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# taz.de -- Haldenwang über Wechsel in die Politik: „Ich habe mir nichts vor…
> Thomas Haldenwang leitete das Bundesamt für Verfassungsschutz, nun
> kandidiert er für die CDU für den Bundestag. Darin sieht er kein Problem.
Bild: Möchte nicht mehr so oft hinter verschlossenen Türen arbeiten: Der bish…
taz: Herr Haldenwang, seit Mittwoch sind Sie nicht mehr Präsident des
Bundesamts für Verfassungsschutz, da [1][Sie überraschend für die CDU
Wuppertal für den Bundestag kandidieren]. Die AfD, die Ihr Amt als
rechtsextremen Verdachtsfall einstufte, sieht sich nun bestätigt, dass die
Einstufung politisch motiviert war. Haben Sie dem Verfassungsschutz einen
Bärendienst erwiesen?
Thomas Haldenwang: Ich glaube, ich habe in den sechs Jahren meiner
Amtsführung im Verfassungsschutz eine gute Arbeit geleistet und die
richtigen Schwerpunkte gesetzt – und dass die allermeisten mit dieser
Arbeit auch zufrieden waren. Auch bei der Einstufung der AfD habe ich
ausschließlich nach Recht und Gesetz gehandelt. Es ist der Auftrag des
Verfassungsschutzes, verfassungsfeindliche Bestrebungen zu beobachten und
die Öffentlichkeit darüber zu unterrichten. In dem Moment, in dem der
Verfassungsschutz solche Bestrebungen feststellt, gibt es gar kein Ermessen
mehr – da muss das Amt tätig werden. Ich habe mir nichts vorzuwerfen.
Deshalb kann ich auch nicht nachvollziehen, weshalb jetzt ein Wechsel aus
meinem Amt in die Politik ein Bärendienst sein sollte.
taz: Ihre Amtszeit war geprägt von der konsequenten Beobachtung der AfD,
anders als bei Ihrem Vorgänger Hans-Georg Maaßen. Die AfD warf Ihnen von
Anfang an politische Motivation vor. Da ist dieser Wechsel doch eine
Steilvorlage?
Haldenwang: Dass ich CDU-Mitglied bin, war nie ein Geheimnis, das konnte
man bei Wikipedia nachlesen. Ich kann aber nur nochmal betonen: Wir haben
lediglich unseren gesetzlichen Auftrag verfolgt. Und alles, was ich in
Richtung AfD unternommen habe, ist auch von Gerichten überprüft worden, die
diese Schritte für rechtmäßig erklärt haben. Insofern gibt es keine
Grundlage für den Vorwurf, dass wir voreingenommen gearbeitet haben. Ich
habe mein Amt immer neutral ausgeübt.
taz: Sie sehen keinen Reputationsschaden für den Verfassungsschutz?
Haldenwang: Der Reputationsschaden entsteht jetzt durch die
Berichterstattung und dadurch, dass viele Menschen über das Stöckchen der
AfD springen. Als Behördenleiter für ein Parlament zu kandidieren, ist doch
nichts Anrüchiges. Und ich scheide jetzt aus dem Amt, noch bevor ich meine
Kandidatur überhaupt antrete. Momentan hat mich nur der CDU-Kreisvorstand
nominiert, die finale Entscheidung trifft die Aufstellungsversammlung am
30. November. Das zeigt: Es gab und gibt keine Interessenkollision.
taz: Ihr Rücktritt war bereits vorher durchgesickert. Angeführt wurden
dafür aber gesundheitliche Gründe. War das vorgeschoben?
Haldenwang: Nein. Der Job als Verfassungsschutzpräsident ist ein sehr
aufreibender. Er bedeutet: 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag, Arbeit
unter Hochdruck, mit einer enormen Verantwortung auf den Schultern. Das
geht nicht spurlos an einem vorbei. Insofern war mein Ziel tatsächlich, ein
bisschen kürzerzutreten. 64 Jahre sind aber auch kein Alter, einfach die
Füße hochzulegen. Ich unterschätze nicht die Aufgaben eines
Parlamentariers. Aber ich glaube, diesen Aufgaben noch vollständig
gewachsen zu sein.
taz: Wann war klar, dass Sie Bundestagskandidat der CDU werden?
Haldenwang: Das hat sich sehr kurzfristig ergeben. Ich bin erst Mitte
Oktober angesprochen worden, ob ich mir das grundsätzlich vorstellen
könnte, nach meinem Abgang beim Verfassungsschutz. Da gingen alle noch
davon aus, dass die Wahl im nächsten September stattfinden wird. Das hätte
mir ein halbes Jahr Zeit verschafft, um zur Ruhe zu kommen. Unter dieser
Prämisse hatte ich gesagt: Ich mach das. Durch die vorgezogenen Neuwahlen
kam es dann anders. Und da war es für mich wichtig, schnell zu reagieren,
damit gar nicht erst der Eindruck eines Interessenkonflikts entsteht.
Deshalb habe ich, noch vor der Entscheidung des CDU-Kreisvorstands, am
Montag bei Frau Faeser meinen Antrag gestellt, in den Ruhestand zu gehen,
und seit Mittwoch meine Dienstgeschäfte vollständig an meine bisherigen
Stellvertreter abgegeben.
taz: Eigentlich wollten Sie als Verfassungsschutzchef noch vor Jahresende
verkünden, ob die AfD ein Verdachtsfall bleibt [2][oder als „gesichert
rechtsextrem“ hochgestuft wird]. Was ist nun damit?
Haldenwang: Die Verkündung dieses Prüfergebnis noch in diesem Jahr war mit
der vorgezogenen Neuwahl obsolet – das wäre zu nah an den Wahltermin
gerückt. Weiter möchte ich mich dazu, jetzt da ich mein Amt niedergelegt
habe, nicht mehr äußern.
taz: Warum wollen Sie in den Bundestag?
Haldenwang: Ich habe 33 Jahre im Bundesinnenministerium oder nachgeordneten
Bundesbehörden vielfältige Kenntnisse und Erfahrungen sammeln können, habe
Netzwerke geknüpft, und ich würde diese Kompetenzen gerne weiter einbringen
– im Interesse dieses Landes und auch der Stadt Wuppertal. Ich glaube, dass
ich mich in der Politik noch eine Zeit lang ganz gut nützlich machen
könnte.
taz: Was verbindet Sie mit der CDU?
Haldenwang: Ich bin seit 18 Jahren CDU-Mitglied, mit dem Programm der
Partei kann ich mich in hohem Maße identifizieren. Das betrifft
insbesondere die Bereiche, in denen ich beruflich tätig war. Ich glaube,
dass es dringend Zeit wird, das Thema Migration in Deutschland neu zu
regeln und hier klare Strukturen zu schaffen. Und es wird Zeit, dass die
Sicherheitsbehörden gestärkt werden. Das sind Vorhaben, die bei der Union
sehr gut aufgehoben sind.
taz: Und in dem Bereich wollen Sie sich auch im Bundestag engagieren?
Haldenwang: Wenn ich tatsächlich Mitglied der Unions-Fraktion würde, werde
ich mich da einreihen, wo ich gebraucht werde. Aber natürlich habe ich eine
besondere Expertise bei innenpolitischen Themen und würde mich auch gerne
in diesen Bereichen engagieren. Ich möchte mich dafür einsetzen, dass
Versäumnisse bei der inneren Sicherheit schnellstmöglich aufgearbeitet
werden.
taz: Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Haldenwang: Die Sicherheitsbehörden brauchen dringend mehr digitale
Befugnisse, um effektive Arbeit leisten zu können – eine Speicherung von
IP-Adressen oder die Erlaubnis, digitale Datenträger kopieren zu dürfen.
Dafür ist es angesichts der großen Herausforderungen nicht nur beim
Extremismus, sondern auch bei Spionage und Sabotage höchste Zeit. Zum
anderen möchte ich mich natürlich auch für meine Heimatstadt Wuppertal
einsetzen. Diese kämpft mit vielen Problemen und einer hohen Schuldenlast.
Da glaube ich, ist es gut, wenn die Stadt im Bundestag mit einer starken
Stimme vertreten ist.
taz: Ihren Wahlkreis in Wuppertal gewann zuletzt zweimal [3][der
Sozialdemokrat Helge Lindh]. Sie glauben, Sie werden ihn schlagen?
Haldenwang: Ich kenne Herrn Lindh gut aus vielerlei Kontakten und ich
schätze auch sein Engagement für die Stadt. Ich hoffe, dass wir einen
fairen Wahlkampf gegeneinander führen werden, bei dem am Ende die besten
Argumente überzeugen. Und da bin ich tatsächlich sehr zuversichtlich, dass
mir dies gelingt.
taz: Glauben Sie, dass Ihre CDU nach der Wahl den Kanzler stellt?
Haldenwang: Ich sehe die aktuell hohe Zustimmung für die Union in Umfragen
und die verblassenden Werte für die bisherigen Ampelparteien. Dieser Trend
dürfte sich noch fortsetzen. Daher hat die Union beste Chancen, nach der
Wahl die führende Kraft zu werden.
taz: Wenn das so kommt: Könnten Sie sich auch vorstellen,
Bundesinnenminister zu werden?
Haldenwang: Nein.
taz: Nein?
Haldenwang: Mir geht es tatsächlich um parlamentarische Arbeit. Ich strebe
kein höheres Amt mehr an. Sonst hätte ich auch Verfassungsschutzpräsident
bleiben können.
taz: Im Bundestag würden Sie wieder auf die AfD treffen. Wie würden Sie
dort mit der Partei umgehen?
Haldenwang: Dann wäre die AfD für mich nicht nur eine zu beobachtende
Organisation, die in Teilen rechtsextrem ist, sondern auch der politische
Gegner, mit dem man sich mit Argumenten auseinanderzusetzen hat. Und da
glaube ich, sind wir gut beraten, wenn wir uns viel intensiver mit den
Zielen und der Politik der AfD beschäftigen und auf diese Art und Weise
dafür sorgen, dass der Einfluss begrenzt wird.
taz: [4][Ihr Parteikollege Marco Wanderwitz hat gerade mit 112 anderen
Abgeordneten im Bundestag einen AfD-Verbotsantrag eingebracht]. Würden Sie
diesen unterstützen?
Haldenwang: Das ist jetzt spekulativ. Ich möchte aber darauf hinweisen,
dass die Voraussetzungen für ein Parteiverbot noch mal höher sind als die
Einstufung als erwiesenes Beobachtungsobjekt durch den Verfassungsschutz.
Und auch Letzteres ist ja noch nicht gegeben. Ein Verbotsantrag bräuchte
eine sehr, sehr sorgfältige juristische Prüfung.
taz: Wen wünschen Sie sich als Nachfolger an der Spitze des Bundesamts für
Verfassungsschutz?
Haldenwang: Das haben andere zu entscheiden. Ich würde mir nur wünschen,
dass es eine Person wird, die in diesem Bereich bereits eine gewisse
Expertise mitbringt und keinen Kaltstart vollbringen muss – dafür sind die
Bedrohungen zu groß.
taz: Ihr Vorgänger Maaßen schied unrühmlich aus dem Amt und driftete nach
Rechtsaußen. Was wird von Ihrer Amtszeit in Erinnerung bleiben?
Haldenwang: Ich hoffe, dass man sich daran erinnert, dass ich das Bundesamt
wieder in ruhige und geordnete Fahrwasser gebracht habe. Dass ich die
richtigen Schwerpunkte gesetzt haben, nämlich den Hinweis auf die große
Gefahr durch den Rechtsextremismus für die Sicherheit und vor allen Dingen
die Demokratie in Deutschland. Dass ich darüber hinaus aber auch die
anderen Felder nicht vernachlässigt habe, gerade in jüngster Zeit auch
wieder die Bedrohung durch islamistischen Terrorismus oder die Gefahren
durch Spionage und Sabotage. Ich hoffe, dass ich in Erinnerung bleibe als
jemand, der sich bemüht hat, bestmöglich die Aufgaben des Bundesamts für
Verfassungsschutz zu erledigen.
17 Nov 2024
## LINKS
[1] /Antritt-bei-der-Bundestagswahl/!6045681
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[4] /113-Erstunterzeichnende/!6049156
## AUTOREN
Konrad Litschko
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