappnen.
## Für einen relativen Pazifismus
Man kann sich seine Ängste und die Ängste seiner Mitbürger nicht aussuchen.
Im relativen Pazifismus krempelt man die Ärmel hoch und stellt sich den
Ängsten – auch denen auf der Gegenseite, auch denen im Kreml, die paranoid
sein mögen und genau deshalb gefährlich sind.
Statt jedwede kriegerische Handlung zu verdammen, denken relative
Pazifisten in Grautönen und sagen: Je kriegerischer, desto zweifelhafter.
Ein Kriegseintritt der Nato zugunsten der Ukraine wäre gefährlicher und
kriegerischer als die Waffenlieferungen; die Waffenlieferungen wären
kriegerischer und zweifelhafter als eine Verstärkung der Nato-Ostgrenze;
und eine aggressive Verstärkung dieser Grenze wäre ethisch zweifelhafter
als eine deutlich defensive.
Wer die reine Lehre preisgibt, muss nicht gleich auf Habecks harte Linie
einschwenken. Stattdessen gilt es, unsere Militärs mit hartnäckigen Fragen
zu behelligen: Welche Waffen genau brauchen die Soldaten, um einen
russischen Überfall auf Nato-Länder aussichtslos zu machen, ohne dass diese
Waffen als Vorbereitung eines westlichen Angriffskriegs missdeutet werden
könnten?
## Wir brauchen nicht so viel Power wie Putin
In den Lehrbüchern steht, dass Angreifer für die Eroberung eines
Territoriums mehr als dreimal so stark sein müssen wie die Verteidiger. Wir
brauchen also gar nicht genauso viel Power wie Putin. Und wir brauchen auch
nicht tief in seine Gefilde hineinballern zu können, wenn wir seine Jungs
just bei der Verletzung unserer Grenzen ausschalten wollen. Für eine
Grenzverteidigung sind etwa die geplanten Mittelstreckenraketen witzlos.
Ernst zu nehmen ist die Sorge, dass Putin in fünf, sechs Jahren plötzlich
große Truppen an einer ihm genehmen Stelle der Nato-Grenze massiert, um
dort durchzubrechen. Frage an die Militärs: Welche logistischen und welche
Aufklärungsfähigkeiten brauchen wir, um mit unserem Drittel rechtzeitig am
Ort sein zu können?
Relative Pazifisten sind nicht stur gegen Waffen und Transportgerät zur
Verteidigung; nur möchten sie dies Arsenal so defensiv wie möglich
ausgelegt wissen. Warum? Weil sie sich sorgen, dass eine übertrieben
aggressive Rüstung die Paranoia bei Putin und Konsorten noch anheizt. Sie
fürchten sich davor, dass uns das chaotische System aus Hasardeur und
Schlange im Augenblick höchster Spannung durch einen dummen Zufall um die
Ohren fliegen könnte. Und zwar atomar. Wie gesagt, man kann sich seine
Ängste nicht aussuchen.
Eine militärisch defensive Stärkung der Nato-Grenzen mag mittelfristig das
Mittel der Wahl sein. Doch ist sie dem relativen Pazifismus auf lange Sicht
zu kriegerisch. Nachhaltige Sicherheit sieht anders aus und beginnt mit
Vertrauen. Was soll das heißen? Da kann einem viel einfallen.
Wenn wir ein hochmodernes Raketenabwehrsystem installieren, dann sollten
wir Moskau an der Technologie teilhaben lassen. Wenn wir die Wehrpflicht
wiedereinführen, dann sollten die jungen Frauen und Männer wählen dürfen,
ob sie in der Armee dienen wollen oder in neu aufzustellenden Einheiten,
die den friedlichen Widerstand einüben.
Das größte Friedensprogramm der Welt hat die EU erfunden. Es heißt Erasmus
und schickt Unmengen von Studenten von Land A ins Land B. Während die
jungen Leute nebenbei studieren, leben und kochen sie zusammen, sie feiern,
sie verlieben sich – und werden Freunde fürs Leben. Dieses Programm sollten
wir auch mit Russland auflegen. Kostet weniger als Panzer und Raketen.
19 Jan 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Olaf L. Müller
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