| # taz.de -- Verfassungsschutzeinstufung der AfD: Wo bleibt das Gutachten? | |
| > Bis Jahresende sollte das neue Verfassungsschutzgutachten der AfD | |
| > vorliegen. Nun kommt es erst nach der Neuwahl. Im Bundestag gibt es daran | |
| > Kritik. | |
| Bild: Die AfD-Fraktion im Bundestag | |
| Berlin taz | Schon seit Monaten arbeitet das Bundesamt für | |
| Verfassungsschutz an einem neuen Gutachten über die AfD. Bisher ist die | |
| Partei dort als Verdachtsfall eingestuft, nun könnte eine Hochstufung als | |
| „gesichert rechtsextrem“ erfolgen. Eigentlich sollte das Ergebnis bis | |
| Jahresende verkündet werden – [1][so hatte es Präsident Thomas Haldenwang | |
| angekündigt]. Dann aber kam der Neuwahltermin und der [2][Rückzug von | |
| Haldenwang wegen seiner CDU-Bundestagskandidatur]. Damit war der Zeitplan | |
| dahin. | |
| „Die Verkündung dieses Prüfergebnis noch in diesem Jahr war mit der | |
| vorgezogenen Neuwahl obsolet – das wäre zu nah an den Wahltermin gerückt“, | |
| [3][sagte Haldenwang der taz]. Auch in Sicherheitskreisen wurde das so | |
| bestätigt. Eine Verkündung zu nah am Wahltermin würde die Chancengleichheit | |
| der Parteien beeinträchtigen, hieß es dort. | |
| Im Bundestag aber machen einige Abgeordnete Druck, dass das Gutachten doch | |
| noch dieses Jahr veröffentlicht wird. „Ich halte es für nicht zu | |
| rechtfertigen, dass eine Regierungsbehörde Entscheidungen vertagt und | |
| Wissen zurückhält, die zur Erfüllung gesetzlicher Aufgaben und zur | |
| sachgerechten Information der Öffentlichkeit notwendig sind“, sagte die | |
| Linken-Abgeordnete Martina Renner der taz. „Es gibt hier keinen | |
| Ermessensspielraum.“ Bedenken wegen möglicher Reaktionen der AfD dürften | |
| nicht über Recht und Gesetz gestellt werden. „Das Gutachten muss auf den | |
| Tisch und natürlich vor den Wahlen.“ | |
| Auch Till Steffen, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen, forderte | |
| Innenministerin Nancy Faeser (SPD) auf, das Gutachten „unverzüglich“ zu | |
| veröffentlichen. „Die Menschen haben ein Recht darauf vor der Wahl zu | |
| erfahren, wie die AfD vom Verfassungsschutz beurteilt wird“, erklärte er | |
| auf X. Ein Verweis auf die Neutralitätspflicht sei „absurd“. Der | |
| Verfassungsschutz müsse seine Aufgaben erfüllen, „ohne Rücksicht auf | |
| wahltaktische Überlegungen“. Renner wie Steffen treten [4][auch für ein | |
| AfD-Verbotsverfahren ein]. | |
| ## Uneindeutige Rechtslage | |
| Auch Haldenwang hatte im [5][taz-Interview betont], es sei der Auftrag des | |
| Verfassungsschutzes, verfassungsfeindliche Bestrebungen zu beobachten und | |
| die Öffentlichkeit darüber zu unterrichten. „In dem Moment, in dem der | |
| Verfassungsschutz solche Bestrebungen feststellt, gibt es gar kein Ermessen | |
| mehr – da muss das Amt tätig werden.“ Über den neuen Termin für die | |
| Verkündung des Prüfergebnis wollte sich Haldenwang indes nicht mehr äußern, | |
| da er nun aus dem Amt geschieden sei. | |
| Der Berliner Staatsrechtler Ulrich Battis sprang Renner und Steffen bei. | |
| Das Gutachtenergebnis müsse veröffentlicht werden, sobald dieses vorliege, | |
| unabhängig von der Wahl, sagte er der taz. „Es geht hier nicht um die | |
| Regierung, sondern um eine Behörde, deren Gesetzesauftrag es ist, die | |
| Öffentlichkeit über Gefahren für die Demokratie zu informieren. Und wenn | |
| eine solche Gefahr vorliegt, sollte das zügig geschehen“, so Battis. „Da | |
| gibt es kein Ermessen.“ Dies könne auch noch vor der Bundestagswahl Ende | |
| Februar geschehen. | |
| Doch die Rechtslage ist nicht eindeutig. Der Bielefelder | |
| Verfassungsrechtler Christoph Gusy sagte der taz, der Verfassungsschutz | |
| habe einen „durchaus weiten Einschätzungsspielraum“, ob und wann er über | |
| verfassungsfeindliche Bestrebungen informiere. Die Frage, ob dadurch die | |
| Chancengleichheit der Parteien vor Wahlen verletzt werde, spiele dabei | |
| tatsächlich eine Rolle. „Das ist zu vermeiden.“ Deshalb sei eine | |
| Veröffentlichung des Gutachtens nach der Wahl richtig. | |
| Der Bonner Verfassungsrechtler Klaus Gärditz sagte der taz, das Bundesamt | |
| sei tatsächlich verpflichtet, die Öffentlichkeit zu informieren, wenn es | |
| verfassungsfeindliche Bestrebungen feststelle. Rechtlich festgelegt aber | |
| sei nicht, wann und wie dies zu erfolgen habe. Hier habe das Bundesamt | |
| durchaus Ermessen. „Da die amtliche Berichterstattung einen potentiellen | |
| Einfluss auf demokratische Wahlen haben könnte, gebietet die | |
| Verhältnismäßigkeit hier Zurückhaltung“, so Gärditz. | |
| Daher sei es nachvollziehbar, dass das Bundesamt nicht im angelaufenen | |
| Wahlkampf seine Bewertung veröffentliche. Unklar sei im Übrigen, so | |
| Gärditz, ob eine mögliche Hochstufung der AfD sich überhaupt nachteilig für | |
| die Partei auswirken würde – oder von der AfD nicht auch für die eigene | |
| Mobilisierung und die Generierung von Empörung genutzt würde. | |
| Faesers Ministerium ließ auf taz-Nachfrage einen neuen | |
| Veröffentlichungstermin für das Gutachten offen. Der Grund: Anders als es | |
| zwischenzeitlich kolportiert wurde, sei das Gutachten noch gar nicht | |
| fertig. „Bislang liegt noch kein neues Gutachten zur Einschätzung der AfD | |
| durch das Bundesamt für Verfassungsschutz vor“, sagte eine Sprecherin. | |
| 19 Nov 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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