# taz.de -- Festnahmen von Neonazis in Sachsen: „Sächsische Separatisten“ … | |
> Seit 2020 sollen sich Rechtsextreme in Sachsen auf einen Umsturz | |
> vorbereitet haben, darunter auch AfD-Leute. Nun wurden sie festgenommen. | |
> Es fielen Schüsse. | |
Bild: BKA Beamte bei einer Razzi gegen eine mutmaßlich rechtsextremistische te… | |
Berlin taz | Es sind junge Rechtsextreme, die sich selbst als „Sächsische | |
Separatisten“ („SS“) bezeichneten: Die Bundesanwaltschaft hat am | |
Dienstagmorgen acht Neonazis in Sachsen festnehmen lassen und wirft ihnen | |
rechtsterroristische Pläne vor. Die Festnahmen erfolgten im Raum Leipzig, | |
in Dresden, im Landkreis Meißen und eine auch im polnischen Zgorzelec. | |
Insgesamt wurden 20 Objekte durchsucht. Unter den Beschuldigten sind | |
mehrere AfD-Lokalpolitiker. Bei einer der Festnahmen fielen Schüsse. | |
Neben den Festgenommenen hat die Bundesanwaltschaft auch sieben weitere | |
Beschuldigte im Visier. Verbindungen der Gruppe gibt es dabei nach | |
Österreich, konkret nach Wien und in den Bezirk Krems, wo ebenfalls | |
Durchsuchungen stattfanden. | |
Die Gruppe soll sich bereits 2020 gegründet und bis zu 20 Mitglieder | |
umfasst haben, aktuell 21 bis 25 Jahre alt. Laut Bundesanwaltschaft war sie | |
„militant“ ausgerichtet, ihre Ideologie sei von „rassistischen, | |
antisemitischen und in Teilen apokalyptischen Vorstellungen“ geprägt. Die | |
Gruppe verbinde eine „tiefe Ablehnung“ der demokratischen Grundordnung in | |
Deutschland. | |
Laut den Haftbefehlen vom Dienstag sollen die Rechtsextremen überzeugt | |
gewesen sein, dass Deutschland vor dem „Kollaps“ stehe. An dem | |
entsprechenden [1][„Tag X“] soll die Gruppe geplant haben, mit Waffengewalt | |
Gebiete in Sachsen und gegebenenfalls weiteren ostdeutschen Bundesländern | |
zu erobern, um dort ein nationalsozialistisches Regime zu errichten. | |
Unerwünschte Personengruppen sollten „durch ethnische Säuberungen entfernt�… | |
werden. | |
Die Gruppe soll dafür auch wiederholt paramilitärische Trainings mit | |
Kampfausrüstung durchgeführt haben. Geübt wurde dabei Häuserkampf, der | |
Umgang mit Schusswaffen sowie Nacht- und Gewaltmärsche. Außerdem soll sich | |
die Gruppe Tarnfleckanzüge, Gefechtshelme, Gasmasken und Schutzwesten | |
besorgt haben. | |
## Beschuldigte mit Verbindungen zu AfD | |
Rädelsführer der Gruppe soll Jörg S. gewesen sein, der im polnischen | |
Zgorzelec festgenommen wurde, dem Nachbarort von Görlitz. Sein Großvater | |
war Politiker der FPÖ in Österreich. Sein Vater, Hans Jörg S. jun., ist ein | |
mehrfach verurteilter Rechtsextremist aus Österreich, der in den 80er | |
Jahren dort in der militanten Neonazi-Szene aktiv war, später nach Sachsen | |
zog und dort mit Baufirmen tätig war. Auch einer der Brüder von Jörg S., | |
Jörn S., ist unter den Festgenommenen. Nach taz-Informationen gab es | |
Durchsuchungen bei einem weiteren Bruder und beim Vater, aber ohne | |
Festnahmen. | |
Zu den Beschuldigten gehören nach taz-Informationen auch die | |
AfD-Lokalpolitiker Hans-Georg P., Kevin R. und Kurt Hättasch. Hans-Georg P. | |
saß bis Ende 2022 für die AfD im Leipziger Stadtbezirksbeirat Ost. Kevin R. | |
sitzt seit August 2024 für die AfD als stellvertretendes Mitglied sowohl im | |
Sozialausschusses als auch im Beirat für Kultur, Jugend und Sport der Stadt | |
Grimma. 2021 war R. „Medienbeauftragter“ und „Koordinator“ des | |
Parteinachwuchs, der Jungen Alternative (JA), des AfD-Kreisverbands | |
Landkreis Leipzig. | |
Hättasch sitzt aktuell im Vorstand des gleichen AfD-Kreisverbands im | |
Landkreis Leipzig und wurde 2024 in den Stadtrat von Grimma gewählt. Erst | |
Ende Oktober war er zum Schatzmeister der Jungen Alternative Sachsen | |
gewählt worden. Ende Juni war Hättasch einer der Teilnehmer einer | |
[2][Sonnenwendfeier in Strahwalde, über die die taz berichtet hatte]. Bei | |
der Zusammenkunft hatten sich AfD-Politiker und Mitglieder der Jungen | |
Alternative mit Neonazis, Hooligans und Völkischen getroffen und den | |
Nationalsozialismus verherrlicht: Es wurden Lieder der Hitlerjugend | |
gesungen und ein SS-Standartenführer geehrt. | |
Im Frühjahr 2022 zeigen Fotos Hättasch im sachsen-anhaltinischen | |
Schnellroda bei der Anreise zur sogenannten „Frühjahrsakademie“ im | |
damaligen „Institut für Staatspolitik“ des neurechten Ideologen Götz | |
Kubitschek. [3][Das Institut hat sich im Mai 2024 aufgelöst], um einem | |
Verbot zu entgehen, macht aber unter anderem Namen weiter. Die Events in | |
Schnellroda dienten zur übergreifenden Vernetzung der rechtsextremen Szene. | |
Auf weiteren Fotos der Frühjahrsakademie 2022 ist unter anderem [4][Martin | |
Sellner] zu erkennen, eine Führungsfiguren der Identitären Bewegung in | |
Österreich und Deutschland. | |
## Bei Festnahme von Hättasch fielen Schüsse | |
Aus Sicherheitskreise wurde der taz am frühen Nachmittag bestätigt, dass | |
bei der Festnahme von Hättasch in Grimma auch Schüsse fielen. Dieser wurde | |
dabei am Kiefer verletzt und musste im Krankenhaus behandelt werden. | |
Hättasch habe selbst zu einer Waffe gegriffen. Ob das Projektil von dort | |
oder aus einer Polizeiwaffe stammte, werde noch geklärt. | |
AfD-Bundeschef Tino Chrupalla nannte die Vorwürfe am Dienstag | |
„schockierend“. Sollten sich diese bestätigten, hätten die betroffenen | |
AfD-Politiker nichts in der Partei zu suchen. Auch Andreas Harlass, | |
Sprecher der AfD Sachsen, erklärte gegenüber der taz: „Mit einer solchen | |
mutmaßlich neonazistischen ‚Separatistengruppierung‘ verbindet uns weder | |
inhaltlich noch organisatorisch irgendetwas. Sollten sich die Vorwürfe | |
gegen Herrn Hättasch bestätigen, wird ein unverzüglicher Parteiausschluss | |
vollzogen werden.“ | |
Der [5][Szeneanwalt Martin Kohlmann], auch Anführer der rechtsextremen | |
Kleinpartei „Freie Sachsen“, gab in einem Video an, Jörg S. rechtlich zu | |
vertreten. Er sprach nach eigenen Angaben vor dem Gebäude der | |
Bezirksstaatsanwaltschaft von Jelenia Góra, wo das Gericht über die | |
Auslieferung von S. nach Deutschland entscheide. Kohlmann benutzte in dem | |
Videostatement konsequent die deutschen Städtenamen und erklärte: | |
„Vorläufig sieht es für mich so aus, dass hier eine relative harmlose | |
Wandergruppe zur nächsten Terrororagnisation hochgepuscht werden soll.“ Es | |
sei auch ein Schlag gegen die AfD und patriotische Gruppe, überwiegend | |
kämen die Festgenommenen aus dem Umfeld der Jungen Alternativen und der | |
AfD, sagte Kohlmann. | |
## Haldenwang zieht Verbindung zur rechten „Siege“-Szene | |
An den Ermittlungen waren das Bundeskriminalamt, das Bundesamt für | |
Verfassungsschutz und das Landeskriminalamt Sachsen beteiligt. Mehr als 450 | |
Polizist*innen waren bei den Festnahmen und Durchsuchungen im Einsatz, | |
darunter auch Spezialkräfte. Österreichische und polnische Geheimdienste | |
waren ebenfalls involviert. | |
[6][Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD)] sprach von einem „sehr | |
wichtigen Ermittlungserfolg“. Die Sicherheitsbehörden hätten „frühzeitig | |
militante Umsturzpläne von Rechtsterroristen vereitelt, die einen Tag X | |
herbeisehnten, um mit Waffengewalt Menschen und unseren Staat anzugreifen“. | |
Dass die Gruppe mit Waffen trainiert und sich bereits Ausrüstung beschafft | |
habe, zeige, wie gefährlich sie gewesen sei. Auch Bundesjustizminister | |
Marco Buschmann (FDP) sprach von „ungeheuerlichen Plänen“ und einem „gro… | |
Erfolg“ der Behörden. | |
Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, erklärte | |
auf Anfrage der taz: „Die heutigen Exekutivmaßnahmen verdeutlichen die | |
anhaltend hohe Gefahr für die innere Sicherheit Deutschlands, die vom | |
Rechtsextremismus ausgeht.“ Protagonisten der Gruppierung seien teils sehr | |
junge Rechtsextremisten, die Bezüge zu einer insbesondere im virtuellen | |
Raum aktiven Szene aufweisen. Die Anhänger dieser sogenannten „Siege-Szene“ | |
beziehungsweise des militanten Akzelerationismus glorifizieren Taten | |
bekannter Rechtsterroristen wie Anders Breivik und Brenton Tarrant. Sie | |
verfolgen das Ziel, an einem erwarteten gewaltsamen Umsturz – Tag X – des | |
politischen Systems mitzuwirken. | |
„Siege“ ist ursprünglich ein Newsletter, den der US-Rechtsextremist James | |
Mason in den 1980ern für die „National Socialist Liberation Front“ | |
geschrieben hat und dessen Inhalte später in Buchform erschienen. [7][Laut | |
dem Rechtsextremismus-Experten Spencer Sunshine] hat Mason in den | |
vergangenen Jahren seine Anhänger auf Imageboards und in Telegramgruppen | |
gefunden – und Neonazi-Netzwerke wie die rechtsterroristische „Atomwaffen | |
Division“ inspiriert. | |
## Futter für einen AfD-Verbotsantrag | |
Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im | |
Bundestag und Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums, sagte | |
der taz: „Erneut wird deutlich, dass die Gefahren, die von einer stetig | |
wachsenden rechtsextremen Szene ausgehen, sehr real sind. Der hohe | |
Organisationsgrad der Szene ist und bleibt in höchstem Maße | |
besorgniserregend.“ Auch die transnationale Vernetzung schreite weiter | |
voran und es würden weitreichende Finanzstrukturen aufgebaut. Verbindungen | |
der „Sächsischen Separatisten“ in andere Länder, nicht nur nach Polen, | |
müssten konsequent aufgeklärt werden. „Dort, wo sich Extremisten | |
international vernetzen, muss dies auch für die Sicherheitsbehörden gelten. | |
Gemeinsam müssen sie entschlossen gegen grenzüberschreitende Bedrohungen | |
vorgehen“, sagte von Notz. | |
Sein Parteikollege Marcel Emmerich forderte eine genaue Informierung im | |
Bundestag über die Gruppe. „Auch mit Blick auf ein mögliches | |
AfD-Verbotsverfahren wird der Handlungsbedarf deutlich“, sagte Emmerich der | |
taz. „Wir müssen den parlamentarischen Arm der extremen Rechten vor dem | |
Bundesverfassungsgericht auf seine Verfassungsmäßigkeit hin überprüfen.“ | |
Auch Martina Renner (Linke) erklärte: „Die AfD ist integraler Teil des | |
Rechtsterror und eine akute Gefahr.“ | |
5 Nov 2024 | |
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